Kommentar

Deutschland braucht einen Pakt gegen die Spaltung

Dass der Bundeskanzler Olaf Scholz mit der Ampelkoalition einen Pakt über die Parteigrenzen hinaus schmieden möchte, ist sehr sinnvoll. Doch dieser sollte noch weiter gehen, kommentiert unser Autor.

Bundeskanzler Olaf Scholz möchte die Ampelkoalition einen. (Archivbild) | © Kay Nietfeld/dpa

09.09.2023 | 09.09.2023, 07:00

In dieser Woche trat ein Mann mit Augenklappe und Schrammen im Gesicht im Deutschen Bundestag ans Rednerpult und forderte einen „Deutschlandpakt“. Er beschrieb ein Land, in dem allzu viel auf die lange Bank geschoben wird. Ein Land, in dem „in den vergangenen Jahren“ nichts voranging, ein Land, das irgendwie den Anschluss verliert. Der Lädierte, sein Name ist Olaf Scholz, schloss mit den Worten: „Die Bürgerinnen und Bürger sind diesen Stillstand leid. Und ich bin es auch.“

Es mag irritierend sein, dass ausgerechnet derjenige, der seit zwei Jahren als Bundeskanzler das Land regiert, ein solches Klagelied über die mangelnde Handlungsfähigkeit der Politik anstimmt. Die Analyse jedoch werden viele Bürger unterschreiben. Die Ampel-Regierung, die sich die Modernisierung von Anfang an vorgenommen hat, hat es bislang nicht vermocht, das Land in Reformstimmung zu versetzen. Im Gegenteil: Es ist die Koalition selbst, die seit Anbeginn vorführt, wie man Erwartungen weckt, um sich dann schon im Streit über den Weg dahin gegenseitig zu blockieren. So gesehen wäre als Vorstufe zum Deutschlandpakt ein sicherlich erster, nötiger Schritt ein Ampelpakt.

Aber weitere müssen dringend folgen, will man das Land wirklich reformieren. Das ist nicht Aufgabe der Regierung allein, da hat Scholz recht. Wer es etwa mit Digitalisierung und dem Ziel der Klimaneutralität ernst meint, spricht von derart Umwälzungen für das Leben und die Arbeit aller, dass das Wort Modernisierung viel zu klein klingt. Der monatelange Streit um das gestern beschlossene Heizungsgesetz hat gezeigt, wie viel Sprengstoff in derartigen Veränderungen liegen kann. Dafür einen Pakt über Interessen- und Parteigrenzen hinweg zu schmieden, ist alles andere als unsinnig.

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Weitere Gruppen sollten beteiligt werden

Doch wer für einen Pakt wirbt, tut gut daran, das sehr sorgfältig vorzubereiten. Mit Gesprächen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften. Mit Absprachen mit der Opposition. Unter Einbeziehung der Landesregierungen, die bezeichnenderweise zeitgleich zur Kanzler-Pakt-Rede in Brüssel für Lösungen von Problemen geworben haben, die sie offenbar mit Berlin nicht klären können. In einem gut gemachten Pakt für Modernisierung läge tatsächlich eine große Chance.

Nach all den Krisenjahren, in denen Politik vor allem darin bestand, die nächste Katastrophe zu verhindern, könnte sich die Gesellschaft wieder einmal an dem Gestalten der eigenen Zukunft versuchen. Das kann nicht nur wirtschaftliche Kräfte freisetzen. Sondern, womöglich noch wichtiger, auch gesellschaftliche, die politischen Frust und Spaltung ein Stück weit verringern könnten. Sonst steuert das Land womöglich doch wieder auf die nächste existenzielle Krise zu. Und die könnte die Gesellschaft, die Demokratie und das Miteinander selbst betreffen.