
Berlin. Die Drucksache 20/15096 mit dem nüchternen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115 und 143h)“ hat das Zeug, in die Geschichte der Bundesrepublik einzugehen. Am Dienstag hat der Bundestag das wohl größte Verschuldungsprogramm Deutschlands beschlossen. Am Freitag erhielt das Milliarden-Finanzpaket auch im Bundesrat die nötige Zweidrittelmehrheit. Die Details im Überblick:
Verteidigung
Ausgaben für Verteidigung, Zivilschutz, Cybersicherheit und Nachrichtendienste sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent der Wirtschaftsleistung – also etwa 44 Milliarden Euro – unter die Schuldenbremse fallen. Alles darüber Hinausgehende soll beliebig aus Krediten finanziert werden dürfen. Nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs könnten damit bis 2035 neue Kredite von bis zu einer Billion Euro verbunden sein – zusätzlich zu der schon bestehenden Verschuldung des Bundes in Höhe von 1,7 Billionen Euro.
Infrastruktur
Durch die Grundgesetzänderung wird der Bund ermächtigt, einen schuldenfinanzierten Topf für Investitionen in die Infrastruktur und „zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045? einzurichten. 100 Milliarden Euro davon können in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) geschoben werden, aus dem in der Regel alle Klimaförderungen bezahlt werden – darunter auch die Zuschüsse für den Einbau von Wärmepumpen. Damit der Sondertopf, der für zwölf Jahre zur Verfügung steht, nutzbar wird, ist allerdings noch ein Bundesgesetz nötig. Darin muss unter anderem festgelegt werden, wann und wie die Kredite getilgt werden.
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Die Grünen setzten durch, dass der Sondertopf nur in Anspruch genommen werden darf, wenn bereits im normalen Haushalt eine „angemessene Investitionsquote“ erreicht wird. Als angemessen wird in der Begründung für die Grundgesetzänderung eine Quote von zehn Prozent genannt. Mit dieser Bedingung soll verhindert werden, dass durch das Sondervermögen im normalen Haushalt Spielräume für Wahlgeschenke wie Steuersenkungen geschaffen werden. Derartige Verschiebebahnhöfe vollständig zu unterbinden, wird aber nicht gelingen. Das liegt schon an der schwammigen Definition des Begriffs Investitionen.
Bundesländer
Sie sollen künftig zusammen Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufnehmen dürfen. Das wären aktuell etwa 15 Milliarden Euro. Bisher ist den Ländern eine Kreditaufnahme durch die Schuldenregel verboten. Außerdem sollen die Länder 100 Milliarden Euro aus dem geplanten 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur-Investitionen erhalten. Die Kommunen fordern, dass die Länder einen Großteil des Geldes an sie weiterleiten. Dazu gibt es aber keine Verpflichtung, weshalb die Verteilung der Mittel unklar ist. Offen ist zudem, ob das Kriterium der „Zusätzlichkeit“ auch für die 100 Milliarden Euro gilt.
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Kosten
Die Kredite nimmt der Bund am Kapitalmarkt auf, zum Beispiel über Bundesanleihen. Für die aktuellen Schulden in Höhe von 1,7 Billionen Euro zahlt der Bund etwa 34 Milliarden Euro jährlich an Zinsen. Für die möglichen neuen Schulden schätzt der Bundesrechnungshof die Belastung im Jahre 2035 auf weitere 37 Milliarden Euro. Das ist zusammengenommen etwas so viel, wie der gesamte deutsche Staat in einem Monat an Steuern einnimmt. Hinzu kommen Zinsen und Tilgung des Bundeswehr-Sondervermögens in Höhe von 100 Milliarden Euro und der Kredite zur Bewältigung der Corona-Pandemie von zusammen rund 300 Milliarden Euro.
Zeitplan
Am Freitag machte der Bundesrat den Weg frei für das Finanzpaket. Das Gesetz muss noch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf sein verfassungsgemäßes Zustandekommen geprüft und unterschrieben werden.
Am 24. März sollen die Arbeitsgruppen der Koalitionsverhandlungen ihre Textvorschläge für den Koalitionsvertrag vorlegen, danach befasst sich die kleinere Steuerungsgruppe damit. Am 25. März konstituiert sich der neue Bundestag. Bis spätestens Ostern (Ostersonntag am 20. April) will CDU-Chef Friedrich Merz (CDU) eine neue Regierung gebildet haben.