Flutkatastrophe: Wo es Ostwestfalen-Lippe treffen könnte

Bielefeld. Wie ausgeprägt das Bewusstsein für eine Hochwasser- und Überschwemmungsgefahr ist, lässt sich auch an diesen Zahlen ablesen: Weniger als die Hälfte der Gebäude in Nordrhein-Westfalen war 2020 gegen Elementarschäden, also gegen Naturgefahren wie zum Beispiel Starkregen und Hochwasser, versichert, sagt eine Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Die Gefahr, von solchen Extremwettern und dessen Folgen getroffen zu werden, ist allerdings deutlich verbreiteter. Auch in Ostwestfalen-Lippe. Doch es gibt Unterschiede zu den jetzt von der Flutkatastrophe betroffenen Regionen im Westen. "Wir haben in Ostwestfalen-Lippe eine relativ große Tallage am Osthang des Teutoburger Waldes bis zum lippischen Bergland. Das ist ein großer Abflussraum für Wasser", erklärt Carsten Schlötzer, Professor für Geotechnik an der Technischen Hochschule OWL. "Diese ganz extremen und ganz schnell ansteigenden Hochwasserwellen, also dass sich Wasserstände innerhalb von Minuten um mehrere Meter ändern, würde ich hier ausschließen. Zu Hochwasserlagen, die gefährlich werden können, kann es aber auch hier kommen." Oberflächenbeschaffenheit ist wichtig In der Eifel und teilweise im Sauerland gebe es eine andere Topografie, beschreibt es Schlötzer. Bei Starkregenereignissen wie dem über Teilen NRWs und Rheinland-Pfalz fließe das Wasser sehr schnell von den Hängen ab und den Flüssen und Bächen zu, die dann stark ansteigen, weil es lange dauere, bis das Wasser talwärts abfließen kann. "Das wiederum liegt an den engen und gewundenen Tälern, die es dort gibt. Dazu kommt, dass der gesamte Raum durch die gewässernahe Bebauung eingeschränkt ist. Teilweise wurden Straßenbrücken mit Geröll und Autos zugesetzt und es war kein Abfluss mehr möglich." Was den Hochwassercharakter betrifft, könne so etwas auch in Ostwestfalen-Lippe geschehen, sagt Detlef Sönnichsen aus Minden, der sich als Ingenieur 40 Jahre lang mit Hochwasser und Überschwemmungen beschäftigt hat. Das hänge ganz stark vom Relief, also von der Oberflächenbeschaffenheit ab. "Das Risiko besteht zum Beispiel im Lipperland, im Vlothoer und Herforder Hügelland oder den Engtälern der Karstflächen Paderborns. In den Niederungsgebieten der Lippe, der Ems oder der Großen Aue nicht", sagt der Experte. Detmold, Lage und Herford im Werregebiet Auch das Schadenspotenzial spiele eine Rolle, das heißt die Dichte der Bebauung. "Und da sind die Täler der jetzt betroffenen Regionen enger besiedelt als wir hier in unserer Region. Solche Ereignisse würden auch hier große Schäden anrichten, aber nicht das Ausmaß der Zerstörung mit sich bringen, wie wir es im Westen Deutschlands jetzt sehen. Schadensschwerpunkte bei uns wären zum Beispiel Städte wie Detmold, Lage und Herford im Werregebiet." Betroffen sind übrigens nicht nur Häuser in der Nähe von Flüssen. "Es gibt auch viel Schadenspotenzial auf Flächen, die nicht in der Nähe von Gewässern liegen. Zum Beispiel Gebäude, die ungünstig an Hanglagen stehen", sagt Sönnichsen. Risiko durch Gewässer In der Nähe von Wasser ergibt sich ein zusätzliches Risiko. Ingenieur Rüdiger Kohut, Lehrbeauftragter an der FH Bielefeld für den Bereich Kanalisation, erklärt wieso: "Wenn es lange Zeit auch auf Flächen ohne Bebauung, also auf Äcker, Wiesen und Wälder, regnet und die Aufnahmefähigkeit überschritten wird, kommt es zu einem noch stärkeren Wasserabfluss. Wenn dort Orte liegen, so wie teilweise in den jetzt betroffenen Bereichen in Rheinland-Pfalz und Teilen NRWs, dann wird ein Bach, der durch den Ort führt, zu einem reißenden Strom." Am Schutz vor solchen Gefahren wird in Ostwestfalen-Lippe gearbeitet. "Die Bega in Lemgo zum Beispiel hat ein relativ großes Einzugsgebiet. Dort wird seit Jahren an der Renaturierung gearbeitet, was dem Hochwasserschutz dient", nennt Schlötzer ein Beispiel. Auch in Detmold sei ein Großteil der Werre schon renaturiert worden, in Lage gebe es ebenfalls ein solches Projekt. "Den Flüssen werden damit Flächen gegeben, damit sie sich wieder ausdehnen können. Das schafft Pufferräume und reduziert die Fließgeschwindigkeit."

Meistgelesen