Diskussionsrunde

Bundeskanzler Scholz nennt Ukraine-Debatte „unerwachsen“

Olaf Scholz plädiert in einer Diskussionsrunde der Bertelsmann Stiftung mit Blick auf den russischen Angriffskrieg für mehr Sachlichkeit.

Olaf Scholz im Gespräch mit Daniela Schwarzer. | © Thomas Seim

Thomas Seim
19.03.2024 | 19.03.2024, 05:00

Berlin. Viel deutlicher hätte die Symbolik kaum sein können: Der Werderscher Markt 6 in Berlin liegt gleich gegenüber dem Auswärtigen Amt. Hierhin hatte die Bertelsmann Stiftung einen ausgewählten Kreis von gut 60 Gästen zu einem Gedankenaustausch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit dem bulgarischen Politologen Ivan Krastev geladen. Thema der von Daniela Schwarzer, Vorstandsmitglied der Stiftung, moderierten Veranstaltung: „Demokratie stärken! Prioritäten für 2024“.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Ministerium gleich gegenüber müssen die Ohren geklingelt haben, als ihr Regierungschef in Erinnerung an die Entspannungspolitik der SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt das Urteil über die aktuelle innenpolitische Diskussion zum russischen Krieg in der Ukraine als typisch deutsche Debatte sprach: „Wir diskutieren ziemlich unerwachsen.“ In Erinnerung an die Absage zur Beteiligung an einem Krieg der USA gegen den Irak des dritten Ex-SPD-Kanzlers, Gerhard Schröder, kritisierte Scholz auch die Opposition: Es gebe mit ihr keine abwägende Debatte.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Ralph Heck, mahnend darauf hingewiesen, dass ein Studienergebnis der Stiftung sei, dass es inzwischen mehr autokratisch organisierte Regierungen gibt als demokratische.

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„Es braucht ein gemeinsames Verständnis, dass eine lebendige Gesellschaft ein breites Engagement braucht, aber auch Teilhabe erfordert“, sagte Heck zur Begrüßung der Gäste, zu denen neben der Bertelsmann-Spitze Liz Mohn auch der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) gehörte.

Scholz: „Müssen wir das starke Europa zu unserem Ziel machen“

„Der Diskurs über Demokratie war immer ein Diskurs über die Krise der Demokratie“, ergänzte Ivan Krastev und relativierte damit die Bedrohung der Demokratie durch rechtsextreme Parteien wie die AfD. Auch andere Staaten hätten bis zu 20 Prozent rechtsextreme Parteien. Das sei vor dem Hintergrund wachsender Herausforderungen durch Covid, Klima- und Ökonomie-Krise erklärbar. Es sei allerdings ein Fehler zu denken, dass alle Krisen auf Migration zurückgehen.

Der Kanzler teilte diese Analyse. Der russische Überfall auf die Ukraine aber sei die Aufkündigung einer Sicherheit, Grenzen nicht mit Gewalt zu verschieben. Da will Scholz mit aller Macht dagegenhalten, allerdings zugleich das Temperament der öffentlichen Debatte deutlich herunterfahren. „Wir müssen uns über unsere Rolle klar werden. Als große Nation mitten in Europa müssen wir das starke Europa zu unserem Ziel machen“, sagte der Kanzler. Dazu brauche es eher nüchterne und sachliche Diskussionen darüber, was man jetzt brauche. Es klang wie eine Botschaft an die Diplomatie im Haus gegenüber.