Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus aus Rheda-Wiedenbrück fordert eine Modernisierung des Staates, weniger abgehobene Politiker und eine neue Debattenkultur, damit Deutschland auch in Zukunft Krisen meistern kann.
Herr Brinkhaus, wie bewerten Sie die Wahl in Berlin und welche Auswirkung hat sie auf die CDU?
Ralph Brinkhaus: Wir freuen uns über das gute Resultat, das in einer Reihe mit den Wahlergebnissen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein steht. Die CDU ist also in der Lage, gute Ergebnisse zu holen und das gibt uns Schub für die anstehenden Wahlen in Hessen und Bayern. Die Wahl in Berlin zeigt auch, dass die Bürger den Senat nicht mehr wollen. Trotzdem halten SPD, Grüne und Linke an der Regierung fest. Das ist nicht richtig.
Muss die regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) die Macht abgeben?
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Ja, denn nach der Bundestagswahl 2021 hat Olaf Scholz seinen Anspruch auf die Kanzlerschaft damit begründet, dass die SPD die stärkste Partei war. In Berlin ist jetzt die CDU mit großem Abstand stärkste Partei.
Der CDU fehlt in Berlin ein Partner. Ist das ein Hinweis auf ein grundsätzliches Problem der Partei, Koalitionen bilden zu können?
Nein, damit hat die CDU kein Problem. Partnerschaften wie die schwarz-grünen Koalitionen in Hessen oder jetzt in NRW hat lange niemand für möglich gehalten und sie funktionieren gut. Davor sind wir in Düsseldorf gut mit der FDP ausgekommen. In Sachsen sitzt die SPD mit am Tisch. Das ist im Übrigen die große Stärke Deutschlands: Die demokratischen Parteien der Mitte können pragmatisch zusammenarbeiten. Das ist in den USA, aber auch in vielen anderen Ländern Europas nicht mehr möglich. Klar ist aber auch, es muss unser Ziel als Union sein, Wahlen mit deutlich mehr als 30 Prozent der Stimmen zu gewinnen. Dann fällt eine Regierungsbildung leichter.
Was muss passieren, damit die CDU dieses Ziel erreicht?
Die Politik muss drei Aufgaben erfüllen. Sie muss das Land am Laufen halten, den Menschen Perspektiven aufzeigen und das Land zusammenhalten. Wir müssen als Union deswegen nicht nur klar machen, wo gegen wir sind, sondern insbesondere aufzeigen, was unsere Ideen, unsere Pläne und unsere Projekte sind, um genau diese drei Punkte umzusetzen.
Aktuell sinkt das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat und die Politik jedoch. Wie will die Union das aufhalten?
Der italienische Autor Lampedusa schrieb in seinem Roman der Leopard: "Wenn alles bleiben soll, wie es ist, muss sich alles ändern." Kein Satz passt aktuell besser als dieser. Deutschland ist ein starkes Land, aber die Substanz, die uns wirklich gut durch die vergangenen Jahrzehnte gebracht hat, bröckelt immer mehr und immer schneller. Wir merken alle in unserem Alltag, dass immer mehr Dinge nicht mehr so funktionieren wie früher. Wenn wir diesen Prozess nicht stoppen, gefährdet das letztlich das Vertrauen in die Demokratie. Das funktioniert jedoch nicht mit Kommissionen und ein Reförmchen hier und ein Reförmchen da. Wir brauchen den großen Wurf - eine Staatsmodernisierungs- und Digitalisierungsrevolution. Anfangen könnten wir bei den Schwachen in unserer Gesellschaft mit einem vereinfachten, digitalen, auf den Menschen ausgerichteten Sozialsystem und dann geht es Stück für Stück durch alle Bereiche - von der Gesundheit bis zur Wirtschaft - weiter. Wir haben in Deutschland 1948 ein tolles Staatssystem für das 20. Jahrhundert entwickelt. Jetzt müssen wir unser Staatsmodell fortentwickeln, das in das 21. Jahrhundert passt. Anders werden wir künftige Krisen nicht bewältigen können und die kommen mit Sicherheit.
Glauben Sie, dass Deutschland das schafft?
