27-jährige Novizin: "Die Gottesdienste haben süchtig gemacht"

Salzkotten. Der 20. November ist für Marie Luice Liebenau der Anfang eines neuen Lebens. Fortan trägt die 27-Jährige das Ordenskleid der Franziskanerinnen und heißt Schwester Maria Lucia. Im Gespräch schildert sie, wie Gott Einzug in ihr Leben hielt und warum auch für junge Menschen der Eintritt in einen Orden die richtige Entscheidung sein kann. Andere in Ihrem Alter denken über den Hausbau, die Karriere oder die Familienplanung nach. Haben Sie das Gefühl, etwas zu verpassen? Wenn ich die kleinen Knirpse so sehe, dann finde ich es manchmal schade, dass ich selbst keine eigenen Kinder haben werde. Aber wir bekommen im kommenden Jahr einen eigenen Kindergarten, dann haben wir quasi 30 Kinder. Ich hab auch mal von einem kleinen Häuschen im Grünen geträumt. Aber dafür bin ich jetzt in dieser Gemeinschaft und trage dazu bei, das Kloster zu erhalten und für Weihnachten zu schmücken. Im Moment bringe ich die Außenkrippe auf Vordermann, weil die Krippenführungen auch in diesem Jahr wieder ausfallen werden. Ich verzichte nicht auf unglaublich viel, es sieht nur anders aus. Eine Schwester hat zu mir gesagt, dass ein möglicher Verzicht immer mit Liebe gefüllt werden muss. Und diese Liebe erfahre ich hier. Ich habe auch schon eine Partnerschaft geführt, aber erst hier fühle ich mich komplett. Die Zeit vor der Ankleidung im November war wie Verliebtsein. Aber auch wieder ganz anders. Ich hab einfach den ganzen Tag nur gestrahlt. Sie sind erst als Erwachsene zum katholischen Glauben konvertiert. Warum? Ich bin Geowissenschaftlerin, ich kann viele Naturphänomene wissenschaftlich erklären. Aber wenn ich einen Berg anschaue, der durch Überschiebungen und die Einwirkungen der Plattentektonik entstanden und viele Millionen Jahre alt ist, bleibt für mich trotzdem die Frage nach dem Warum. Diese Frage konnte ich während meines ganzen Studiums nicht befriedigend beantworten. Dann war ich mit meiner Mutter in Rom, wir wollten einfach nur die Stadt besichtigen. Aber wir sind in jede Kirche gegangen und mich hat diese Vielfalt und Schönheit fasziniert. Warum machen Menschen das? Ich habe gedacht, wenn so viele Menschen ihre Zeit in den Bau solcher Kirchen investiert haben, dann muss ja etwas dran sein an diesem Gott. Im Nachtzug nach Hause habe ich ganz bewusst gesagt: Wir probieren es noch einmal miteinander. Wenn es dich gibt, dann führe mich. Und wie verlief ihre weitere Reise zu den Franziskanerinnen nach Salzkotten? Ich habe mich erst einmal im evangelischen Glauben auf die Suche gemacht. Aber mir fehlte da einfach etwas. Ich hatte das Gefühl, in der katholischen Kirche wird dem Glauben mehr Ausdruck verliehen, das Pompöse kann das Gefühl der Menschen widerspiegeln. Meine erste katholische Messe hat mich deshalb unheimlich beeindruckt. Es hat mich süchtig gemacht. Dann kam der Wunsch: Ich möchte da hineinwachsen. In der Osternacht 2019 habe ich die Kommunion empfangen und wurde gefirmt. Dann habe ich mich für ein Freiwilliges Ordensjahr entschieden. Was ist das? Man kann für eine bestimmte Zeit in einem Orden leben und sich über die eigenen Fragen an das Leben klarer werden. Die Einführung hat in Salzkotten stattgefunden und als ich Schwester Alexa kennengelernt habe, war mir