Bundestagspräsidentin Bas: Verbote und Zwang bringen Politik nicht weiter

Bielefeld/Berlin. Bärbel Bas ist seit 2021 Präsidentin des Deutschen Bundestags. Beim Redaktionsbesuch sprach die SPD-Politikerin aus Duisburg über die Rolle des Parlaments im Ukraine-Krieg, die Sicherheitsvorkehrungen im Haus und die Lage der NRW-SPD. Das Verhältnis Deutschlands und der Ukraine Die Nummer zwei im deutschen Staat reiste bereits vor einem Jahr in die Ukraine, um als erste ranghohe deutsche Politikerin Präsident Wolodymyr Selenskyj vor Ort zu treffen. Nach Selenskyjs Besuch in Deutschland am Wochenende hebt Bas die guten Beziehungen zwischen den zwei Ländern hervor. Für Selenskyj seien wir ein sehr wichtiger Partner geworden, nicht nur, weil Deutschland inzwischen einer der größten Geldgeber sei, betont Bas. Die Rolle des Parlaments Überraschend wenig Beachtung fand die Nachricht, dass Deutschland ein weiteres Waffenpaket in Höhe von 2,7 Milliarden Euro für die Ukraine bereitstellt. Müsste der Bundestag dies nicht ausführlicher diskutieren? &bdquo;Wir als Parlament entscheiden über die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr. Und wir beraten auch über die Mittel, mit denen die Bundesregierung die Ukraine unterstützt.“ Die konkreten Unterstützungsleistungen für die Ukraine lege aber die Bundesregierung fest, stellt Bas klar. Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg wird in den Augen der Bundestagspräsidentin ausreichend im Parlament diskutiert. Im Verteidigungsausschuss zum Beispiel werde fortlaufend über die militärischen Unterstützungsleistungen beraten. Kritik der Bürger an der Politik Bas ist besorgt, dass sich Bürgerinnen und Bürger von demokratischen Parteien abwenden und sich stattdessen für einfache und radikale Antworten öffnen. Umso wichtiger sei es für die Politik, ihre Arbeit und deren Folgen ausreichend und verständlich zu kommunizieren. Die Ampel-Pläne rund um das Heizungsgesetz zeigten, dass eine Verunsicherung im Land schnell entstehen könne. &bdquo;Es wird schwierig für Politik, wenn wir unsere Arbeit nicht mehr erklären und nicht mehr in den Dialog mit den Menschen treten“, sagt Bas. Dass politische Entscheidungen aber auch mal korrigiert werden müssten, sei normal. Das mache die Rolle des Parlaments aus: Gesetzesvorhaben der Regierung würden in aller Regel vom Bundestag noch verändert, bevor sie in Kraft treten. Der frühere SPD-Politiker Peter Struck prägte den Ausdruck &bdquo;Strucksches Gesetz“ dafür, dass kein Gesetz den Bundestag so verlasse, wie es hineinkomme. Das könnte auch für das Heizungsgesetz im parlamentarischen Verfahren gelten, glaubt Bas. Soziales Miteinander Besorgt blickt die Politikerin aus Duisburg auf eine zunehmende Spaltung zwischen Arm und Reich im Land. Die sei konkret spürbar. Auch das Verhältnis zwischen den Regionen im Westen und Osten Deutschlands müsse sich weiter verbessern. &bdquo;Wir haben es in 30 Jahren noch immer nicht geschafft, ein wirkliches gegenseitiges Verständnis zwischen West und Ost aufzubauen. Daran müssen wir weiter arbeiten“, sagt Bas. Der Schutz des Bundestags Seit einigen Jahren werden die Schutzvorkehrungen und Zugangsregeln im Bundestag &bdquo;Stück für Stück“ verstärkt, berichtet Bas. Die Bundestagspolizei ist früher in zivil durch das Parlament gegangen; inzwischen gehen die Beamten in Uniform ihre Streifen ab, um eine entsprechende Präsenz zu zeigen. &bdquo;Wir haben die Sicherheitsmaßnahmen Stück für Stück hoch gesetzt, weil es immer mal wieder Vorfälle gab“, sagt Bas. Auch Inhaber von Bundestagsausweisen dürfen zukünftig bei Betreten des Parlaments anlassunabhängig kontrolliert werden. Ihr sei aber wichtig, dass der Bundestag weiterhin offen für Besucher sei. &bdquo;Wir sind ein wahrer Besuchermagnet und Anziehungspunkt für Touristen“, sagt Bas. &bdquo;Der Deutsche Bundestag muss ein offenes Haus bleiben.“ Wahlalter 16 Wenig Hoffnung hat Bas, dass der Vorschlag der Wahlrechtskommission für ein Wahlalter ab 16 Jahren umgesetzt wird, da die nötigen Mehrheiten fehlen. Bas macht sich für ein Absenken des Wahlalters stark und auch für mehr Frauen im Bundestag. Doch wenig Chancen misst sie auch dem Paritätsgesetz bei, das eine Art Frauenquote im Bundestag festlegen soll. Die Ampel ist sich an diesem Punkt nicht einig. Die vorgeschlagene Verlängerung der Legislaturperiode von vier auf fünf Jahren erscheint laut Bas aber weiter realistisch. Die Lage der NRW-SPD Bas ist seit 1988 Mitglied der SPD und seitdem in Duisburg in verschiedenen Ämtern tätig gewesen. Die Sozialdemokratie sieht sie thematisch vor allem im Bereich des Klimaschutzes und der Industrie stärker gefordert. &bdquo;Wir haben uns ein Thema wegnehmen lassen: Wie gelingt ein klimaneutraler und zugleich sozialverträglicher Umbau der Industrie?“, sagt Bas. Entscheidend sei es, diese Veränderungen nicht durch Zwang und Verbote auf den Weg zu bringen, sondern, indem man die Menschen von diesem Weg überzeuge. &bdquo;Verbote erzeugen Gegenreaktionen. Politik muss die Herangehensweise umdrehen und Menschen von ihren Ideen begeistern.“ Aufgabe der Sozialdemokratie sei es auch, zu gewährleisten, dass im Zuge der Transformation Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Transformation sozialverträglich gestaltet wird, sagt Bas. &bdquo;Das ist die politische Marktlücke der SPD in NRW.“ Die Landespartei beobachtet Bas mit gemischten Gefühlen. Die NRW-SPD habe verstanden, dass die Lage sehr ernst sei. Es sei positiv, dass nach den turbulenten Wochen im März aktuell Ruhe herrsche. Doch bis zum Landesparteitag am 26. August müsse die inhaltliche und personelle Neuausrichtung der Partei klar sein. &bdquo;Der Parteitag muss sitzen“, sagt Bas. Es sei wichtig, mit einem Aufwärtstrend in die Europawahl 2024 und in die wichtigen Kommunal- und Bundestagswahlen 2025 zu gehen. &bdquo;Ansonsten müssen wir uns über die Landtagswahl 2027 gar nicht unterhalten.“ Wenn die SPD im Bund weiterhin den Kanzler stellen wolle, müsse die NRW-SPD Rückenwind geben, sagt Bas.

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