Detmold

Auschwitz-Prozess: Nebenkläger erwarten keine Entschuldigung mehr

Prozess gegen Ex-SS-Wachmann: Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees gibt im Vorfeld der angekündigten Erklärung von Reinhold Hanning emotionale Stellungnahme ab

Prozess geht weiter: Der Angeklagte Reinhold Hanning wird nach einem Verhandlungstag in Detmold zu einem Auto geschoben. | © dpa

28.04.2016 | 28.04.2016, 13:46

Detmold. Elf Prozesstage lang hat Reinhold Hanning, der als SS-Wachmann in Auschwitz Beihilfe zum Massenmord geleistet haben soll, geschwiegen. Für Freitag haben seine Verteidiger eine Erklärung angekündigt. Die Nebenkläger, Überlebende des Holocaust oder deren Angehörige, haben im Vorfeld dazu Stellung genommen.

Eine Entschuldigung? Nein, die erwarten die Nebenkläger im Detmolder Auschwitz-Prozess nicht mehr von Hanning: „Erklären soll er den jungen Menschen von heute, wie und warum er bei der SS gelandet ist, was ihn durchfahren hat, als er verstand, – denn auch, wenn er jung war, er war ja kein dummer Junge – was in Auschwitz vor sich ging, und was um aller Himmels Willen ihn daran gehindert hat, sich an die Front zu melden, weg von dem Ort, an dem er die Kinder sah, die von seinesgleichen schon bei der Geburt zum Tode verurteilt waren", heißt es in der emotionalen Stellungnahme, die der Vizepräsident des Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, veröffentlichte.

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Detmold: Der Auschwitz-Prozess

Heubner beschreibt, wie der Angeklagte bislang zusammengesunken im Rollstuhl saß und „erstaunlich flink den fragenden Blicken der Auschwitz-Überlebenden ausgewichen ist". „Immer da jedoch, wo der junge agile SS-Mann in ihm gestreichelt wurde, wenn Interna aus dem Lagerleben oder dem SS-Alltag vor Gericht präsentiert wurden, richtete er sich im Rollstuhl auf, blitzen seine Augen in seine jungen Jahre hinein. Die Wiedersehensfreude und die Kameraderie waren deutlich zu spüren: Meine Ehre heißt Treue, so lautete der Wahlspruch der Waffen SS, so hat sich Reinhold Hanning bisher verhalten", schreibt Heubner weiter.

Schmächliche Zonen des Schweigens

Zu keinem Zeitpunkt des Prozesses sei er ausgeschert aus den „schmählichen Zonen des Schweigens, die für Nachkriegsdeutschland so typisch und immer mit dem Hochmut der Täter verbunden waren". Ihre Erwartungen an den Angeklagten hätten die Überlebenden, die in Detmold als Zeugen ausgesagt haben, nach diesem Verhalten längst aufgegeben.

Dennoch: Ein Fünkchen Hoffnung auf eine aufrichtige Erklärung besteht noch. „Reinhold Hanning wird mit großer Gewissheit einer der letzten Auschwitz-Täter sein, der jemals in einem deutschen Gerichtssaal zur Verantwortung gezogen wird. Von seinen Worten, von seiner Aussage wird es abhängen, ob das bleischwere und hohnvolle Schweigen, das die SS in ihrer perfiden Kameraderie über Deutschland gelegt hat, durchbrochen wird und Licht am Ende des Tunnels erscheint", so Heubner.

Um Hannings Erklärung zu hören, will Nebenkläger Leon Schwarzbaum, der zu Beginn des Prozesses aussagte, noch einmal von Berlin nach Detmold reisen. Auch Imre Lebovits, der am Donnerstag in den Zeugenstand tritt, wird am Freitag erneut dabei sein.