
Nein, wir müssen nicht damit rechnen, in wenigen Wochen unter Sirenengeheul in den Keller rennen zu müssen. Wir werden auch nicht so schnell wie die bedauernswerten, aber auch bewundernswerten Ukrainerinnen und Ukrainer in U-Bahnschächten übernachten, um vor Putins Raketen und Drohnen sicherer zu sein. Aber wir müssen uns als Gesellschaft darüber im Klaren sein, dass unser Frieden und unsere Freiheit akut von Russland bedroht sind.
Weil die Geschichte eben nicht zu Ende ist, wie der eigentlich kluge Politologe Francis Fukuyama im Überschwang 1989/90 zum Fall des Eisernen Vorhanges formulierte. Er beschrieb damals den Sieg der liberalen marktwirtschaftlichen Demokratien, weil sie die Bedürfnisse der Menschen besser befriedige als Autokratie oder gar Diktatur.
Doch die Geschichte ist nie zu Ende, weil sie sich wie ein Pendel verhält und aus dem Ausschlag zu einer Seite nur Schwung für den Ausschlag zur anderen gewinnt. Es gibt immer hinreichend große Gruppen von Menschen, die andere Interessen haben als die aktuellen Zustände und darin größere Vorteile für sich erkennen oder erhoffen. Diese Erkenntnis hat Folgen und einen Preis. Jedenfalls wenn das reiche und liberal-marktwirtschaftliche, demokratische Europa seinen Wohlstand, seine Sicherheit und seine Freiheit behalten will.
Zwischen Putin und Trump eingekeilt
Auf der einen Seite ist der angriffslustige, revisionistische Putin, der das Interesse hat, Russland wieder zu einer Weltmacht zu machen. Gegen den werden wir uns nur mit einer funktionstüchtigen, schlagkräftigen, ausreichend mit Material und Soldaten ausgestatteten Bundeswehr und europäischer Zusammenarbeit verteidigen können.
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Noch besser wäre natürlich, ihn mit unserer Wehrhaftigkeit von einem Angriff abzubringen. Debatten darum, ob Jugendoffiziere in Schulen den Beruf des Soldaten vorstellen dürfen oder nicht (es geht nicht um Rekrutierung), sind deshalb rückwärtsgewandt oder verzagt. Und zur Wehrpflicht gibt es nur schlechte Alternativen. Wehrlosigkeit führt zu Unfreiheit, Unterdrückung, Erpressbarkeit und Verlust von Wohlstand. Das können wir nicht wollen.
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Der Zolldeal fußt auf Europas militärischer Schwäche
Denn auf der anderen Seite hat ein US-Präsident Trump mit seinen deutlich anders gelagerten Interessen Europa gerade mustergültig erpresst. Der Zolldeal kostet die EU deutlich mehr als eine Billion Euro. Die ergeben sich durch die finanziellen Zusagen, Hunderte Milliarden Euro in den USA zu investieren und für weitere Hunderte Milliarden Energie und anderes in den USA zu kaufen.
Der Deal wurde so zum Teil nur möglich, weil Europa sicherheitspolitisch vollkommen abhängig ist von den USA. Allein ist die EU aktuell nicht wehrfähig. Trump nutzt diese Schwäche radikal aus. Da zählt es wenig, dass die EU der größte und finanzstärkste Markt der Gegenwart ist.
Wer nicht glaubwürdig damit drohen kann, sich mit Zähnen und Klauen zu verteidigen und das im Ernstfall auch zu tun, muss damit rechnen, auf der Verliererseite der Geschichte zu stehen. Auch wenn uns das nicht gefällt. Deutschland – Europa – muss aufwachen.
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