Prozess um Millionenbetrug: Verteidiger verlangen Freispruch für Edgar K.

Paderborn. Zimperlich sind Verteidigung und Anklage in der Verhandlung gegen den ehemaligen Paderborner Vorzeige-Unternehmer Edgar K. und seine drei Ex-Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt miteinander umgegangen. Schließlich geht es um viel, wurde doch vor allem dem 56-Jährigen vorgeworfen, zahlreiche Anleger um ihr Geld betrogen zu haben, weil er die teilweise stattlichen Summen nicht gewinnbringend investierte, sondern in seine Unternehmung steckte, die längst am Ende war. Als jetzt nach gut zweieinhalb Jahren in dem Prozess vor der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts die Schlussvorträge der Verteidiger des Edgar K. anstehen, geht es noch einmal kräftig ans Eingemachte. Denn Carina Tofall und Matthias Cramer sparen nicht mit Kritik an der Bielefelder Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität, bevor sie dann für ihren Mandanten einen Freispruch fordern - oder zumindest eine milde Bewährungsstrafe. Dabei geht Cramer zunächst einmal bis in die Zeit vor Prozessbeginn zurück. Schon damals im November 2021 habe sich bei einem Rechtsgespräch abgezeichnet, dass die Verhandlung schwierig und wohl auch langwierig werden würde, sagt der Verteidiger. Fünf bis acht Jahre Haft habe Oberstaatsanwalt Ralf Günther damals direkt nach der Begrüßung für Edgar K. in Aussicht gestellt, &bdquo;vielleicht auch mehr“. Da sei klar gewesen, dass man gar nicht weiter sprechen müsse, erinnert sich Matthias Cramer, und so habe man sich für eine &bdquo;Konfliktverteidigung“ entschieden. Lesen Sie auch: Millionenbetrug: Ehemaliger Paderborner Vorzeige-Unternehmer soll ins Gefängnis Verteidiger führt Versäumnisse während des Prozesses auf Und dann legt der Verteidiger los und hebt ab auf die vielen Dinge, die im Verfahren &bdquo;quer gelaufen“ seien. Er könnte gar nicht alles aufschreiben, sagt Cramer und erinnert unter anderem an den wider besseres Wissen beauftragten Gutachter, der mit den Unternehmungen des Edgar K. schon im Rahmen des Insolvenzverfahrens beschäftigt gewesen war. An die Beschlagnahmung von Beweismitteln in einer Steuerberaterkanzlei, die nach Meinung des Verteidigers nicht statthaft war. An die Befragung der geschädigten Zeugen, die er als vorverurteilend wertet, und natürlich auch an jene Festplatte mit zahlreichen Dokumenten und E-Mails, die erst im Verlauf der Verhandlung als Beweismittel Eingang in den Prozess fand. Aus dem Prozessverlauf: Paderborner Prozess um Millionenbetrug: Verteidiger attackieren Staatsanwaltschaft Dass es der Staatsanwaltschaft erst kurz zuvor gelungen war, auf die Daten zuzugreifen, scheint Matthias Cramer nicht zu glauben. &bdquo;Wir haben große Zweifel daran, dass hier mit offenen Karten gespielt wurde.“ Auch zum Prozessverhalten seines Mandanten, nämlich zu dessen vehementem Schweigen, verliert er einige Worte. Natürlich hätten er und seine Kollegin darüber nachgedacht, ob denn Edgar K. nicht doch noch seine Sicht der Dinge hätte schildern sollen. Aber &bdquo;die Staatsanwaltschaft ließ keinen Zweifel daran, dass eine Einlassung nicht gewürdigt werden würde“, sagt Cramer. Und so sei das Schweigen des Mandanten &bdquo;alternativlos“ gewesen. Verteidigung fordert Freispruch für Edgar K. Wohl folgerichtig verlangt der Verteidiger schließlich einen Freispruch für Edgar K. Denn dieser habe niemals vorgehabt, seine Kunden um ihr Geld zu erleichtern, sondern er habe den Umsatz seines Unternehmens steigern wollen. Ein wichtiger Punkt für Cramer: Edgar K. habe sich selbst nicht bereichert, sondern eher bescheiden gelebt und sogar zeitweise auf sein Gehalt verzichtet. Dass er irgendwann mit seiner gescheiterten Unternehmung &bdquo;ein totes Pferd ritt“, sei dem Angeklagten womöglich gar nicht bewusst gewesen, weil er an den Erfolg des von ihm entwickelten Geschäftsmodells geglaubt habe. Auch mit Blick auf die Vorwürfe Bankrott und Insolvenzverschleppung sieht Cramer seinen Mandanten als unschuldig. Da sei kein Tatnachweis erfolgt, ist der Verteidiger sicher. Maximal 16 Fälle kämen gegen den Paderborner überhaupt noch infrage Als er nach gut einer Stunde wieder Platz nimmt, ergreift seine Kollegin Carina Tofall das Wort und stellt für den &bdquo;rein hypothetischen Fall“, dass die Kammer doch zu einem Schuldspruch kommen würde, einen sogenannten Hilfsantrag. Sie rechnet vor allem vor, dass von den ursprünglich 70 Taten ihrer Meinung nach nur noch 16 abgeurteilt werden dürften - mit einem Gesamtschaden von gerade mal 190.000 Euro. Da hätte die &bdquo;Strafgewalt eines Amtsrichters“ ausgereicht, findet die Verteidigerin und führt dann allerhand zugunsten ihres Mandanten ins Feld. Lesen Sie auch: Prozess um Anlegerbetrug in Paderborn: Zoff im Gerichtssaal Diesem sei es nicht um Eigennutz gegangen, sondern darum, einen &bdquo;sauberen Maklerbereich aufzubauen“ und den Mitarbeitern &bdquo;Sicherheit zu bieten“. Edgar K. habe nicht die &bdquo;Vermehrung seines eigenen Vermögens“ im Sinn gehabt, sondern er habe den Wert des Unternehmens steigern wollen, um dieses eines Tages zu verkaufen, sagt Carina Tofall und kommt dann auf die persönlichen Folgen für ihren Mandanten zu sprechen. Lebenswerk des Angeklagten sei zerstört Dieser habe erleben müssen, dass &bdquo;sein gesamtes Lebenswerk zerstört ist“, in der Gesellschaft sei er &bdquo;zum Aussätzigen degradiert“ worden und aufgrund der medialen Berichterstattung auch Opfer von Anfeindungen geworden. Edgar K. aber habe sich, seit 2017 die Vorwürfe erhoben wurden und die Ermittlungen ihren Anfang nahmen, stets dem Verfahren gestellt, fasst die Verteidigerin zusammen und regt &bdquo;äußerst hilfsweise“ im Fall eines Schuldspruchs eine bewährungsfähige Strafe an. Oberstaatsanwältin Sonja Lißek fordert, wie berichtet, fünf Jahre und drei Monate Haft für diesen Angeklagten. Wie die Richter unter dem Vorsitz von Anne Zacharias den Fall bewerten, wird sich am Donnerstag, 10. Juli, zeigen. Dann wollen sie in den Nachmittagsstunden ihr Urteil verkünden. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn.

Meistgelesen