
Noch in der vergangenen Woche wies AfD-Chefin Alice Weidel die „Correctiv“-Recherche über das Potsdamer Treffen vermögender Rechtsextremer mit AfD- und CDU-Politikern und dem österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner als „unwahre Unterstellungen“ zurück und nannte es eine „private Begegnung von Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund“.
Was Weidel nicht sagte: Bei dieser „Begegnung“ waren nicht nur ein, sondern zwei Mitarbeiter aus ihrem direkten Umfeld anwesend. Denn neben ihrem inzwischen entlassenen Referenten Roland Hartwig arbeitete auch der anwesende Sohn des Gastgebers Gernot Mörig, Arne Friedrich Mörig, für die AfD und Weidel.
Er übte ab Ende 2022 eine geringfügige Beschäftigung in der Social-Media-Abteilung der AfD-Bundesgeschäftsstelle aus. Bezahlt wurde er aus dem Budget, über das Parteichefin Weidel direkt verfügen kann. So wurde es dieser Redaktion aus Parteikreisen bestätigt. Zuerst hatten WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ berichtet.
Auf dem Treffen in Potsdam Ende November wurden hauptsächlich Social-Media-Strategien des rechtsradikalen und rechtsextremen Vorfelds besprochen. Dazu passte auch das Projekt von Mörig Junior. Wie „netzpolitik.org“ zuerst berichtete, präsentierte er dort eine Agentur, die das Potenzial „alternativer YouTuber“ bündeln sollte. Dabei ging es einerseits um Werbung, andererseits auch um Kampagnen. Unter der Überschrift „Wahlkampagnen“ verspricht Mörig: „YouTuber ermöglichen es, genau die Zielgruppen anzusprechen, die traditionelle Wahlwerbung kaum erreicht.“ Zudem verspricht Mörig auch „inhaltliche Kampagnen“ durch geteilte Inhalte, die verschiedene YouTuber dann in ihre unterschiedlichen „Blasen“ senden sollen.
Ende 2023, nach dem Treffen in Potsdam und vor der Berichterstattung von Correctiv, soll Mörig diese Pläne auch dem Bundesvorstand der AfD präsentiert haben. Die Partei äußert sich auf Anfrage dieser Redaktion nicht.

Nach der Berichterstattung über das Potsdamer Treffen entließ Weidel ihren Referenten Hartwig, auch der Vertrag mit Mörig junior wurde aufgelöst. Dieser sei 2022 auf Empfehlung von Hartwig eingestellt worden. Die Beteiligung der Partei an der Social-Media-Agentur fürs rechte Vorfeld ist zunächst einmal vom Tisch.
Arne Friedrich Mörig arbeitete bis 2021 beim Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- u. Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE), unter anderem als persönlicher Referent des damaligen Präsidenten Peter Kurth. Der frühere Berliner CDU-Finanzsenator soll die „Identitäre Bewegung“ finanziell unterstützt haben und eine Buchlesung von Sellner und dem AfD-Politiker Maximilian Krah auf seiner privaten Dachterrasse organisiert haben.
Chrupalla: „Geht die Öffentlichkeit einen feuchtenKehricht an“
Unklar ist, wie groß der Einfluss und wie eng die Zusammenarbeit zwischen dem Mörig-Clan und der aktuellen AfD-Führung wirklich ist. Auch Weidels Co-Parteivize Tino Chrupalla hat wahrscheinlich an einem von Mörig organisierten Treffen im Oktober 2021 teilgenommen. Am Entwurf eines Dankesschreibens des Initiators Gernot Mörig, das ein Ableger des Hacker-Kollektivs Anonymous veröffentlicht hat, wird Chrupalla namentlich erwähnt. „Dass sich - unmittelbar nach einem anstrengenden Bundestagswahlkampf - der Bundessprecher der AfD, Tino Chrupalla, selbst in Auto setzt, um vor einem kleinen privaten Kreis völlig unkompliziert Rede und Antwort zu stehen, um am nächsten Morgen in aller Frühe wieder über Görlitz nach Berlin zu fahren, ist wahrlich nicht selbstverständlich gewesen!“ Chrupalla sagte vor Journalisten, mit wem er sich privat treffe, gehe die Öffentlichkeit „einen feuchten Kehricht an“.
