„All das Schöne“: Paderborner Theaterabend zwischen Ernst und Humor

Paderborn. Der einzige Darsteller sitzt ernst und ablehnend mit verschränkten Armen mitten im Publikum, im Hintergrund leise, unbeschwerte Jazzmusik – ein ungewöhnlicher Beginn für einen denkwürdigen Theaterabend im Theater Paderborn. Wofür lohnt es sich, zu leben? Kann eine Bucket List glücklich machen? Und wie kann ein junger Mensch sein Leben nach der traumatischen Erfahrung des Suizids seiner Mutter sinnhaft gestalten? Die Antworten auf diese Fragen erhielten die Besucherinnen und Besucher der Premiere des monologisch angelegten Stücks &bdquo;All das Schöne“ von Duncan Macmillan (*1980). Die Handlung ist &bdquo;schwere“ Kost: Ein Erzähler hält Rückschau auf sein Leben ab dem Alter von sieben Jahren. Im Mittelpunkt stehen dabei der Umgang mit den Selbstmordversuchen seiner Mutter und mit der Verarbeitung ihres endgültigen Suizids. Ein Hilfsmittel für ihn ist eine Liste, auf der er all das, was an der Welt schön ist (&bdquo;All das Schöne“), für sie aufschreibt. Im Kindesalter sind dies zunächst eher materielle Dinge oder sinnliches Vergnügen wie zum Beispiel Eiscreme oder eine Wasserschlacht. Eine Psychologin versucht, dem noch hoffnungsvollen Kind bei der Bewältigung des Erlebten zu helfen, und er vergisst die Liste. Groteske Steigerung von Listeneinträgen auf der Paderborner Bühne Der zweite Suizidversuch der Mutter lässt die Hoffnung des mittlerweile Siebzehnjährigen sinken. Er notiert neue Ideale auf der Liste (zum Beispiel sich nach einem Streit wieder zu vertragen). Dass nun sein Leben von den traumatischen Erlebnissen aus den Fugen gerät, wird durch die groteske Steigerung der Listeneinträge auf unzählige Post-its im ganzen Haus oder beispielsweise auf der Innenseite eines Senfglases deutlich. Der Jugendliche gibt sich selbst die Schuld an den Freitodversuchen seiner Mutter. Als Student zieht er sich immer mehr zurück. Bewusst reflektiert er nun über das Thema Suizid als ansteckende Krankheit. Wütend appelliert er an die medialen Berichterstatter über Selbstmordfälle, um den Nachahmungseffekt zu verhindern. Auch seine erste Liebesbeziehung scheitert an seinen extremen Gefühlsschwankungen und Ängsten: Angst vor dem Absturz in glücklichen Phasen, Angst so zu werden wie seine Mutter. Da helfen auch die erneut aufgenommenen Listeneintragungen nicht. Der deprimierte junge Mann nimmt die professionelle therapeutische Hilfe wieder auf. Diese kann den zerstörerischen Einfluss des Kindheitstraumas auf sein Leben jedoch nicht mindern. Zwar hilft es ihm, zu wissen, dass es anderen Menschen genauso wie ihm geht, aber am Ende (nach dem Suizid seiner Mutter) muss er erkennen, dass depressiv zu sein zu seinem Leben dazugehört. Die Bucket List hat seine Sicht auf die Welt verändert, hat aber das Leben seiner Mutter nicht gerettet. Weitere Theaterstücke: Die Programmübersicht des Theaters in Paderborn. Todernstes Thema wird in Paderborn unterhaltsam behandelt Wie nun das todernste Thema Depression zwar mit entsprechendem Tiefgang, aber durchaus unterhaltsam und oftmals sogar komisch dargestellt werden kann, war das große Verdienst des Protagonisten David Lukowczyk und den interaktiven Momenten innerhalb der Inszenierung von Katharina Kreuzhage. Der Schauspieler brillierte in den rund 75 Minuten mit starker Rollenpräsenz: Mühelos schlüpfte er in die Rollen des langsam erwachsen werdenden Jungen, unterstrich mit passendem Stimmklang und ausdrucksvoller Mimik und Gestik den jeweiligen Entwicklungsstand. Dabei scheute er auch vor wilden Tanzeinlagen nicht zurück. Virtuos spielte er auf der Klaviatur der wechselnden Emotionen – kindliche Liebe, jugendliches Unverständnis, Traurigkeit, Glück und Wut verkörperte er mit vollem Einsatz. Und auch vor der Interaktion mit dem Publikum scheute er nicht zurück, im Gegenteil, man sah ihm den Spaß an den kommunikativen Einschüben mit einzelnen Zuschauern an. Wie er das Publikum einband, das kleinere Rollen übernahm, und wie er teilweise improvisatorisch auf deren Aktionen reagierte, sorgte für beste Unterhaltung. Ganz nah beugte er sich zu den Zuschauern herunter, sprach das Publikum direkt an (&bdquo;Kennen Sie das?“) oder bot seine Hand zum High five mit der ersten Reihe. Paderborner Stück erhält zweiten roten Faden Die regelmäßig eingespielte Musik bot neben der Bucket List einen zweiten roten Faden – (un-)passende Songs in gefühlvollen Momenten der Hauptfigur. Die sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzten Requisiten lenkten nicht vom inhaltlichen Fokus der Inszenierung ab, dem Nachdenken über unsere eigenen Lebenserfahrungen: Was zählt zu den schönen &bdquo;Dingen“ in meinem Leben? Was würde ich auf die Liste schreiben? Wie gehe ich mit krisenhaften Lebensphasen oder gar traumatischen Erfahrungen um? Wer einen ungewöhnlichen Theaterabend zwischen Ernst und Humor erleben möchte, dem seien die nächsten Aufführungen ans Herz gelegt (27. September, 5. Oktober, 12. Oktober und 26. Oktober). Weitere Informationen zur Vorstellung und zum Ticketverkauf finden Sie auf der Internetseite des Padeborner Theaters.

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