Fall Franco A.

Munitionsklau bei der Bundeswehr blieb unentdeckt

Einige der im Fall Franco A. beschlagnahmten Waffenteile und Patronen konnten unbemerkt aus Beständen der Bundeswehr entwendet werden.

Im Fall Franco A. gefundene Waffenteile und Munition konnten offenbar unbemerkt entwendet werden. | © picture alliance/dpa (Symbolbild)

Jörg Köpke
06.01.2020 | 30.01.2020, 16:42

Berlin. Der Fall Franco A. schlägt weiter Wellen. Jetzt kommt heraus: Der Bundesregierung fehlt offenbar der Überblick über den Verbleib von Munition und Waffenteilen nach Schießübungen.

Die im Zuge von Ermittlungen im Fall des unter Terrorverdacht stehenden Bundeswehroffiziers Franco A. bei einem weiteren Beschuldigten „gefundenen Gegenstände wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit bei unterschiedlichen Ausbildungs- und Schießvorhaben unter fälschlicher Angabe des Verbrauchs entwendet, sodass im Rahmen des Nachweises kein offenkundiges Fehlen aufgetreten ist und diese Gegenstände dementsprechend auch nicht als vermisst gemeldet wurden", heißt es in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken im Bundestag, die dieser Redaktion vorliegt.

Vier-Augen-Prinzip bei Schießübungen gibt es nicht

Das bedeutet: Wie viel Munition ein Soldat tatsächlich im Manöver oder bei Schießübungen verbraucht, wird nicht von einem Vorgesetzten oder einem anderen Soldaten überprüft. Es zählt allein die Aussage des Schützen. Wenn dieser jedoch falsche Angaben macht und nicht verschossene Munition heimlich mit nach Hause nimmt, bleibt das unentdeckt. Munitionsbuchhaltung nach dem Vier-Augen-Prinzip? Fehlanzeige.

Laut Innenstaatssekretär Hans-Georg Engelke wurde anhand der Losnummern im Fall Franco A. inzwischen festgestellt, dass Teile der später gefundenen Munition „aus Beständen der Bundeswehr stammten".

480 Schuss Manövermunition stammt aus Waffenlager der Truppe

Eine handschriftlich ausgefüllte Liste des Bundeskriminalamtes, die dieser Redaktion vorliegt, umfasst insgesamt vier Seiten. Unter anderem mehrere Hundert Schuss Munition, Zünder und Übungshandgranaten stellten die Ermittler im April 2017 bei dem damaligen Studenten Mathias F. sicher. Eine Holzkiste mit 480 Schuss Manövermunition für Scharfschützen war noch original verpackt. Sie stammte laut Aufschrift aus dem Depot Wulfen in Nordrhein-Westfalen – einem der vier Munitionsversorgungszentren der Bundeswehr.

Linken-Innenexpertin Martina Renner forderte das Verteidigungsministerium auf, die Kontrollmechanismen zu verschärfen und nicht ausschließlich auf die Aussagen von Soldaten nach Übungen zu vertrauen. „Zwei Dinge müssen sich grundlegend ändern: Jede Waffe, jede Granate und jede relevante Menge Munition, die bei der Bundeswehr entwendet wird, muss angezeigt und Polizei sowie Staatsanwaltschaft müssen tätig werden", sagte Renner. „Bei Ermittlungen wegen Vorbereitung eines terroristischen Anschlags darf die Frage der Tatmittel nicht so vernachlässigt werden, wie dies im Fall Franco A. offenbar wird."

Ermittler finden Munition bei Freund von Franco A.

Ermittler hatten im April 2017 das Zimmer von Mathias F. in einem hessischen Studentenwohnheim durchsucht und dabei die Kisten der Bundeswehr gefunden. Mathias F. sagte seinerzeit, dass er sie nur für einen Freund verwahre und – wenig später – dass dieser Freund Franco A. heiße. Dem Oberleutnant der Bundeswehr wird von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen, als falscher syrischer Asylbewerber Anschläge geplant zu haben, um sie anschließend Flüchtlingen in die Schuhe zu schieben.

Im September dieses Jahres wurde der inzwischen 27-jährige Mathias F. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Die Richter urteilten, er habe mit dem Besitz der beschlagnahmten Munition und Waffenteile gegen das Waffengesetz, das Sprengstoffgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Schon bei seiner ersten Vernehmung sagte Mathias F. aus, er habe die Kisten und Kartons für Franco A. aufbewahrt, dem in Kürze der Prozess wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemacht wird.

Franco A. bestreitet den Vorwurf, Mitglied eines rechtsextremen Netzwerkes in der Bundeswehr zu sein. Mathias F. äußerte sich mehrfach in Chats auf drastische Weise rassistisch und antisemitisch. Beide sind seit ihrer Jugend miteinander befreundet.

Mathias F. wurde inzwischen auch zu einer Geldstrafe von 2.500 Euro verurteilt. Das Geld solle an eine Organisation gehen, die auch in der Flüchtlingshilfe aktiv ist.