Katastrophe in Moria heizt Streit um europäische Flüchtlingspolitik an

Brüssel. Das Feuer im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos war noch nicht unter Kontrolle, da meldete sich in Brüssel die EU-Kommission mit der Ankündigung einer ersten Rettungsaktion zu Wort: Die 400 Kinder und Jugendlichen, die noch in Moria ausharren, könnten nun doch sofort verlegt und auf dem griechischen Festland untergebracht werden, erklärte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Mittwoch morgen. Die Finanzierung sei genehmigt. Der Eilbeschluss kommt allerdings reichlich spät, um die Hilfe für die Jugendlichen – und für die übrigen Flüchtlinge - wird seit Monaten gerungen. Und er ist, gemessen an den Notwendigkeiten, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die EU steht unter schwerem Beschuss Die EU steht nach dem Brand auf Lesbos plötzlich unter schwerem Beschuss – wobei nun die Kommission in Brüssel das ausbaden muss, was die EU-Regierungschefs durch jahrelange Uneinigkeit in der Flüchtlingspolitik angerichtet haben. Neuer Krach steht bevor, angeheizt durch die Feuerbilder aus Griechenland. Noch unstrittig ist, dass zunächst den Flüchtlingen in Moria geholfen werden muss. Die EU und ihre Mitgliedstaaten seien zur Hilfe bereit, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, zunächst gehe es um die Versorgung der Flüchtlinge, die ihre Unterkunft verloren hätten. EU-Vizepräsident Margaritis Schinas flog umgehend nach Griechenland, um Unterstützung zu koordinieren. Eine verbindliche Verteilung gibt es bisher nicht Doch das wird nicht reichen. Im EU-Parlament wurden Forderungen laut, jetzt alle überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln zu evakuieren – was allerdings nur möglich wäre, wenn die Menschen in anderen EU-Staaten eine Bleibe fänden. Zugleich wächst nun der Druck, die Flüchtlingspolitik in der EU endlich zu reformieren. Die Zustände in den griechischen Lagern sind auch das Ergebnis des bisherigen Politikversagens: Nach dem geltenden EU-Asylsystem sind jene EU-Staaten, in denen die Flüchtlinge erstmals EU-Boden betreten, allein zuständig – also in der Regel die Länder am Mittelmeer, Griechenland und Italien vor allem. Die sind überfordert. Doch eine verbindliche Verteilung der Flüchtlinge auf andere EU-Staaten gibt es nicht. Zur Entlastung schloss die EU stattdessen einen Pakt mit der Türkei, mit dessen Hilfe Griechenland abgelehnte Asylbewerber wieder zurück ins Nachbarland schicken könnte. Die griechischen Behörden kommen trotz EU-Unterstützung aber mit den Asylanträgen nicht nach, nur relativ wenige Flüchtlinge werden wieder in die Türkei gebracht. Viele sitzen schon seit Jahren in den Flüchtlingslagern fest. Reform seit Jahren blockiert Eine Reform des Asylsystems wird seit 2015 beraten, ist aber vor allem wegen eines Streits um die Verteilung blockiert: Länder wie Ungarn wollen gar keine Asylbewerber aufnehmen, die vor allem betroffenen Länder am Mittelmeer wollen dagegen möglichst viele Flüchtlinge auf die übrigen EU-Staaten verteilen. Die neu angetretene EU-Kommission hat einen neuen Vorstoß angekündigt, aber immer wieder verschoben – jetzt will sie am 30.September ihre Reformpläne vorstellen. Der Fokus könnte nach bisherigen Überlegungen auf dem Schutz der Außengrenzen liegen. Mittelfristig würden Asylbewerber wohl schon vor der Einreise dort einer Vorprüfung unterzogen, aussichtslose Fälle gleich zurückgewiesen. Weil dann weniger Flüchtlinge überhaupt in die EU kämen, könnte die Verpflichtung für die EU-Staaten zur Aufnahme gelockert werden, unwillige Regierungen müssten sich stattdessen mehr beim Außengrenzschutz engagieren. In Brüssel wird aber trotzdem nicht mit einer schnellen Lösung gerechnet, die Fronten sind völlig verhärtet. Ein Durchbruch sei nicht in Sicht, heißt es auch von Kommissionsseite.

Meistgelesen