Kommentar

Jugendliche sind faul und rechts? Mehr Gelassenheit, bitte!

Über junge Menschen wird oft geschimpft: faul, unzuverlässig, pessimistisch, unpolitisch oder rechts. Die neue umfangreiche Jugendstudie macht zwar Problempunkte bei jungen Menschen sichtbar, insgesamt gibt es jedoch keinen Anlass für Pessimismus. Den hat der Nachwuchs auch nicht.

Jugendliche und ihr Blick auf Work-Life-Balance: Weniger work, mehr life? Die Shell-Studie schaut seit Jahren genauer hin, wie Jugendliche in Deutschland aufwachsen. | © picture alliance/dpa

Carsten Heil
15.10.2024 | 15.10.2024, 15:52

Das war schon immer so. Ältere Generationen blickten auf junge Menschen häufig etwas abschätzig herab. „Die Jugend von heute“ sei nicht mehr fleißig, hätte dagegen immer höhere Ansprüche. Verlässlich seien diese Schnösel auch nicht, denn sie brechen ihre Ausbildung ab, interessierten sich nicht für Politik, machten nur ihr eigenes Ding und jammerten rum. Die Aufzählung lässt sich beliebig fortsetzen. Nach den Landtagswahlen im Osten wird dem Nachwuchs aktuell vorgehalten, auch noch eher rechts – also die AfD – zu wählen.

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Gut, dass es seit vielen Jahren (seit 1953) die Shell-Jugendstudie gibt, die den Befindlichkeiten junger Menschen zwischen 12 und 25 Jahren repräsentativ nachspürt, langfristige Veränderungen beobachtet und Entwicklungen nachvollziehbar darlegt. Es werden Menschen aller Bevölkerungs- und Bildungsgruppen befragt.

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Die aktuelle Befragung legt den Schluss nahe, dass es um die nachfolgende Generation nicht so schlecht bestellt ist, wie oft geunkt. Es ist absolut verständlich und vernünftig, dass sich die Befragten vor Krieg und dem Klimawandel fürchten. Nachvollziehbar, denn die verstärkten Folgen des Klimawandels liegen in der Zukunft und damit in der Lebensspanne der Befragten.

Mehr als 50 Prozent fürchten Ausländerfeindlichkeit

Und mehr als 50 Prozent von ihnen fürchten sich vor Ausländerfeindlichkeit und wachsender Feindseligkeit zwischen den Menschen. Wie bitte? Vor Ausländerfeindlichkeit? Das mag daran liegen, dass auch viele Jugendliche mit Einwanderungshintergrund befragt wurden, sonst wäre die Umfrage nicht repräsentativ.

Dennoch ist das überraschend. Die jungen Menschen seien weltoffen, pragmatisch und hätten ein positives Zukunftsbild, erklärt der Leiter der Jugendstudie zusammenfassend. Trotz der Corona-Pandemie und der negativen Erfahrungen mit den Bildungseinrichtungen vertrauen sie den staatlichen Institutionen. Pragmatismus, Grundvertrauen, Interesse an Politik und Optimismus sind vorhanden und damit das Rüstzeug für eine gelingende Zukunft. Das ist doch eine gute Nachricht.

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Natürlich ist für junge Menschen nicht alles toll. Über ihre persönliche Zukunft machen sie sich zum Beispiel Sorgen. Das aber ist im Laufe der unterschiedlichen Lebensphasen normal.

Was Jugendlichen in allen Generationen beschäftigt

Berufs- und Partnerwahl, Wohnungssuche und Anforderungen von Schule, Ausbildungsbetrieb oder Uni, das eigene Bild bei Freunden und Freundinnen setzen ein Anforderungsprofil, das anstrengend sein kann. Das aber kennen alle Generationen. Vor Jahren beherrschte mögliche Arbeitslosigkeit die Gedanken von Jugendlichen. Das ist angesichts von Arbeitskräftemangel derzeit nicht das Thema.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die ältere Generation bei ihrem Urteil über die jüngere nachsichtiger sein sollte. Die Hoffnung darauf, dass der Himmel schon nicht einstürzen wird, sollten sich die Eltern von ihren Kindern abgucken.

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