Der erste Veteranentag: Eine paradoxe Veranstaltung
Beim ersten Veteranentag herrscht unter den einst Uniformierten jedoch eine Sorge: dass sie sich ihre Wertschätzung weiterhin selbst organisieren müssen, statt sie von außen signalisiert zu bekommen. Dieser Widerspruch zeigt das Problem, meint unser Autor.
Als sich die Deutschen Mitte der 1950er-Jahre wieder bewaffneten, da herrschte zumindest im Westteil des Landes große Skepsis. Es folgten die Proteste gegen den Vietnamkrieg und die Nachrüstung der Nato – sowie die Konflikte um die Bundeswehr-Einsätze im Kosovo und in Afghanistan. 2011 kappte die Aussetzung der Wehrpflicht die ohnehin schwachen Bande zwischen der Truppe und der Gesellschaft endgültig. Als die Bundeswehr zehn Jahre später aus dem regulären Einsatz am Hindukusch zurückkehrte, stand nicht mal die damalige Verteidigungsministerin auf dem Rollfeld.
All das beweist, welche Zäsur der Veteranentag an diesem Sonntag, 15. Juni, bedeutet. Denn er hat direkt die Ehrung von Menschen zum Ziel, die für die Verteidigung der vereinigten Bundesrepublik ihr Leben riskieren. Indirekt geht es darum, die Distanz der Republik zum Militärischen zu verringern – einer Republik, die auf die Bundeswehr wie auf ein fernes Unternehmen schaut, das unpopuläre Aufträge abwickelt. Der Veteranentag rührt daher an ein Paradox.
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Zwar stehen seit Russlands Angriff auf die Ukraine erstmals wieder Frieden und Freiheit auf dem Spiel. Dabei verteidigen Soldaten nicht zuletzt die Freiheit von Antimilitaristen, Pazifisten und Egoisten. Das ist verdienstvoll.
Doch bei aller Anerkennung muss es erlaubt bleiben, auch von der Freiheit der Distanz zu den Streitkräften Gebrauch zu machen. Dieses Paradox ist kennzeichnend für eine Demokratie und unauflösbar.