Detmold. Im Detmolder Auschwitz-Verfahren gegen einen ehemaligen SS-Wachmann hat ein Zeitzeuge über die Deportation ungarischer Juden berichtet. Die ungarische Führung habe eine große Mitschuld an der Vernichtung von zwei Dritteln der Juden in dem Land getragen, sagte Imre Lebovits aus Budapest am Donnerstag aus. Lebovits hatte als Jugendlicher während des Zweiten Weltkriegs den Großteil seiner Familie verloren, unter anderem seine Mutter im NS-Vernichtungslager Auschwitz.
Wie viele Menschen in seiner Heimat über Juden dachten, hätten die Worte eines Ortsvorstehers gezeigt. „Auf Wiedersehen als Kompost", habe der Mann vor dem Abtransport von Hunderten Juden gesagt, berichtete Lebovits.
Vor dem Landgericht Detmold muss sich der 94-jährige Reinhold Hanning wegen Beihilfe zum Mord in Auschwitz in mindestens 170.000 Fällen verantworten. Bisher hat Hanning geschwiegen. Diesen Freitag will die Verteidigung vor Gericht eine Erklärung abgeben.
Kein Ortstermin
Die Schwurgerichtskammer des Detmolder Landgerichts wird nicht nach Auschwitz reisen, wie am Donnerstag außerdem bekannt wurde. Einen entsprechenden Antrag der Verteidigung lehnte Richterin Anke Grudda am 12. Verhandlungstag ab. Johannes Salmen, einer der Verteidiger des ehemaligen SS-Wachmanns Reinhold Hanning aus Lage, hatte einen Ortstermin im polnischen Auschwitz ins Gespräch gebracht. „Das Gericht kann bei einem Besuch des Konzentrationslagers Auschwitz keine neuen Erkenntnisse gewinnen", sagte Grudda.
Die Kammer habe vielmehr umfassende Eindrücke aus der Aussage des LKA-Ermittlers Stefan Willms und durch das von ihm gezeigte 3-D-Modell des Lagers gewinnen können, die völlig ausreichend seien.Zu Beginn des zwölften Verhandlungstages machte die Richterin noch einmal deutlich, dass das Detmolder Landgericht die Anklage gegen den 94-Jährigen nicht erweitert habe.
Mit Material von dpa