„Wollte zu perfekt sein“: Bundesliga-Schiedsrichter gibt in Salzkotten persönliche Einblicke

Salzkotten. Wenn am Wochenende und den folgenden Spieltagen in der Fußball-Bundesliga wieder der Ball rollt, wird Deniz Aytekin nicht dabei sein. Der bekannte Bundesliga-Schiedsrichter laboriert aktuell an einer Achillessehnenverletzung. Diese Verletzung hinderte den 1,97 Meter großen Referee aber nicht daran, am Donnerstagabend in der Sälzerhalle in einem beeindruckenden Vortag die 400 Teilnehmer bestens zu unterhalten. Deutschlands derzeit wohl bekanntester Schiedsrichter war auf Einladung des Verkehrsvereins Salzkotten in die Sälzerstadt gekommen und sprach hier über das Thema &bdquo;Führen, Entscheiden, Mensch bleiben“. Dabei zog der Bayer interessante Parallelen zu seiner Tätigkeit als Schiedsrichter, Unternehmensführung und Familienleben. Zudem bereicherte der 46-Jährige seine Ausführungen mit Anekdoten, Bildern und Filmsequenzen aus der Fußball-Bundesliga. Es sei nicht der Grund gewesen, dass er zuhause nichts zu melden gehabt hätte, die ihn dazu geführt habe, Schiedsrichter zu werden, sagte Aytekin. Auch das Geld und der Bedarf an Eitelkeit seien es nicht gewesen, sondern vielmehr die Freude darüber, ein Teil der großen Fußballfamilie sein zu dürfen. Um dieses Ziel zu erreichen, habe er allerdings einen weiten und beschwerlichen Weg zurücklegen müssen, so der prominente Unparteiische. Deniz Aytekin leitet schon über 1.000 Bundesliga-Partien Los ging es für den Schiedsrichter Deniz Aytekin im Jahr 1995. Nach Spielleitungen in den unteren Ligen folgte ein kontinuierlicher Aufstieg bis zur 1. Bundesliga, wo er 2008 sein erstes Spiel leitete. Über 1.000 Partien sind es inzwischen geworden. Doch nach dem rasanten Aufstieg kam der tiefe Fall. Spieler und Funktionäre wählten den Neuling gleich zu Beginn zum unbeliebtesten Referee der Liga. &bdquo;Ein Grund: Ich wollte zu perfekt sein, war getrieben von einem großen Ego und mein Umgang mit den Spielern war nicht gut. Ich habe erkannt, dass ich schnell was ändern muss“, sagte Aytekin. Unterstützt von Experten habe er gelernt, den Spielern auf Augenhöhe zu begegnen, eine horizontale Nähe zu schaffen. Dass dieser Weg der richtige war, lässt sich auch dadurch belegen, der der Vater eines 17-jährigen Sohnes inzwischen dreimal zum Schiedsrichter des Jahres gewählt wurde und von Bayerns Ministerpräsidenten mit dem Bayrischen Landesorden ausgezeichnet wurde. Schiedsrichter ist Unternehmer und Betriebswirt Deniz Aytekin, selbst Unternehmer und Betriebswirt, zog im Laufe seines rund einstündigen Vortrags zahlreiche Vergleich zu Abläufen im Sport und in Unternehmungen. So müsse etwa, ebenso wie im Sport, auch in der Unternehmensleitung oftmals, trotz einer mangelnden Faktenlage, Entscheidungen getroffen werden. Hier sei es notwendig, Strategien zur Entscheidungsfindung zu erarbeiten. Dabei nutzen die Schiedsrichter sowohl die Wissenschaft, von der sie mit unzähligen Algorithmen und Tools unterstützt werden, wie auch eigens entwickelte Automatismen, die sie während des Spiels abrufen. &bdquo;In der Bundesliga müssen pro Spiel 220 bis 250 Entscheidungen getroffen werden. Dafür haben wir im Schnitt jeweils nur 0,8 Sekunden Zeit“, erläuterte Aytekin. Um das zu ermöglichen, ist eine gute körperliche und mentale Verfassung Voraussetzung. So lege ein Bundesliga-Schiedsrichter pro Spiel rund 10 Kilometer zurück und müsse dabei mehr als 90 Minuten voll konzentriert sein. Audio-Konferenz zeigt Kommunikation während eines Bundesliga-Spiels Um ein Spiel erfolgreich leiten zu können, brauche man ein gutes Team, sagte Aytekin. In diesem Zusammenhang spielte er eine Audio-Konferenz ein, in der die Kommunikation des Schiedsrichters mit seinen beiden Assistenten und des Video-Analysten während einer zu treffenden Entscheidung zu hören war. Was sich für die Besucher zunächst wie ein unverständliches, wirres Quasseln anhörte, erwies sich alsbald als funktionierende Kommunikation. &bdquo;Wenn in solchen Szenen dann auch noch Spieler und Trainer versuchen, Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen, dann geht es nicht ohne Kommunikation. Dabei ist es wichtig, zwar konsequent zu sein, aber die Menschlichkeit nicht zu vergessen.“ Denn die Wertschätzung von Menschen, ihnen Verantwortung zu übergeben und ihre Fehler zu akzeptieren, seien ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgs, sagte Aytekin. Verkehrsverein Salzkotten will neue Wege gehen Der Verkehrsverein Salzkotten, ein Zusammenschluss der Gewerbetreibenden aus Salzkotten und Umgebung, hat aktuell 165 Mitglieder. Mit Veranstaltungen wie am Donnerstag hat der Verein einen neuen Weg beschritten und, wie der Vorsitzende Dirk Witulski sagte, die Grenzen des lokalen Raums verlassen, um unterstützt durch Vorträge von repräsentativen Referenten, die Wirkungskraft und das Engagement des Verkehrsvereins zu verdeutlichen und seinen Mitgliedern interessante Angebote zu bieten. Im Zusammenhang mit dem Vortag von Deniz Aytekin wurden auch signierte Bücher, Bälle und Trikots angeboten und zum Teil auch verkauft. Weitere Kaufmöglichkeiten gibt es unter www.verkehrsverein-salzkotten.de/kontakt. Der Erlös soll zur Unterstützung des Kaufs von neuer LED-Weihnachtsbeleuchtung verwendet werden.

Meistgelesen