Bad Wünnenbergs abgewählter Bürgermeister: „Ich bin mit mir im Reinen“

Herr Carl, die Wahlen sind jetzt gut einen Monat her. An dem Abend waren Sie sichtlich geschockt, dass Sie als Bürgermeister abgewählt wurden. Haben Sie die Niederlage mittlerweile verdaut und wie schwerfällt, dann noch bis zum 1. November als Bürgermeister weiter zu arbeiten? Christian Carl: Ich habe einige Tage gebraucht, um es zu verdauen. Es war erst ein Schock - das kann man nicht anders sagen. Mittlerweile blicke ich aber in die Zukunft und versuche natürlich, einen ordnungsgemäßen Übergang zu machen. Ich habe auch einige Projekte, die gerade laufen und zukünftig anliegen, schon mit Ursula Berhorst-Schäfers besprochen. Ich will meinen Job auch ordnungsgemäß bis zum Ende über die Bühne bekommen. Die Stadt Bad Wünnenberg und deren Entwicklung liegt mir immer noch am Herzen. Es gibt auch noch Projekte, die ich bis zum 31. Oktober abschließe oder anstoße. Haben Sie reflektiert, warum es am 14. September nicht gereicht hat für Sie? Wo haben Sie Fehler gemacht, eventuell auch im Wahlkampf? Ich habe mir viele Gedanken gemacht. An sich war ich guter Dinge, da wir - meiner Meinung nach - in den letzten fünf Jahren sehr erfolgreich waren: Wir haben viele Projekte umgesetzt. Wir investierten jährlich durchschnittlich zehn Millionen Euro und konnten insgesamt über zehn Millionen Euro Fördermittel akquirieren. In der NW stand ja nach der Wahl: Es war ein Triumph der Herzlichkeit. Vielleicht hätte man mehr auf die Breite gehen müssen und nicht den speziellen CDU-Wahlkampf machen sollen. Allerdings war es auch die CDU, die die Projekte angestoßen hat. Ich habe viele Veranstaltungen besucht, war sehr präsent - ich habe vielleicht die eine oder andere Personengruppe unterschätzt. Welche Personengruppen meinen Sie konkret? Ich hätte vielleicht die jungen Familien und Frauen mehr mitnehmen oder auch darlegen sollen, dass der Bürgermeisterjob nicht nur ein Job mit Außendarstellung ist, sondern dass man auch Verantwortung für 280 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für die gesamte Stadtentwicklung hat. Ihre Partei die CDU bleibt stärkste Kraft in Bad Wünnenberg. Sie hat 49 Prozent der Stimmen bekommen und zu 2020 nur knapp einen Prozentpunkt verloren. Sie sind allerdings von 55,57 auf 45,97 Prozent gefallen. Lag es auch daran, dass es diesmal nur zwei anstatt wie 2020 vier Bewerber gab? Sicherlich kann es auch daran gelegen haben, dass wir nur zwei waren. Wären es drei oder vier Kandidaten gewesen, hätte man vielleicht noch die Möglichkeit einer Stichwahl gehabt. Andererseits kann man auch sagen, dass bei mehreren Konkurrentinnen und Konkurrenten, die Stimmen auch rübergehen. Es gibt immer ein Für und Wider. Zudem ist Frau Berhorst-Schäfers zwar SPD-Kandidatin gewesen, ist aber nach außen hin überparteilich aufgetreten und hat auch die FDP und die Grünen mit ins Boot geholt. Kann sein, dass ich das auch etwas unterschätzt habe. Zwei Kandidaten: Christian Carl und Ulla Berhorst-Schäfers stellen sich vor Sie haben eben schon erwähnt, dass Sie mit ihrer Nachfolgerin getroffen haben? Wie wird die Übergabe ablaufen? Die Übergabe hat schon stattgefunden. Viele Projekte stehen ja. Ich habe alle aufgelistet und bin diese mit ihr durchgegangen. Jetzt liegt es halt an ihrem Geschick, diese weiter zu verfolgen oder auch neue Schwerpunkte zu setzen. Fünf Jahre waren Sie nun Bürgermeister der Stadt Bad Wünnenberg. Was können Sie sich auf die Fahne schreiben? Ich bin mit mir im Reinen. Ich finde, wir haben sehr viele Projekte umgesetzt. Das größte Investitionsprojekt war die OGS hier in Bad Wünnenberg. Aber auch die Multifunktionssportplätze in Bad Wünnenberg und Fürstenberg, die neuen Kindergärten in Bad Wünnenberg und Leiberg waren große Projekte. Wir bauen aktuell, wie vor fünf Jahren von vielen gefordert, die beleuchtete Laufstrecke im Aatal, wir haben mit dem KuGA Spa eine Sauna bekommen und durch die Einführung des Stadt-Gutscheins die lokale Wirtschaft gestärkt. Zudem haben unsere Ferienangebote für Kinder und Jugendliche erweitert und die Anmeldung digitalisiert - wir haben sehr viel erreicht. Es war auch mein Ziel, in jedem Ort im Stadtgebiet eine Bürgerveranstaltung durchzuführen. Damit wollten wir die Bürger mitnehmen und dadurch sind auch einige Projekte angestoßen worden. Beispielsweise durch die Dorfwerkstatt in Haaren der neue Dorfplatz oder in Wünnenberg das neue Unterstadtkonzept. Wenn man Projekte umsetzen will, dann muss man die Bürger einbeziehen - das war mir immer wichtig. Gegen die