Berlin. Die Bundesregierung will weiteren 1.553 Flüchtlingen von den griechischen Inseln Schutz in Deutschland bieten. Von der Hilfsmaßnahme nach dem Großbrand im Lager Moria sollen insgesamt 408 Familien profitieren, die bereits von griechischen Behörden als schutzberechtigt anerkannt wurden.
Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnet die Koalitionseinigung als "großen riesigen Fortschritt". Sie solle Griechenland in der konkreten Situation Linderung bringen.
Über die nun anvisierte Aufnahme hinaus werde sich die Bundesregierung "für eine weitergehende europäische Lösung mit anderen aufnahmebereiten Mitgliedsstaaten" einsetzen, erklärt Regierungssprecher Seibert. "Im Kontext einer solchen europäischen Lösung würde sich Deutschland zusätzlich in einem angemessenen Umfang entsprechend der Größe unseres Landes beteiligen."
Grundlage des Regierungsbeschlusses war eine Einigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Sie hatten für die geplante Aufnahme eine Größenordnung von rund 1.500 Flüchtlingen ins Auge gefasst. Union und SPD führten darüber im Tagesverlauf intensive Gespräche, ehe die SPD die Einigung verkündete.
Gütersloher CDU-Politiker fürchtet falsches Signal
Skeptische Stimmen zum Vorstoß der Kanzlerin und des Innenministers kamen zuvor aus der Union. Das Signal dürfe nicht sein, "wenn jetzt ein Flüchtlingslager brennt, dann kommt ihr alle nach Europa", sagt Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) aus Wiedenbrück. Zwar sei es aus humanitären Gründen gut, gerade besonders verletzlichen Gruppen von Menschen zu helfen. Er sei dennoch skeptisch.
"Ich hätte mir gewünscht, dass wir dies im Rahmen einer gesamteuropäischen Lösung machen", sagt der CDU-Politiker. "Es kann kein Dauerzustand sein, dass alle sagen, jetzt muss ganz schnell geholfen werden – auch unter Nichteinhaltung von Regeln, die man sich vorher aufgestellt hat".
Grünenvorsitzende spricht von "Alibi-Angebot"
Grüne und Linke hingegen kritisieren den Merkel-Seehofer-Vorstoß als unzureichend. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt spricht von einem "Alibi-Angebot". Sie verweist darauf, dass allein auf der griechischen Insel Lesbos "über 4.000 Kinder mit ihren Familien unter menschenunwürdigen Bedingungen" lebten.
Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke kritisiert das Vorhaben als "billiges Täuschungsmanöver". Sie bekräftigt die Forderung nach einer Evakuierung aller Migranten aus Moria.
Auch von der AfD kam Kritik: Ihr Fraktionschef Alexander Gauland wertete die Aufnahme von Flüchtlingen von den griechischen Inseln generell als falsch. Sie wäre ein "fatales Signal" an die Flüchtlinge: "Wenn Ihr nach Deutschland wollt, müsst Ihr nur Euer eigenes Lager anzünden."
FDP-Chef "Fehler von 2015 nicht wiederholen"
FDP-Chef Christian Lindner warnt vor einem "nationalen Alleingang" bei der Flüchtlingsaufnahme. Mit Blick auf den großen Flüchtlingszuzug von 2015 sagt er: "Die Fehler von 2015 dürfen sich nicht wiederholen." Besondere Priorität müsse nach dem Brand von Moria nun die "technische Hilfe vor Ort" haben.
Griechenlands größtes Flüchtlingslager Moria war in der vergangenen Woche durch mehrere Brände fast vollständig zerstört worden. Rund 11.500 Menschen wurden obdachlos, darunter 4.000 Kinder. Tausende ehemalige Lagerbewohner, darunter auch Schwangere und Familien mit kleinen Kindern, harren seitdem im Freien aus.