Er wollte „aufklären“: Paderborner Familienvater soll Mädchen missbraucht haben

Paderborn. Wenn es vor Gericht darum geht, Fälle sexueller Gewalt zu klären, haben die Opfer das Recht, dass etwa ihre Vernehmung unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt wird. So sollen ihre Persönlichkeitsrechte geschützt werden. Für vier junge Frauen kommt das nicht infrage – obschon auf der Anklagebank der eigene Vater, der eigene Onkel sitzt. Sie wollen, dass Schluss gemacht wird mit Heimlichkeiten – und sie sind der Meinung, dass sie gar keinen Grund haben, sich zu schämen. Viele Menschen haben sich eingefunden an diesem Montagmorgen vor dem Saal des Schöffengerichts. Hintergrund ist womöglich, dass der Angeklagte Heinrich B. (Namen geändert) einer großen freikirchlichen Christengemeinde in Paderborn angehört. Er agiere dort als Mentor für Menschen, die Mitglied der Gemeinde werden wollen, heißt es am Rande des Prozesses. Im Gottesdienst in Paderborn den Strafprozess öffentlich gemacht Am Sonntag haben die Schwestern Frida L. (29), Paula M. (34) und Mona N. (33) zusammen mit ihrer Cousine Jule O. (38) im Gottesdienst öffentlich gemacht, dass am nächsten Tag der Strafprozess gegen ihren Vater und Onkel beginnt. Die Vorwürfe gehen weit zurück in die Vergangenheit, in der Anklage ist die Rede davon, dass der heute 64-Jährige in den 1990-er Jahren erstmals seiner Nichte Jule, damals wahrscheinlich noch im Grundschulalter, sexualisierte Gewalt antat, später dann auch den eigenen, sehr jungen Töchtern. Sein Vorgehen war demnach immer dasselbe. Unter dem Vorwand, die Kinder aufklären zu wollen, ging er mit ihnen in sein Büro oder in die familieneigene Sauna. Äußerst perfide griff er zum Einstieg auf Anatomiebücher zurück, um zunächst etwas über die Geschlechtsteile, aber auch über Geschlechtsverkehr zu erzählen. Anschließend entkleidete sich der Paderborner laut Anklage und erklärte dann &bdquo;live“ das vorher im Buch Gesehene. Die Mädchen mussten dabei mit Hoden und Penis hantieren – anscheinend nicht nur für kurze Zeit. Frauen haben Ereignisse lange für sich behalten Frida L. und ihre Cousine Jule O. soll Heinrich B. zudem an der entkleideten Scheide angefasst haben, wiederum unter dem Vorwand die Geschlechtsteile erklären zu wollen. &bdquo;Ich wusste doch gar nicht, was vor sich geht“, sagt Frida L. &bdquo;Ich habe doch im Vorschulalter meinem Vater vertraut.“ Ihre Erlebnisse behielten die jungen Frauen weitestgehend für sich – obschon in der Familie zumindest die Aufklärungspraktiken des Paderborners bekannt waren. Einmal habe sie der weinende Vater im Wohnzimmer um Vergebung gebeten, erinnert sich Frida L. Aber geholfen habe ihr das gar nicht. &bdquo;Es hat niemand nachgefragt, wie es mir geht, wie ich mich fühle.“ Denn in der Familie seien Schweigen und &bdquo;Nicht-Hingucken“ die maßgebliche Strategie. So erfuhren die vier jungen Frauen erst nach Jahren, dass sie als kleine Mädchen allesamt Opfer von Heinrich B. geworden waren. &bdquo;Wir sind so zusammengewachsen“, sagt Frida L. Im vergangenen Jahr erstatteten sie nacheinander Anzeige gegen den Vater, gegen den Onkel. Den Kontakt zu ihm haben sie längst abgebrochen. Angeklagter hält sich für unschuldig Heinrich B. indes wirkt fast ein bisschen fassungslos, wie er da auf der Anklagebank sitzt. Immer wieder schüttelt er seinen Kopf. Sein &bdquo;grenzüberschreitendes Verhalten“ tue seinem Mandanten leid, lässt er seinen Verteidiger Dieter Axmann ausführen. Trotzdem hält sich der Angeklagte für unschuldig. &bdquo;Mir ging es um Aufklärung“, sagt Heinrich B., sexuelle Aspekte verneint er völlig. &bdquo;So etwas entspricht nicht meiner moralischen Vorstellung. Das ist abscheulich für mich und ekelhaft.“ Dass die Töchter, die Nichte im Zeugenstand immer wieder mit Tränen zu kämpfen haben, wenn sie über die Vorfälle, aber auch über die innerfamiliären Strukturen sprechen, die geprägt waren von Schweigen, berührt ihn anscheinend nur wenig. Auch seine Frau gibt sich ratlos. Ob sie ihren Gatten, an dessen Seite sie weiterhin lebt, für schuldig hält, mag sie auf Frage der Vorsitzenden Richterin Stephanie Befelein nicht sagen. Nur so viel: &bdquo;Auf diese Weise hätte er keine Aufklärung machen sollen“, findet die 58-Jährige. Die hält sie für &bdquo;unerträglich“, &bdquo;abscheulich“ und &bdquo;nicht normal“. Sexualisierte Gewalt nicht länger verschweigen Im Publikum indes fließen auch schon mal Tränen, wenn Frida L., Paula M. und Jule O. von der Last erzählen, mit der sie seit ihren Kindertagen zu kämpfen haben, von der Einsamkeit, die sie empfanden, aber auch von anderen sexuell motivierten Vorfällen, die sich in der Familie, aber auch in der Gemeinde in der Vergangenheit zugetragen haben sollen. &bdquo;Ich werde nicht nachlassen“, sagt Jule O. in einer Verhandlungspause. Sie und ihre Cousinen wollen, dass in den Kirchengemeinden Fälle sexualisierter Gewalt nicht mehr verschwiegen, sondern aufgearbeitet werden. &bdquo;Ich werde so lange Stress machen, bis was passiert.“ Die Verhandlung vor dem Schöffengericht wird am Montag, 7. Juli, fortgesetzt. Dann wird die dritte der Schwestern ihre Aussage machen. Für diesen Tag ist wahrscheinlich auch ein Urteil zu erwarten. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn.

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