Bürger geht natürlich nichts. Hierzu passend: Sommer-Interview mit Bad Wünnenbergs Bürgermeister: &bdquo;Wir haben einiges zu bieten“ Was hätten Sie gerne noch in einer weiteren Amtszeit angestoßen oder zu Ende gebracht? Wir haben das neue Rathaus, das Jahrzehnteprojekt - man kann auch schon fast sagen Jahrhundertprojekt - angestoßen. Das hätte ich noch gerne vollendet. Zudem die Weiterentwicklung unseres Gesundheitsstandorts. Dass wir das MVZ in Bad Wünnenberg verloren haben, war wirklich ein Schlag ins Gesicht - das kann man nicht anders sagen. Ich hätte bei der Entwicklung eines Gesundheitscampus gerne mitgewirkt. Die Ortsdurchfahrt in Haaren oder das Unterstadtkonzept wären auch Themen, die ich gerne mitgestaltet hätte. Die Entwicklung des Gewerbegebiets Haaren werde ich ebenfalls gespannt verfolgen. Das habe ich mit angestoßen. Zudem sind wir in vielen Bereichen Vorreiter. Beispielsweise haben wir die höchste U3-Betreuungsquote in unseren Kindergärten im Kreis, wir verzeichnen die höchsten Gewerbesteuereinnahmen pro Kopf bei dem niedrigsten Gewerbesteuersatz, den höchsten Anteil an PV-Strom im Gegensatz zum Gesamtverbrauch und auch bei der Windkraft sind wir auf Platz zwei im Kreis Paderborn und bei der letzten IHK-Umfrage der städtischen Unternehmen auf Platz eins. Ich hätte gerne gesehen, wie sich diese Entwicklungen weiter entfalten. Aber so geht es mir wie einem Waldbauern, der sät, aber nicht mehr erntet. Lesen Sie auch: Christian Carl folgt in Bad Wünnenberg auf Christoph Rüther Was waren die schönsten Momente in fünf Jahren Bürgermeister? Die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen. Wir haben hier ein Pfund an Ehrenamtlichen und sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft hier im ländlichen Raum. Als Beispiel nenne ich das Aatalstadion. Diese Kombination aus Stadt, Ehrenamtlichen und den Gewerbetreibenden, die das Projekt nach vorne bringen und es finanziell unterstützen, ist klasse. Darüber freue ich mich, weil man am Ende sieht, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat. Gab es auch Überraschungen? Da gab es einige Momente. Die Städtepartnerschaft mit Maizières-lès-Metz in Frankreich haben wir wieder aufleben lassen. Diese Herzlichkeit, mit der wir dort aufgenommen worden sind, war überraschend. Wir waren auch Gastgeber für die Delegation Uruguays, die an den Special Olympics in Berlin teilnahm. Die Uruguayer waren so begeistert. Ähnlich wie die Teilnehmer der Tagung des Verbandes Deutscher Kneippheilbäder. Die kamen aus ganz Deutschland und haben sich Bad Wünnenberger Ideen und Umsetzungen als Anregungen mitgenommen. Das waren sehr schöne Momente, die ich bisher nicht so kannte. Gab es in der Amtszeit auch mal nicht so schöne Momente oder sogar Beschimpfungen und Bedrohungen? Beschimpfungen oder Drohungen nicht. Sicherlich gab es mal unzufriedene Bürgerinnen und Bürger, die einen schon mal hart angegangen sind. Aber Kritik gehört dazu und man darf es nicht allzu persönlich nehmen. Sicher war es das eine oder andere Mal unschön, es gab auch bei der einen oder anderen Bürgerversammlung Unmut - man kann es nun mal nicht allen recht machen, aber man versucht immer, einen Konsens zu finden. Sie waren vorher kaufmännischer Leiter des Wasser- und Abwasserwerks in Büren, bei den Stadtwerken in Marsberg Leiter des Rechnungswesens und davor schon 20 Jahre bei der Stadt Bad Wünnenberg. Wissen Sie schon, wo Sie demnächst arbeiten werden? Im Moment liegt mein Fokus immer noch auf der Stadt Bad Wünnenberg. Ich habe mir natürlich schon den einen oder anderen Gedanken gemacht, wie es weitergehen könnte. Das werde ich aber in Ruhe angehen. Werden Sie denn der Lokalpolitik treu bleiben? Die Arbeit in der Politik werde ich beenden, das Kapitel ist abgeschlossen. Man soll zwar niemals nie sagen, aber ich brauche erst einmal Distanz und werde meinen Fokus irgendwo anders drauflegen. Was nehmen Sie aus fünf Jahren Bürgermeister mit? Wenn man irgendetwas umsetzen oder erreichen will, dass es nur gemeinsam geht und wichtig ist, die Menschen mitzunehmen. Wir haben die Stadt Bad Wünnenberg in den letzten fünf Jahren weiter nach vorne gebracht. Ich bin dankbar, dass ich Bürgermeister sein durfte, und bin auch stolz auf diese Zeit. Das alles funktioniert auch nur mit einem guten Team - daher geht mein Dank auch an alle in der Verwaltung. Ich hatte immer gute Leute hinter mir. 📲 News direkt aufs Smartphone? Hier gehts zum kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Paderborn

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