Heepen

Eine Syrerin berichtet von der Flucht und ihrem neuen Leben in Deutschland

Nancy Jarkas lebt seit November mit Mutter und Bruder in Heepen

Zuhause auf Zeit: Nancy Jarkas vor der Tieplatzschule in Heepen. In zwei Zimmern lebt sie mit ihrer Familie. | © Barbara Franke

Ariane Mönikes
19.01.2016 | 19.01.2016, 15:46

Heepen. Zimmer 34/35 ist ihr neues Zuhause. Zwei Räume in der Tieplatzschule mitten in Heepen, die sie sich mit Mutter Amira (46) und Bruder Hany (19) teilt. Die Wände sind kahl, aber Nancy Jarkas (23) mag es so, sagt sie. "Ich brauche keine Bilder, ich habe doch den Ausblick nach draußen."

Seit November lebt sie hier. Hinter der jungen Frau liegt eine Odyssee: Von Damaskus aus flüchtete sie über den Libanon, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland. "Zusammen mit 41 anderen in einem kleinen Boot ging es von der Türkei nach Griechenland", erzählt sie.

Die Strapazen sind ihr noch heute anzusehen, die Augen sind geschwollen. "Ich habe in dieser Zeit kaum geschlafen", sagt Jarkas. Es musste vorwärts gehen, im Boot und auch zu Fuß. "Wir hatten ein Ziel, und das wollten wir erreichen."

In ihrer Heimat hat Jarkas Jura studiert, das Studium auch abgeschlossen. "Aber ich hatte in Syrien keine Perspektive." Entweder man sei auf der Seite von Machthaber Assad oder eben nicht - und dann habe man dort keine Chance, erzählt sie. "Sicher habe ich mich dort schon lange nicht mehr gefühlt."

Ihr Vater sowie ihre Schwester aber blieben zurück. "Meine Schwester hat panische Angst vor Wasser", sagt sie. Eine Überfahrt mit dem Boot hätte sie nicht geschafft. Aber die Familie will sie nachholen, sagt Jarkas. Denn auch sie würden dort in ständiger Angst leben.

Nancy Jarkas fühlt sich wohl in Heepen. "Es gibt so viele Menschen, die uns helfen." Frauen aus dem Ort haben ihr Kleidung gebracht, von einer Ehrenamtlichen bekam sie eine Gitarre geschenkt. "Uns geht es gut hier", sagt sie.

Jarkas gehört zu den wenigen Geflüchteten in der Unterkunft, die Englisch sprechen. Sie begleitet andere zu Ämtern und zum Arzt, übersetzt, wenn es nötig ist. "So habe ich Bielefeld kennengelernt", sagt sie.

Montags bis donnerstags macht sie einen Sprachkursus, ein paar Sätze Deutsch spricht sie schon. "Es wird immer besser", sagt sie. Jarkas weiß, wenn sie die Sprache nicht lernt, findet sie hier keine Arbeit. Auch ihr Bruder paukt derzeit fleißig. Er hat die Schule in Damaskus abgebrochen. "Als er eines Tages zum Unterricht gehen wollte, stand das Schulgebäude nicht mehr", erzählt Jarkas.

Auch er möchte hier arbeiten, sich integrieren. Dafür nutzt die Familie jede Chance, die ihr geboten wird. Freitagabends trainiert Jarkas in der Sporthalle mit der Damenmannschaft der TSG Altenhagen-Heepen. "Alle sind sehr freundlich zu mir, helfen, wo sie können." Böse Blicke habe sie auf der Straße noch nicht geerntet - vielleicht auch, weil sie nicht mit Scheuklappen durch den Ort gehe.

Ihr Traum ist es, mit ihrer Familie in einer eigenen Wohnung zu leben. Vielleicht in Heepen, sagt sie. "Hier fühle ich mich wohl."

Information

Flüchtlinge in Bielefeld

2.785 Flüchtlinge wurden der Stadt im vergangenen Jahr zugewiesen.

Seit November ist die ehemalige Tieplatzschule in Heepen Flüchtlingsunterkunft.

99 Menschen leben dort.

Andere sind unter anderem in der Wohnanlage Zedernstraße (550 Plätze), der ehemaligen Petrischule (128) sowie im alten Laborgebäude der FH (163) untergebracht.