
Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Haus kaufen, Ihnen fehlen aber – sagen wir – knapp fünf Prozent! Der Kassenwart ruft Ihnen ein „Sorry“ zu, Ihr Konkurrent ein „Niemals“, ihre Ehe scheitert – das Aus fürs Haus? Mitnichten: Sie entdecken mit einem neuen Partner nötige Sicherungs- und Modernisierungsarbeiten. Zwar war alles bekannt, aber man braucht für den Aufbruch eben nicht fünf, sondern 200 Prozent mehr Geld. Das haben die Berater des neuen Kassenwarts ausgerechnet und nun will Ihr Ex-Konkurrent selbst Hausmeister werden und hält hohe Schulden für richtig.
So etwa ist die Lage nach diesem Wochenende. Wegen 15 bis 20 Milliarden Euro im Haushalt für 2025 war die Ampel aus SPD, Grünen und FDP gescheitert. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte ebenso wie Ex-Finanzminister Christian Lindner jede höhere Verschuldung abgelehnt. Nun plant eine große Koalition vermutlich mit einem Kanzler Merz womöglich gar Zusatzschulden von fast einer Billion Euro. Für Militärausgaben in der Ukraine-Krise und für Investitionen in eine zerfallene Infrastruktur.
Mal – zunächst – ganz abgesehen davon, ob das Sinn macht, berechtigt ist oder vielleicht nötig, um in einer Lage, in der sich die Welt machtpolitisch neu sortiert, überstehen zu können: Was will Merz den Menschen antworten, die ihm nun einen gigantischen Wahlbetrug vorwerfen? Worauf genau also wird er seine Legitimation fürs Kanzleramt stützen?
Auch Verhalten der SPD wirft Fragen auf
„Mit Zuversicht unsere Zukunft gestalten“ stand auf seinen Wahlplakaten. Oder: „Für ein Land, auf das wir stolz sein können“. Aber weder ist es eine Zierde noch legitimiert es Zuversicht, eher schon keimt aus dieser Strategie von Union und Kanzlerkandidat der Verdacht eines gigantischen Wahlbetrugs.
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Merz gibt den Steinbrück, zweite Wahl: Der Ex-Finanzminister hatte 2005 Wahlkampf gegen CDU-Pläne für eine zweiprozentige Mehrwertsteuer-Erhöhung geführt, sich dann nach der Wahl auf eine Anhebung um drei Prozent mit der neuen Kanzlerin Merkel geeinigt. Jetzt liegt der Schwarze Peter zwar bei der Union. Aber auch dass die SPD das offenbar mitgeht, wirft Fragen auf. Sie hatte die Reform der Schuldenbremse zwar stets vorn auf der Agenda. Von einem solch gigantischen Schuldenwechsel auf die Zukunft allerdings war auch bei ihr nie die Rede.
Darüber hinaus sind Inhalte völlig ungeklärt. Wie sehr droht der EU ein Schulden-Dammbruch? Wie sicher ist ihr Stabilitätspakt noch? Reicht das als Verteidigungsstrategie? Oder muss nicht gegen den Trump/Putin-Plan eine diplomatische Offensive Europas mit China neue Wege öffnen?
Das darf man dem neuen, künftigen Schulden-Kanzler Merz jedenfalls als Fragen mit auf den Weg geben. Geld allein reicht nicht für Existenz und Friedensperspektive eines einigen Europa.