Was bedeutet der Astrazeneca-Stopp für die Impfungen in OWL?

Bielefeld. Der überraschende Stopp für den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Pharmakonzerns Astrazeneca ist ein heftiger Dämpfer für die Hoffnungen vieler Deutscher auf eine baldige Impfung beim Hausarzt: "Mit den Chancen auf eine Impfung beim Hausarzt könnte es nun erst einmal vorbei sein", fürchtet der Bielefelder Mediziner Theo Windhorst. Denn Astrazeneca sei der Impfstoff, der am einfachsten auch in normalen Arztpraxen zu lagern und einzusetzen gewesen wäre. Andere Impfstoffe wie der des deutsch-amerikanischen Biontech-Pfizer-Bündnisses benötigen bei längerer Lagerung eine Kühlung bei extrem niedrigen Temperaturen. Grundsätzlich begrüßte Windhorst allerdings den Impfstopp für Astrazeneca: "Es ist richtig, dass jetzt Wissenschaftler der Frage nachgehen, ob es einen Kausalzusammenhang zwischen dem Impfstoff und einigen beobachteten Thrombosen und Embolien bei Geimpften gibt", so der langjährige Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, der derzeit das Bielefelder Impfzentrum leitet. Es sei selbstverständlich geboten, zunächst Vorsicht walten zu lassen.Thrombosen und Embolien gelten in vielen Fällen auch als die eigentliche Todesursache bei einer Infektion mit dem Coronavirus. Besonderes Problem für alle, die bereits die erste Impfung haben Klar ist: Der Astrazeneca-Stopp wird den Verlauf der Impfkampagne weiter verzögern. "Das wirft uns zweifellos gewaltig in unserer Impfkampagne zurück", sagte Bielefeld Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger. Zuletzt waren im Bielefelder Impfzentrum täglich rund 400 Dosen Astrazeneca verimpft worden. Und es stand sogar im Raum, die Zahl der Impfungen mit diesem Vakzin erhöhen zu können. Ingo Nürnberger erklärte, dass in dieser Woche allein 3.000 Dosen zur Verfügung gestanden hätten. Ein "Super-GAU" - also ein besonderes Problem - sei das Aussetzen der Impfungen mit Astrazeneca besonders für jene Menschen, die in den vergangenen Wochen bereits eine erste Imfpung mit Astrazeneca erhalten haben und nun möglicherweise keine zweite Impfung erhalten können, sagte ein anderer bekannter Bielefelder Mediziner. Auch die zweiten Termine müssten nun zunächst abgesagt werden. Kreise reagieren auf Impfstopp In Paderborn sorgte der plötzliche Stopp der Astrazeneca-Impfungen zunächst für große Verwirrung. Um 16.34 Uhr meldete der Kreis dann offiziell: "Im Impfzentrum des Kreises Paderborn in der Sälzerhalle in Salzkotten sind ab sofort alle Impfungen mit dem Präparat ausgesetzt." Bei der Meldung beruft sich der Kreis dabei nicht auf eine offizielle Mitteilung, sondern ausdrücklich auf Medienberichte. Auch im Kreis Höxter wurde unmittelbar nach Verkündung des Impfstopps aufgehört, das Astrazeneca-Vakzin zu verimpfen. Der Ärztliche Leiter des Impfzentrums Brakel, Jens Grothues, ist überzeugt: &bdquo;Astra kommt so schnell nicht wieder." Wer sollte dem Vakzin auch jetzt noch vertrauen? &bdquo;Durch die neuerliche Warnung vor dem Impfstoff von Astrazeneca wird der zukünftige Einsatz sehr schwierig. Erst weitere Untersuchungen werden Zweifel ausräumen können, oder auch nicht." Das Telefon glüht in der Herforder Hausarztpraxis von Hermann Lorenz und Carolin Echternkamp. "Jeder hat jetzt einen hohen Informationsbedarf", sagt Lorenz. Die einen aus vorsorglichen, die gerade mit dem Impfstoff Astrazeneca Geimpften aus nachdenklichen Gründen. Allerdings fehlen den Ärzten weitere Informationen. Lorenz: "Wir hoffen jetzt schnell auf Handlungshinweise." Aktuell rät der Arzt seinen geimpften Patienten, viel zu trinken und Bewegung. Panikmache sei aktuell der falsche Weg. Lorenz: "Man darf nicht vergessen, dass es eine ganz seltene Komplikation ist." Der Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung bewertet die Vorsichtsmaßnahme aber als gut. Lorenz: "Es wird jetzt aufgearbeitet, doch das braucht seine Zeit." Hoffnung jetzt auf Impfstoff von US-Konzern Johnson & Johnson Der Bielefelder Allgemeinmediziner Klaus Reinhardt, der Präsident der Bundesärztekammer in Berlin, spricht sich in einer Stellungnahme für "völlige Transparenz" aus, um das Vertrauen der Bevölkerung zu behalten: Dass das für die Impfungen zuständige Paul-Ehrlich-Institut "die Notbremse gezogen und die Impfung mit Astrazeneca vorübergehend ausgesetzt hat, ist richtig und wichtig", so Reinhardt. Nun müsse "geklärt werden, ob die aufgetretenen Fälle statistisch relevant sind und es sich um kausal durch die Impfung ausgelöste Ereignisse oder um eine zufällige Koinzidenz handelt." Die Ärzte glauben, dass es trotz der aktuellen Probleme künftig auch Massenimpfungen über die Hausärzte geben könnte. So könne auch der völlig neue Impfstoff des US-Konzerns Johnson & Johnson bei moderaten Kühlschranktemperaturen gelagert werden. Zudem könnten auch die hochgradig kühlbedürftigen Impfstoffe wie der von Biontech für einige Tage in normalen Tiefkühlfächern aufbewahrt werden. Impfgipfel soll verschoben werden Die für Mittwochabend geplante Telefonkonferenz von Bund und Ländern zum Impfen soll voraussichtlich verschoben werden. Es sei davon auszugehen, dass die Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA am Donnerstag zum weiteren Vorgehen bei dem Impfstoff abgewartet werde, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montagabend aus mit den Vorgängen befassten Kreisen. Bei dem Impfgipfel am Mittwoch wollten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder eigentlich über das weitere Vorgehen in der Impfstrategie beraten. Konkret sollte es dabei auch um die Frage gehen, wie die Hausärzte in Deutschland flächendeckend in den Impfabläufen berücksichtigt werden könnten.

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