Gedenken an die Holocaust-Opfer: Der Schrecken muss in Erinnerung bleiben
Am 80. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz muss die Erinnerung an die NS-Verbrechen wachgehalten werden. Das hat auch mit uns zu tun, kommentiert der stellvertretende NW-Chefredakteur.
Der 27. Januar ist eins der wichtigsten Daten der deutschen Geschichte. An diesem Tag im Jahr 1945, vor 80 Jahren also, befreite die Sowjetarmee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Die Rotarmisten stießen auf ausgemergelte, knapp überlebende Gestalten, Berge von Leichen, herausgebrochenen Goldzähnen und einen Schrecken, der damals wie heute unbeschreiblich war und ist. Der aber ausgesprochen werden und in der Erinnerung bleiben muss.
Die heutige Generation trägt keine Schuld an den unvorstellbaren Verbrechen. Aber die Verantwortung dafür, was mit der Erinnerung passiert. Und was aus den Gräueltaten folgt. Das ist, um mit Angela Merkels Worten zu sprechen, deutsche Staatsräson.
Es ist ja richtig, dass das Gedenken an den maschinellen Massenmord an Juden, Roma und Sinti, Homosexuellen und anderen Minderheiten nach 80 Jahren manchmal sehr ritualisiert daherkommt. Was soll die heutige Gesellschaft auch tun, um zu erinnern? Der Bundespräsident spricht, irgendwo werden Blumen niedergelegt, Jugendfahrten an die Orte des Grauens angeboten. Viele fragen sich inzwischen: Was hat das mit mir zu tun?
Doch genau das ist der Punkt. Es hat etwas mit uns zu tun. Mit uns als Menschen und als Deutsche. Und da sind wir bei der Debatte dieser Tage. Der Ausgangspunkt der industriellen Menschenvernichtung der Nazis war die Verallgemeinerung. „Die Juden“, „die Zigeuner“ (so wurden Roma und Sinti damals genannt), „die Homosexuellen“. Weil ein Mensch Jude war, wurde er deportiert und gequält.
Diese Verallgemeinerungen beginnen zurückzukehren. Natürlich mit anderen Folgen und Konsequenzen, das ist absolut nicht zu vergleichen. Aber „Ausländer raus“-Rufe und „Remigration in großem Stil“ sind ebenfalls Verallgemeinerungen. Wenn ein Afghane oder Syrer eine schreckliche Bluttat in Deutschland verübt hat, sind nicht alle Flüchtlinge aus den genannten Ländern Verbrecher. Es ist sogar nur eine absolut verschwindende Minderheit.
Es leben etwa eine Million Syrer in Deutschland und gut 400.000 Afghanen. Eine niedrige einstellige Zahl von ihnen wird mit fürchterlichen Morden und Anschlägen auffällig. Mit dieser Feststellung wird das Verbrechen nicht bagatellisiert. Die Debatte der AfD legt aber nahe, dass alle Afghanen und Syrer kriminell sind – eine Verallgemeinerung.
Und die CDU muss achtgeben, dass sie nicht ebenfalls auf dieses schmale Brett klettert. Da ist diese große und verdienstvolle Partei eines Konrad Adenauers und Helmut Kohls in diesen Wahlkampfzeiten gerade dabei. Der freiheitlich demokratische Rechtsstaat lebt von der individuellen Verantwortung, nicht von Verallgemeinerung.
Straftäter, egal welcher Herkunft, sind zur Rechenschaft zu ziehen. Auch mit Abschiebung. Da liegt die CDU richtig. Sie muss aber bedenken, welches gesellschaftliche Klima durch die in den Bundestagsanträgen indirekt unterstellten Probleme mit den Zuwanderern entsteht. Das sollte sie noch nachholen.