klar, hier möchte ich bleiben. Ich war begeistert, wie die Schwestern hier miteinander umgehen, welche Wertschätzung sie den Anderen zuteil werden lassen. Eigentlich sollte ich nur ein halbes Jahr hier leben, aber dann habe ich gemerkt, ich kann hier noch nicht weg. Wenn Schwester Alexa von ihrer Berufung erzählt hat, dann habe ich festgestellt, genau dasselbe fühle ich gerade auch. Ich fühle mich von Gott gerufen, hier mein Leben in seinen Dienst zu stellen. Mittlerweile sind Sie Novizin, also Schwester in Ausbildung, und leben im Kloster. Was ist das Tolle am Klosterleben? Die Gemeinschaft ist ein riesiges Geschenk. Ich kann so viel von den älteren Schwestern lernen. Wir achten aufeinander, jeder geht auf die Bedürfnisse des Anderen ein. Wir suchen einander nicht aus, das ist ähnlich wie bei Geschwistern. Da kracht es dann auch mal. Aber wir verfolgen alle das gleiche Ziel und das schweißt zusammen. Und wer sich das Kloster als kalten und dunklen Ort vorstellt, wo es nur Wasser und Brot gibt, der liegt falsch. Zu Weihnachten ist alles geschmückt, wir kochen zusammen, haben sogar einen eigenen Sportraum. Jede Schwester hat ein Smartphone und unsere älteste Schwester nutzt ein Ipad, damit sie die Gebete lesen kann. Sie verschickt auch Sprachnachrichten, um mit den Schwestern in Malawi in Kontakt zu bleiben. Viele der Schwestern sind viel älter als ich, aber das merkt man nur äußerlich. Sie haben Ihren weltlichen Namen abgegeben und heißen nun Lucia. Warum haben Sie sich als Namenspatronin die Heilige Lucia ausgesucht? Die Symbolik des Lichts hat für mich eine große Bedeutung. Denn die Heilige Lucia hat Kerzen auf dem Kopf getragen, um beide Hände frei zu haben, damit sie auch in der Dunkelheit Menschen helfen konnte. Ich möchte von Gott erleuchtet werden, aber auch als Licht für Andere strahlen. Dabei ist mir wichtig die Hände &bdquo;frei" zu haben. Zum einen um meinen Mitmenschen Hilfe sein zu können. Zum anderen um diese leeren Hände, wie der heilige Franziskus, Gott hinzuhalten, damit er sie füllen kann. Als Ordensschwester verpflichtet man sich der Armut. Fiel der Verzicht schwer? Ich habe gemerkt, was ich wirklich brauche. Mein Smartphone und den Laptop nutze ich für meine Arbeit hier, auch meine Bücher habe ich mitgenommen. Die stelle ich jetzt einfach allen zur Verfügung. Und die Xbox vermisse ich nicht wirklich. Ich habe zwar kein eigenes Geld mehr, bekomme aber ein Budget für Urlaube. Sind meine Schuhe kaputt, werden sie ersetzt. Vermissen tue ich vor allem meine Familie, allen voran meinen Vater. Wieso gerade ihn? Ich habe mit meiner Mutter und meinen Brüdern mehr Kontakt über die sozialen Medien. Dadurch sind sie mir im Alltag näher. Zudem ist meine Mutter nicht sehr begeistert darüber gewesen, dass ich ins Kloster gegangen bin. Mein Vater war da genügsamer. Er ist Atheist, war aber auch schon zum Kaffeetrinken hier und ist total begeistert von den Schwestern. Inzwischen ist auch meine Mutter etwas vertrauter mit den Schwestern. Aber ich bin immer wieder begeistert, wie super mein Vater es hier findet und wie gerne er über Gott spricht. Und er war beeindruckt, wie normal alle sind. Er hatte den Eindruck, das Ordenskleid schafft eine Barriere. Aber das ist nicht so.

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