Gernot Mörigs Schwiegersohn Thore Stein ist AfD-Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern und sitzt im Bundesvorstand der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES). Mörigs Schwager Thomas Grebien sitzt im AfD-Kreisvorstand in Plön (Schleswig-Holstein). Nach Informationen von WDR, NDR und SZ sollen die Spenden von Mörigs Runde über Grebiens privates Konto gelaufen sein.
Mörig senior war „Bundesführer“ des rechtsextremen „Bunds Heimattreuer Jugend“, Grebien war einst Gründer und Ex-Vorstandsmitglied der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ).
Auf Anfrage von WDR, NDR und SZ teilt der Kreisvorsitzende der AfD in Plön mit, die frühere Rolle seines Beisitzers bei der HDJ sowie im Hintergrund der Düsseldorfer Runde sei ihm nicht bekannt gewesen.
Vor Potsdam soll ein Treffen in Bayern gegeben haben
Einem Bericht der „Augsburger Allgemeinen“ vom Mittwoch zufolge soll es am 11. November, zwei Wochen vor dem Treffen bei Potsdam, eine ähnliche Veranstaltung in Bayern gegeben haben. Daran sollen auch der umstrittene bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba und ein weiterer AfD-Landtagsabgeordneter der Partei teilgenommen haben. Auch Sellner sei bei dem Treffen in Dasing im Landkreis Aichach-Friedberg dabei gewesen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf einen Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz. Dies müsse aus einem Internetbeiträgen „am gleichen Tag am gleichen Veranstaltungsort“ geschlussfolgert werden, sagte der Sprecher demnach. Namen von Abgeordneten nannte er gegenüber der Zeitung nicht.
Sellner war auch in Dasing Hauptredner
Nach Recherchen der „Augsburger Allgemeinen“ sind auf einem in sozialen Netzwerken verbreiteten Foto von dem Treffen in einer Dasinger Gastwirtschaft eindeutig der unterfränkische Abgeordnete Halemba sowie der Neu-Ulmer Landtagsabgeordnete Franz Schmid zu identifizieren. Sellner habe demnach als Hauptredner über eine „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland gesprochen. Direkt nach der Veranstaltung habe Sellner in einem auf dem Netzwerk Telegram verbreiteten Video von mehr als 60 Teilnehmern gesprochen.
Gegen Halemba laufen bei der Staatsanwaltschaft Würzburg Ermittlungen wegen Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Ende Oktober sorgte ein zwischenzeitlicher Haftbefehl gegen den neugewählten Abgeordneten bundesweit für Schlagzeilen. Inzwischen hat die AfD ein Parteiausschlussverfahren gegen den 22-Jährigen eingeleitet.
Unternehmer Theo Müller bezeichnet Weidel als Freundin
In einem Interview mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ hat der bekannte deutsche Unternehmer Theo Müller (84, „Molkerei Müller“, „Weihenstephan“, „Landliebe“, „Homann“) Kontakte zur AfD eingeräumt. Er berichtet der Zeitung von seiner Beziehung zu AfD-Chefin Alice Weidel, die wie Müller in der Schweiz lebt: „Ja. Alice Weidel ist eine Freundin.“ Weidel wohne in der Nähe und komme öfters zu Besuch. Der Molkereimogul ergänzt: „Auch wenn ich mit Frau Weidel rede, heißt das bei weitem nicht, dass ich alle Vorstellungen teile.“ Er sei kein AfD-Mitglied, und wolle keins werden. Auch habe er der Partei kein Geld gespendet. Auf die Frage, ob er sich als interessierter Beobachter oder ein Sympathisant sehen würde, antwortet er: „Irgendwas dazwischen.“
Mit Material von AFP.
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