
Es gibt für das Urteil über diesen letzten 20. Deutschen Bundestag zwei Blickrichtungen: die eine zurück im Zorn, die andere nach vorn. Der Blick zurück rechtfertigt ein sehr kritisches Urteil auf Regierung und Parlament. Eine Ampel-Koalition unter Führung der SPD scheiterte an ihren Widersprüchen und dem Intrigantentum um Macht.
Eine Opposition unter Führung von CDU/CSU versagte, weil sie sich der Blockade der Regierung verschrieb, und sei es um den Preis eines Schadens fürs Land. Viel mehr wird von der Legislatur der Zeitenwende kaum bleiben. Differenzierter muss der Blick auf die Herausforderungen der Zukunft ausfallen. Die erbitterten Gegner des Gestern haben sich für den Aufbruch ins Morgen verständigt.
Das wird hart genug, denn die neoliberalen bis rechtskonservativen und nationalen Kräfte fahren bis zuletzt schärfste Angriffe gegen die Pläne, mit einer knappen Billion Euro die Stärkung militärischer Sicherheit sowie ökonomische, ökologische und strukturelle Erneuerung zu finanzieren. Dass ein Bündnis der Mitte aus Union, SPD und Grünen dies möglich macht, ist ein großes Verdienst, insbesondere der Grünen.
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Union und SPD liegen in der Richtung richtig
Bei den nun startenden Verhandlungen liegen Union und SPD in der Richtung richtig. Dieses Land braucht nach Jahren defizitärer Haushaltslagen in Bund und Ländern mit fehlenden Investitionen über alle Bereiche des täglichen Lebens einen neuen „Marshall-Plan“ zur Sicherung der Republik in einer besonderen außen- und innenpolitischen Krisenlage.
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Die Menschen wollen ein sicheres Land und konkrete Verbesserungen in Schulen, auf Straßen, in Kliniken. Die Unternehmen brauchen verlässliche Zusagen für den Abbau von Bürokratie und Handelshemmnissen, sichere Strukturen in Steuer- und Abgabenpolitik. Dafür haben zwei Drittel der Abgeordneten die Mittel frei gegeben.
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Liefern muss die Koalition aber erst noch. Die Union darf sich nicht aufhalten mit dem Lecken der Wunden, die ihr Einbrechen bei der Haushaltsfinanzierung geschlagen hat. Friedrich Merz – darauf gab die Debatte einen neuen Hinweis – muss im Amt sicher erst noch wachsen. Der wohl künftige Kanzler – da hat die Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann recht – muss an der Kraft seiner Argumente noch viel arbeiten, damit er den Diskurs im Land nicht vergiftet.
Union und SPD müssen liefern
Sein künftiger Koalitionspartner SPD muss bei der Neuordnung der Migration und in der Sozialpolitik sicher noch Kröten schlucken. Das gilt auch dann, wenn über die Sonderregelung des Bundeswehretats Milliarden im Haushalt für andere Finanzierungen zur Verfügung stehen. Die Grundlage für den Aufbruch ins Morgen aber ist gelegt. Es ist, sagte SPD-Chef Klingbeil über die neue Einigkeit, ein historisches Signal. Nun müssen Union und SPD liefern. Und Merz.