Klimawandel

Hitze, Dürre, Starkregen - werden Regionen in Deutschland unbewohnbar?

Die Folgen der lang anhaltenden Trockenheit kann man vielerorts spüren und sehen. Was die Dürre für Wälder, Landwirtschaft, Tiere und Menschen bedeutet.

Ein ausgetrockneter Weiher in Bayern zeigt tiefe Risse. | © Nicolas Armer

13.07.2022 | 13.07.2022, 16:26

Sinkende Pegel, leere Bachbetten, ausgedörrte Böden: Die anhaltende Trockenheit macht Teilen Deutschlands schwer zu schaffen. Die Böden sind in vielen Regionen zu trocken, auch in OWL. Ausnahmen bilden nur der äußerste Norden und Südbayern. Das begünstigt nicht nur schwer einzudämmende Waldbrände, sondern schadet auch der Landwirtschaft und der Natur. Einige Tierarten leiden bereits. Und Entspannung ist nicht in Sicht: "Einzelne Quellwolken", "niederschlagsfrei", "überregional kein Ende der Trockenheit" - diese Worte prägen den Ausblick des Deutschen Wetterdienstes (DWD) auch für die nächsten Tage.

Das Phänomen Dürre beschreibt das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig als ein "statistisch abgesichertes Niederschlagsdefizit, das zu einer ausgeprägten Trockenheit im Oberboden und tieferen Bodenschichten führt". Die Erderhitzung spielt dabei eine wichtige Rolle: "Mit jedem Grad Temperaturerhöhung kann die Atmosphäre sieben Prozent mehr Wasser halten", sagt DWD-Meteorologe Andreas Brömser. "Es regnet daher, wenn es regnet, stärker - und es regnet gleichzeitig seltener. Es gibt eine Tendenz zu langen Trockenperioden, die von Starkregen unterbrochen werden." Bei Starkregen kann der Boden das Wasser jedoch weniger gut aufnehmen, schon allein daher sinke die mittlere Bodenfeuchte. Auch in OWL wird der wichtige Landregen immer seltener.

Extremer Starkregen löste vor einem Jahr die Flutkatastrophe aus, die mehr 180 Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz das Leben kostete. Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler, stuft bestimmte Flächen in Deutschland wegen extremer Wetterereignisse als zunehmend unbewohnbar ein. "Als Bevölkerungsschützer sage ich, dass manche Flächen aufgrund des Klimawandels und der akuten Bedrohung durch Unwetterkatastrophen und Flutkatastrophen nicht wiederbesiedelt werden sollten", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Mittwoch. Konkret bezog er sich bei dieser Aussage auf die Wiederbesiedlung entlang der Ahr in Ufernähe. Dieses stelle aus seiner Sicht ein "Sicherheitsrisiko" dar, sagte der Chef der Bonner Behörde, die den Katastrophenschutz und -vorsorge auf Bundesebene koordinieren soll. Noch sei allerdings Zeit, Schutzkonzepte gegen die Auswirkungen der Klimakrise zu entwickeln und in der Raumplanung zu berücksichtigen, sagte Tiesler. Dabei gebe es "keinen Ort oder Landstrich in Deutschland, bei dem wir nicht genau hingucken müssen". Auch in Teilen von OWL kann es zu gefährlichem Hochwasser kommen.

Einige Landkreise verbieten Wasserentnahme

Aktuell erreichen die Pegel von deutschen Gewässern wegen der Trockenheit teils schon kritische Niedrigstände. Immer mehr Landkreise unter anderem in Sachsen, Thüringen und Hessen haben daher zumindest zeitweise die Wasserentnahme aus Flüssen, Seen, Bächen und Teichen verboten - auch Äcker und Felder dürfen damit nicht mehr bewässert werden, sonst drohen Bußgelder. "Seit Wochen sinkt der Wasserpegel in den Frankfurter Gewässern, einige Bäche sind bereits ausgetrocknet", erklärt für Frankfurt am Main Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne). Die vereinzelten Niederschläge sowie die anhaltende Wärme belasteten die Gewässer sowie die darin lebenden Pflanzen und Lebewesen. "Wir müssen dieses empfindliche Ökosystem vor zusätzlichen und vermeidbaren Stressfaktoren schützen."

Dass in den privaten Haushalten bald kein Wasser mehr aus dem Hahn kommen könnte, ist nach Einschätzung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) allerdings nicht zu erwarten. Auch wenn vereinzelte Ausnahmen möglich seien, sei die Trinkwasserversorgung flächendeckend gewährleistet. "Wir haben keinen Wassermangel in Deutschland", versichert der für den Bereich Wasser zuständige BDEW-Hauptgeschäftsführer Martin Weyand. Zu Engpässen könne es aber kommen, wenn zu viel Wasser auf einmal verbraucht werde. "Bei großer Hitze steigt der Bedarf der Haushalte um 40 bis 60 Prozent", sagte Weyand - etwa für häufigeres Duschen, Rasensprengen oder Pools im Garten. "In den allermeisten Regionen sind die Kapazitäten aber auch in Hitzeperioden ausreichend."