Ja, da bin ich mir sicher. Wir brauchen dazu aber mehr Lust auf Zukunft. Das zu vermitteln ist die große Führungsaufgabe der Bundesregierung. Bei allem Respekt: Kanzler Olaf Scholz und seine Minister vermitteln das leider nicht. Deutschland braucht mehr Optimismus und Zuversicht. Die Modernisierung des Landes ist doch eine wunderbare Chance für alle, die etwas verändern wollen, ob in der Politik oder der Zivilgesellschaft. Ein großes Gemeinschaftsprojekt kann eine Diskussion über das Gesellschaftsjahr sein. Es gibt schon viele Menschen, die sich im Ehrenamt engagieren, doch es muss ein Ruck durch das gesamte Land gehen. Aktuell herrscht gerade in der Politik zu oft Lethargie, doch wir brauchen Aufbruchstimmung.
Können Sie und andere diese Stimmung aus Berlin vermitteln? Immer mehr Menschen beklagen die Abgehobenheit der Politik, weil sie die Lebensrealität der Mehrheit nicht mehr zu kennen scheint.
Na ja: Ich als Politiker, der den ländlichen Raum vertritt, wundere mich manchmal, wenn - mit allem Respekt vor der Notwendigkeit des Klimaschutzes - aus Berlin den Menschen in OWL erzählt wird, dass das Auto eigentlich überflüssig ist oder sie ihre vielfach sehr alten Häuser am besten sofort mit Wärmepumpen ausstatten sollen. Da denkt man schnell an die viel zitierte Berliner Blase. Wir sollten eh mal sehr selbstkritisch die Frage stellen, ob die politischen Debatten in Berlin, ganz gleich ob im Parlament oder im Fernsehen, noch die Lebenswirklichkeit der Mehrheitsbevölkerung abbilden. Nötig ist dafür aber auch eine neue Ehrlichkeit, denn der Staat kann nicht für alle Lebenslagen sorgen und für alles verantwortlich sein. Er kann einen Rahmen setzen, hier und da steuernd eingreifen und ein Sicherheitsnetz einziehen. Aber nicht in jeder Krise können alle, von der Mittelschicht bis zur Wirtschaft, durch den Staat schadenfrei gestellt werden. Da haben wir während der Pandemie schon an der ein oder andere Stelle Hilfen mit der Gießkanne ausgeschüttet – ein Fehler, den die Ampel jetzt in der Energiekrise wiederholt.
Tragen die Bürger eine Mitschuld daran, dass Reformen so oft scheitern?
Sie spielen auf die Proteste gegen Infrastrukturprojekte an. Ich habe da eine klare Meinung: Bürger, vor deren Haustüren Bahntrassen, Windräder oder Stromleitungen gebaut werden, vertreten ihre Interessen und das ist mehr als legitim. Für mich ist das eher eine Frage des politischen Führungsstils und der Debattenkultur. Führung bedeutet, sich ehrlich zu machen und klar zu kommunizieren, dass die Energiewende nur mit eben diesen Bahntrassen, Windrädern und Stromleitungen gelingen wird. Und dann kann man gemeinsam emphatisch und ehrlich überlegen, wie man das mit möglichst geringer Belastung hinbekommt. Debattenkultur ist ein ganz wichtiges Stichwort: Reformen können nur gelingen, wenn wir wieder Freude daran entwickeln, über den richtigen Weg zu streiten. Dafür brauchen wir Respekt - der andere könnte ja vielleicht auch recht haben - und wir müssen in Deutschland wieder lernen, konträre Meinungen auszuhalten. Ich beobachte aber zunehmend, auch im Bundestag, dass es nur noch um die "richtige" Moral und den Sieg geht. So kommen wir aber nicht weiter. Wir müssen wieder herzhafte Debatten führen, um Probleme zu lösen und nicht, um andere platt zu machen.
INFORMATION
Zur Person
Ralph Brinkhaus aus Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh ist seit 2009 Bundestagsabgeordneter der CDU, zuvor war er als Steuerberater tätig. Seit 2016 ist Brinkhaus CDU-Bezirksvorsitzender in Ostwestfalen-Lippe. Von September 2018 bis Februar 2022 war er Vorsitzender der Bundestagsfraktion von CDU und CSU.