„Vergebungsstruktur“ ausgenutzt: Paderborner Familienvater missbraucht vier Mädchen

Paderborn. &bdquo;Es wurde alles unter den Teppich gekehrt“, fasst Mona T. (Namen geändert) das wohl maßgebliche Motto ihres Elternhauses zusammen. Geht es nach ihr, ihren drei Schwestern und einer Cousine soll damit jetzt Schluss sein. Vor mehr als 20 Jahren wurde ihnen sexuelle Gewalt angetan - vom eigenen Vater, vom Onkel. Als sich jetzt Heinrich B. vor dem Schöffengericht dafür verantworten muss, bestehen die Frauen auf eine öffentliche Verhandlung; sie wollen sich nicht mehr schämen für das, was ihnen angetan wurde. Wie perfide der heute 64 Jahre alte Paderborner vorging, haben am ersten Prozesstag ihre beiden Schwestern Paula und Frida sowie ihre Cousine Jule bereits beschrieben. Auch Mona T. schildert drei Wochen später dem Gericht, wie sie als Achtjährige vom Vater in den Saunabereich des elterlichen Hauses geführt wurde und unter dem Vorwand der Sexualaufklärung das Geschlechtsteil des Vaters nicht nur anschauen, sondern auch anfassen musste. Die Vorsitzende Richterin Stephanie Befelein wird später von einem &bdquo;systematischen, seriellen Verhalten“ sprechen. Er wollte &bdquo;aufklären“: Paderborner Familienvater soll Mädchen missbraucht haben Ebenso wie ihre Schwestern und ihre Cousine schleppte Mona T. das Erlebnis viele Jahre mit sich herum, schließlich hatte auch ihr der Vater gesagt, es handele sich um ein Geheimnis, über das nicht gesprochen werden dürfe. Als irgendwann die &bdquo;Aufklärungspraktiken“ der Mutter zu Ohren kamen, sprach diese mit Heinrich B. - rechtliche Konsequenzen blieben aus. &bdquo;Wir sollten ihm vergeben“, erinnert sich die 32-Jährige. &bdquo;Was das mit uns gemacht hat, war nie Thema, danach wurde nicht gefragt.“ Paderborner Opfer zeigt den eigenen Vater an Keine der jungen Frauen konnte das Erlebte abschütteln. &bdquo;Wenn ich an die Situation denke, rieche ich sie noch“, sagt Mona T. und erzählt, dass es für sie immer noch &bdquo;furchtbar“ sei, angefasst zu werden. Anfang 2024 zeigte sie ihren Vater an. Dank der Therapie, die sie kurz zuvor begonnen habe, sei ihr das möglich gewesen. &bdquo;Ich wollte für mich klar haben, dass ich an den Vorfällen keine Schuld trage“, sagt die 32-Jährige. &bdquo;Es war ein autoritäres Familiensystem“, erklärt Nebenklagevertreterin Katja Metzler das mehr als zwei Jahrzehnte andauernde Schweigen über die Vorfälle im Haus des Heinrich B. Die Anwältin, die Mona T. zur Seite steht, verweist da auch auf die freikirchliche Gemeinde, in der der Angeklagte ein angesehenes Mitglied ist. Dort gelte nämlich der Grundsatz, dass Kinder ihren Eltern zu gehorchen hätten. Anwälte kritisieren Paderborner Kirchengemeinde Auch ihre Kollegin Carina Tofall nimmt die Kirchengemeinde in den Blick. &bdquo;Diese lehrt, dass Vergebung die geschehene Tat wieder gutmacht“, sagt sie. Dabei seien die &bdquo;psychischen Narben sehr tief“ - so wie bei ihrer Mandantin Frida S., die im Grundschulalter begann, sich selbst zu verletzen. Sogar den Wunsch zu sterben habe das kleine Mädchen gehabt, sagt Tofall, und dabei immer Angst vor der Hölle gehabt, die der freikirchliche Glauben für Suizid vorsehe. &bdquo;Das Thema wurde totgeschwiegen“, resümiert Staatsanwältin Laura Trampe. Sie verlangt für die angeklagten zehn Taten eine dreijährige Haftstrafe. Der Angeklagte, der bislang niemals mit dem Gesetz in Konflikt geriet, habe überhaupt kein Unrechtsbewusstsein an den Tag gelegt. Tatsächlich gab Heinrich B. zwar zu, den kleinen Kindern sein Geschlechtsteil gezeigt zu haben, dass die Mädchen dieses berühren mussten, stritt er aber ab. Paderborner Richterin: Angeklagter hat Vertrauen der Kinder ausgenutzt Für das Gericht ist das bei seiner Urteilsfindung ein entscheidender Aspekt. Der Angeklagte habe nur ein Teilgeständnis abgelegt, fasst Richterin Befelein zusammen. &bdquo;Es gab keine komplette Lebensbeichte, kein Zu-Kreuze-Kriechen“. Aus den Briefen, die der 64-Jährige verlesen durfte, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzog, spreche keine erkennbare Reue, kein Wille, die Taten aufzuarbeiten. Der Angeklagte habe das Vertrauen, das Kinder &bdquo;naturgemäß“ zu ihren Eltern hätten, ausgenutzt - ebenso aber auch die &bdquo;Vergebungsstruktur“ der freikirchlichen Gemeinde, die er auf seine Familie übertragen habe. Obschon die Taten bereits lange Jahre zurückliegen, verhängt das Gericht eine zweieinhalbjährige Freiheitsstrafe. &bdquo;Das geschehene Unrecht kann nicht mit einer bewährungsfähigen Strafe abgegolten werden“, so Richterin Stephanie Befelein.

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