Detmold

Justiz spürt acht weitere mutmaßliche NS-Verbrecher auf

Vier Frauen, vier Männer: Alle Verdächtigen sollen Dienst im Vernichtungslager Stutthof bei Danzig geleistet haben

Heute ein Museum: Das ehemalige Konzentrationslager Stutthof bei Danzig. | © dpa

Dirk-Ulrich Brüggemann
09.08.2016 | 09.08.2016, 20:00

Dortmund/Detmold. Ein über 90 Jahre alter Mann aus dem westlichen Münsterland nahe der niederländischen Grenze wird verdächtigt, Beihilfe zum Mord in Tausenden Fällen im früheren deutschen Vernichtungslager Stutthof, das 37 Kilometer östlich von Danzig lag, geleistet zu haben. Dies bestätigte Andreas Brendel, Oberstaatsanwalt bei der NRW-Schwerpunktstaatsanwaltschaft für NS-Verbrechen.

Der Mann sei bereits vernommen worden. Er streite eine Beteiligung ab, sagte Brendel. Der ehemalige SS-Mann sei von 1942 bis 1944 in Stutthof eingesetzt gewesen.

Jens Rommel: Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. - © dpa
Jens Rommel: Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen. | © dpa

Die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen ist insgesamt acht weiteren mutmaßlichen NS-Verbrechern auf die Spur gekommen. Neben dem Mann aus dem Münsterland werden drei weitere Männer und vier Frauen als Helfershelfer des Nazi-Regimes verdächtigt. „Sie waren alle im deutschen Konzentrationslager Stutthof bei Danzig tätig", sagte der Leiter der Ludwigsburger Ermittlungsbehörde, Jens Rommel, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Überall Vorwurf der Beihilfe zum Mord

Die Männer seien als Wachleute, die Frauen als Schreibkraft, Telefonistin oder Fernsprechvermittlerin tätig gewesen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt. Darüber hinaus suchen die Ludwigsburger Experten weitere mögliche Beschuldigte, die in den Lagern Bergen-Belsen und Neuengamme tätig waren. Auch zu den NS-Vernichtungslagern Auschwitz und Majdanek gingen Vorermittlungen weiter. Es gehe jeweils um den Vorwurf der Beihilfe zum Mord. Nach Zeugenaussagen bei den Nürnberger Prozessen sollen Leichen aus dem KZ Stutthof experimentell zu Seife verarbeitet worden sein.

Das Detmolder Landgericht hatte im Juni den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning aus Lage zu fünf Jahren Haft verurteilt. Der 94-Jährige wurde der Beihilfe zum Mord an mindestens 170.000 Menschen im Konzentrationslager Auschwitz in der Zeit von Januar 1943 bis Juni 1944 für schuldig befunden. Die Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Anke Grudda sah es als erwiesen an, dass Hanning in seiner Funktion als Wachsoldat im Konzentrationslager Auschwitz dazu beigetragen hat, dass die tausendfachen Morde geschehen konnten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das schriftliche Urteil muss bis zum 19. August vorliegen. Hannings Verteidiger haben Revision eingelegt.

Früherer SS-Mann zu vier Jahren Haft verurteilt

In Lüneburg hatte das dortige Landgericht den früheren SS-Mann Oskar Gröning im Juli 2015 zu vier Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen verurteilt. Sowohl Nebenklage als auch Verteidigung legten gegen dieses Urteil Revision ein.

Jens Rommel hofft auf eine baldige Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Revision im Fall des früheren SS-Manns Oskar Gröning. Rommel hofft, dass der BGH ausgehend vom Fall Gröning seine Haltung aus dem Jahr 1969 korrigiert. Damals reichte nach Ansicht der Richter nicht jede Eingliederung in das Konzentrationslager Auschwitz für eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord. Für die Ludwigsburger Ermittler gilt als Gehilfe jeder, der in seiner Funktion die Massentötungen „objektiv gefördert oder er leichtert hat".