Trockenheit wirkt sich auf Getreideernte aus

Anhaltende Hitze und Trockenheit machen vielen Landwirten zu schaffen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV), Joachim Rukwied, weist darauf hin, dass die Verteilung der Niederschläge in den vergangenen Wochen regional sehr unterschiedlich gewesen sei - mit entsprechenden Auswirkungen auf die Getreideernte. Für diesen Sommer rechnet der Verband insgesamt mit nur 41,2 Millionen Tonnen. Das wäre noch einmal weniger als im Vorjahr (42,3 Millionen) und sogar deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2020 von 44,2 Millionen Tonnen. Die Wasservorräte im Boden sind nach Rukwieds Angaben nach wie vor viel zu gering. Für die Ernte von Mais, Kartoffeln und Zuckerrüben seien ausreichende Niederschläge auch in den kommenden Wochen wichtig. Einschränkungen bei der Versorgung mit Lebensmitteln sehe er aktuell jedoch nicht, betont der Bauernpräsident.

"Die Dürre hat auf verschiedene Ökosysteme massive Auswirkungen, darum sind unterschiedlichste Arten betroffen", sagte Thomas Behrends vom Naturschutzbund (Nabu) Schleswig-Holstein. Neben den Wasserlebensräumen mit ihren Libellen, Wasserkäfern und Köcherfliegen seien auch Wiesen, Weiden und Heidelebensräume betroffen. Besonders Flüsse, Seen und Auen leiden nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) an niedrigen Wasserständen. Steige die Temperatur in den Gewässern auf über 25 Grad, drohe ein Fischsterben. "In der Elbe bei Hamburg ist das Problem schon angekommen, für den Main steht es kurz bevor", sagt BUND-Sprecher Daniel Jahn.

Gravierende Folgen für die Wälder

Auch für die Wälder seien die Folgen gravierend. "Bundesweit sind die Wälder durch Waldbrand bedroht und bundesweit sterben Bäume in den Wäldern einzeln, in Gruppen oder sogar flächig ab, wenn der Wasservorrat des Bodens aus dem Winterhalbjahr aufgebraucht ist." Anhaltende Trockenheit allein löst zwar kein Feuer aus, dennoch begünstigt sie die Ausbreitung von Wald-, Vegetations- und Flächenbränden - wie zuletzt in Brandenburg und Sachsen.

Nach Einschätzung von Feuerwehrexperten wird die Kombination aus großer Trockenheit und kräftigen Winden die Lage in den nächsten Tagen weiter verschärfen. "Es ist zu befürchten, dass die Situation noch gefährlicher werden könnte als im Katastrophenjahr 2018", sagte Ulrich Cimolino, Vorsitzender des Arbeitskreises Waldbrand im Deutschen Feuerwehrverband (DFV) und Vegetationsbrandexperte der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) laut einer Mitteilung. Damals hatten Waldbrände und Dürre in Europa demnach Schäden von 3,9 Milliarden Dollar angerichtet.

Einigen Regionen Deutschlands stehen regional wieder sehr warme bis heiße Tage bevor. Der DWD nennt das "zeit- und gebietsweise" heißes Wetter. Vorerst heißester Tag könnte laut einer noch unsicheren Prognose der 19. Juli werden - für den Südwesten Deutschlands sagt DWD-Meteorologe Bernd Zeuschner an diesem Tag um die 38 Grad voraus. Dabei soll es in Deutschland zwar vereinzelte Gewitter und Schauer geben - "überregional aber kein Ende der Trockenheit".

Extreme Hitze in Europa häufiger und intensiver

“Sommerliche Hitzewellen sind an sich kein neues Phänomen. Neu ist aber, dass extreme Hitzeereignisse in Europa in den letzten Jahren häufiger und intensiver aufgetreten sind. Man denke nur an die heißen und trockenen Sommer 2018, 2019, 2020 und die jüngsten Hitzewellen in Europa - und wir rechnen damit, dass das noch schlimmer wird", erklärt Efi Rousi vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Hauptautorin einer neuen Studie, die in "Nature Communications" veröffentlicht wird. Hitzewellen über Europa haben laut Studie drei- bis viermal schneller zugenommen als in den übrigen nördlichen mittleren Breitengraden, wie etwa in den USA oder Kanada.

Grund seien Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation: Große Windbänder in 5 bis 10 Kilometer Höhe, der sogenannte Jetstream, seien im Wandel begriffen. Zustände, in denen sich der Jetstream in zwei Äste aufspaltet - so genannte Doppeljet-Lagen – hielten zunehmend länger an. Diese doppelten Jet-Zustände erklärten fast den gesamten Aufwärtstrend der Hitzewellen in Westeuropa und etwa 30 Prozent im gesamten europäischen Raum, so das Institut.

Lemke: Niemand muss aufs Duschen verzichten

Bundesumweltministerin Steffi Lemke betont die Notwendigkeit einer besseren Vorbereitung auf Hitze und Trockenheit in Deutschland. "Inzwischen sind durch die Folgen der Klimakrise so viele wirkliche Hitzetage bei uns auch in Deutschland angekommen, dass das für die Natur und auch für uns Menschen teilweise eine Bedrohung darstellt", sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch im Deutschlandfunk. Lemke will bis Ende des Jahres eine nationale Wasser-Strategie vorlegen. Sie appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, "vernünftig" mit Wasser umzugehen. Gegen Dürre helfe kurzfristig, Wasser zu sparen, sagte die Ministerin weiter. Menschen mit einem Garten etwa könnten darauf verzichten, tagsüber zu gießen. Niemand aber müsse auf Trinkwasser oder aufs Duschen verzichten, versicherte sie. (dpa/AFP/groe)

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