Diskriminierung gehört für homosexuelle Lesben, Schwule, bisexuelle, trans* oder inter* Menschen auch heute noch zum Alltag. Viele Schwule und Lesben haben durch ihr Umfeld Erfahrungen mit Ausgrenzung gemacht. Andere werden in der Gesellschaft benachteiligt - zum Beispiel, weil sie nicht heiraten dürfen. Vor diesem Hintergrund wirkt es geradezu absurd, dass die LSBTIQ-Community noch ein ganz anderes Problem hat: Sie diskriminiert sich selbst. Im Alltag, beim Online-Dating - oder bei Wahlen.Diskriminierung auf Dating-Plattformen

“Keine Asiaten, keine Schwarzen, keine Fetten, keine Opas“. So steht es im Profiltext eines jungen Mannes, der sich in der Dating-App „Grindr“ präsentiert. Eine lesbische Kontaktanzeige endet mit der Einschränkung: „no bi, no maskulin“.
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Sätze wie diese finden sich in ähnlichem Wortlaut in unzähligen weiteren Profilbeschreibungen. Auf Dating-Plattformen wie „Grindr“ und „Planet Romeo“ hat sich ein ganz eigener, schonungsloser Jargon entwickelt - und er wird von immer mehr Nutzern übernommen. Diskriminierung, Body-Shaming und Rassismus sind hier an der Tagesordnung - in einer Szene, die es doch eigentlich besser wissen müsste.
Schwarze Männer besonders von Rassismus betroffen
Der Hintergrund ist jedoch meist ein anderer: In Dating-Apps geht es um schnelle Dates - je weniger Quatschen, desto besser. Um möglichst schnell den Richtigen zu finden, schließen manche Nutzer in ihren Profiltexten bestimmte Personengruppen von vornherein aus. Das ist zwar ziemlich unreflektiert - oftmals aber gar nicht böse gemeint. Viele Nutzer sehen in ihren Profiltexten nur die Beschreibung ihrer Vorlieben.
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Anders sehen das jedoch Betroffene: Die „Gay Men’s Sexual Health Charity“ hat 850 schwule Männer in Großbritannien befragt. 75 Prozent der schwarzen Männer sagten, dass sie Erfahrungen mit Rassismus in der schwulen Szene gemacht hätten. 81 Prozent der Männer mit Vorfahren aus Südostasien bestätigen das ebenfalls. Auch 30 Prozent der Latinos und 78 Prozent der Männer mit Elternteilen aus zwei unterschiedlichen Ethnien gaben an, schon Rassismus erfahren zu haben. Zudem sei jeder schwule Mann mit arabischer und/oder türkischer Abstammung bereits Opfer rassistischer Angriffe in der Szene geworden.
Nur 49 Prozent der befragten weißen schwulen Männer halten Rassismus für ein Problem in der Szene.
Viele Schwule wählen rechts
In der Tat galt es bislang allenfalls als Randthema, dass es in der LSBTIQ-Community rassistische Tendenzen gibt. Doch während diskriminierende Texte in Dating-Apps noch als „Dummheit“ erklärt werden können, macht sich das Phänomen inzwischen auch in der Politik bemerkbar: Viele Schwule und Lesben wählen Parteien weit rechts von der Mitte. Und sie haben sogar ein prominentes Aushängeschild: Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD - eine Lesbe.
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Das Datingportal „Romeo“ für schwule Männer, früher bekannt als „Gayromeo“, und das Magazin „Männer“ haben auf der Plattform rund 10.000 Menschen befragt, wie ihre politische Einstellung vor der Europawahl ist. Das Ergebnis belege einen Rechtsruck in der schwulen Szene. Die AfD ist die beliebteste Partei unter den Befragten, 22,3 Prozent würden sie wählen. Die CDU/CSU kommt auf 20,6 Prozent, knapp vor den Grünen mit 20,5 Prozent.
Verschiedene Strömungen in der AfD
Doch was zieht Homosexuelle zu einer Partei, die lautstark vor dem „Gender-Wahn“ warnt, die „Drei-Kinder-Familie“ als Lebensziel definiert und deren Politiker sogar Gefängnisstrafen für Homosexuelle fordern?
Zum einen beherbergt die AfD verschiedene Strömungen innerhalb der Partei. Neben rechtsnationalen und -radikalen Politikern wie Höcke, die offen homophob auftreten, gibt es auch offen schwule Aktivisten und Gruppierungen in der AfD. Das zeigen auch die offen schwulen AfD-Politiker wie Kay Gottschalk oder Sven Tritschler.
Feindbild: Der „homophobe Migrant“

Darüber hinaus spielt die AfD offen mit der Angst vor „homophoben Migranten“. Seit der Kölner Silvesternacht im Jahr 2015 positioniert sich die AfD als homonationale Partei. Das heißt, sie forciert die Darstellung, wonach Frauenfeindlichkeit, sexualisierte Gewalt und eben auch Homophobie importierte Probleme wären, die mit der Migration vor allem junger muslimischer Männer nach Deutschland kämen.
Damit vereint die AfD Geschlechterpolitik mit der Migrationspolitik. Sie verkauft eine strengere Einwanderungspolitik und Abschiebungen als Lösung für homophobe Gewalt.
Die LSBTIQ*-Community ist gespalten
Die Diskriminierung von Homosexuellen durch Menschen mit Migrationshintergrund ist aber tatsächlich ein Thema - das jedoch wenig diskutiert wird. Auf einer Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema Rechtspopulismus und LGBT in Berlin sagte der Grünen-Politiker Volker Beck: „Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, Probleme wegzudiskutieren. Homophobie von rechts und aus der Mitte der Gesellschaft muss angegangen werden, aber genauso auch bei Migrationshintergrund oder bei Muslimen, und zwar ohne die antimuslimischen Ressentiments der Rechtspopulisten zu bedienen.“
Laut dem Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg, der die LGBT-Wahlstudie durchgeführt hatte, machen viele Schwule und Lesben den Islam für Hass und Gewalt gegen Homosexuelle verantwortlich - während andere den Schutz von Flüchtlingen fordern. Es liegt nahe, dass Rassismus nicht unbedingt ein Problem der schwul-lesbischen Szene ist. Offenbar, so der Verband, sei die LSBTIQ-Community in der Flüchtlingsdebatte so gespalten wie die Gesellschaft selbst. (mat)
Dieser Text wurde erstmals am 7. Juni 2017 veröffentlicht und inzwischen um aktuelle Informationen ergänzt.