Neue Paderborner Citymanagerin: „Innenstadt soll täglich 24 Stunden belebt sein“

Frau Schräder, seit April sind Sie Paderborns neue Citymanagerin. Wie startet man in so einen Job? Lena Schräder: Ich habe in den ersten Wochen sehr viele Kennenlern-Gespräche geführt. Mit unserem Dreier-Team - neben mir sind es noch Felix Leifeld und Verena Meise - haben wir einige Rundgänge gemacht, um die Stadt neu kennenzulernen. Zudem definieren wir unsere Themenfelder - auch um abzugrenzen: Was kann Citymanagement und was vielleicht auch nicht. Nach den ersten Gesprächen und Rundgängen: Was funktioniert gut in Paderborn? Es gibt superviele Leute und engagierte Akteurinnen und Akteure, die einfach sehr viele Ideen haben und diese auch schon umsetzen. Ob aus dem Kulturbereich, aus der Kreativszene, von der Uni oder der Werbegemeinschaft. Diese Gruppen sind schon untereinander im Austausch. Und wo läuft es nicht? Ich finde es schade, dass Paderborn nicht aus dem Underdog-Wesen herauskommt. Dass es sehr unterschätzt wird, obwohl es viel Potenzial gibt. Wenn man sich die Innenstadt anschaut, dann gibt es viele B-Lagen und Ecken, die total schön sind: ob das Paderquellgebiet oder das Ükernviertel - aber auch verschiedene Gassen an der Westernstraße, die einfach noch nicht so entdeckt werden - wie die Franziskanergasse. Was können Sie denn machen, damit diese Ecken und B-Lagen mehr Aufmerksamkeit bekommen? Und dass auch die A-Lagen noch interessanter und attraktiver werden? Ziel ist, eine Multifunktionalität hinzubekommen. Dafür müssen wir die B-Lagen identifizieren und analysieren und überlegen, wie man das Blickfeld von der A- auf die B-Lage erweitert. Wir haben da verschiedene Ideen, wie man da drauf aufmerksam machen kann. Da sind wir stark im Austausch mit den Leuten. Es gibt viele Interessengemeinschaften und Akteure, die selbst gute Ideen haben, und teilweise auf uns zukommen. Lesen Sie auch: Restaurant öffnet am Westerntor in Paderborn: Positiver Impuls am Brennpunkt? Welche Ideen sind das? Es gibt ja in der Westernstraße Schilder, die aufmerksam machen auf die Rathaus-Passage oder die neue Gaming-Bar. Aber man muss dafür halt einmal abbiegen. Wir haben uns jetzt überlegt, wie man die Schilder oder Straßen so gestalten kann, dass sie Blickfänger sind. Die Grube ist ein gutes Beispiel für eine attraktive Straße, obwohl es keine A-Lage ist. Beim Urlaub in Holland sieht fast jede Stadt so aus wie 20 oder mehr Gruben. Gerade in den Niederlanden gibt es Städtchen, die einen großen Entdeckungsfaktor haben. Da liegt die Attraktivität darin, dass man immer auch links und rechts guckt und rumstreunert. Da können wir uns in Paderborn was abgucken. Und Wasser, ein großes Thema in niederländischen Städten, hat Paderborn ja auch. Stichwort Entdecken: Damit Städte bestehen können, müssen sie Überraschungen bieten - im Handel, in der Gastronomie und anderen Nutzungen. Ich möchte ja jemanden, der nach Paderborn kommt, nicht nur einmal überraschen, sondern auch beim nächsten Besuch. Das ist eine große Herausforderung. Das Weihnachtswunder war ein Riesenevent und das Feedback superpositiv, vor allem von Leuten, die das erste Mal in Paderborn waren. Solche temporären Geschichten, die man vielleicht im Sommer gut ausprobieren kann, sorgen für einen Überraschungseffekt. Oder auch für Vorfreude, wenn man etwas nochmal macht, weil es gut gelaufen ist. Von Leuten von außerhalb hören wir oft: Paderborn ist doch super - wir sind das erste Mal hier und hatten das gar nicht auf dem Schirm. Neue Gastronomie-Konzepte: Smash Burger und Korean Kimbap: In Paderborn eröffnen neue Restaurants Und die Paderborner? Ihr Blick ist leider ein anderer, die sehen die Innenstadt häufig kritischer und sagen, dass sie keine Geschäfte mehr zum Einkaufen haben oder gewisse Läden fehlen. Nach Corona und vielen Geschäfts- und Gastroschließungen haben wir auch wieder einen Aufschwung mit vielen jungen Gewerbetreibenden, die etwas versuchen. Dabei liegen uns erstmal die Menschen aus Paderborn und dem Umland am Herzen, dass die gern und häufig kommen. Wichtig sind da ein guter Mix und Konzepte, die verschiedene Dinge vereinen - weg vom klassischen: Hier kauf ich ein, da gehe ich essen, da gibt es etwas Kultur. Genauso wichtig ist ein Appel ans Wir-Gefühl: Dass wir alle die Innenstadt mitverantworten, die aus vielen Ecken gestaltet wird und dass die Bürgerinnen und Bürger genauso beteiligt sind wie Immobilienbesitzer, Einzelhandel oder Vereine. Wie muss ich mir das konkret vorstellen? Gehen Sie auf die Gebäudebesitzer zu oder kommen die Eigentümer zu Ihnen? Die müssen ja nicht bei Ihnen anrufen und sagen: Ich habe hier eine freie Fläche und vielleicht jemand, der ins Konzept passt. Zumal nicht jeder auch in Paderborn wohnt oder eine Verbindung in die Stadt hat. Es ist ein Mix. Wir gehen auf Leute zu, aber manche kommen zu uns. Im Prozess zum &bdquo;Memorandum Innenstadt“ gab es einen Runden Tisch gerade für Eigentümer, weil es der größte Hebel in der Innenstadt ist: Die sind verantwortlich für das, was passiert. An der ein oder anderen Stelle passiert aber nichts, da gab es aber schon Gespräche und wird es auch wieder geben. Es gibt aber gute Beispiele, wie die Nachbesetzung von Sittig. Das ging superschnell mit einem modernen, attraktiven Konzept, das die Innenstadt wirklich nach vorne bringt. Das ist frequentiert und bringt junge Leute in die Stadt. Auch im Bereich des früheren Kaufhofs können wir froh sein, dass viel Geld in die Hand genommen wird. Davon wird die gesamte City profitieren mit einem hoffentlich attraktiven Geschäftsbesatz, den wir auch noch nicht kennen. Kommen wir zum neuen Citymanagement-Konstrukt: Viele Jahre wurde es je zur Hälfte von der Stadt und der Werbegemeinschaft finanziert - und nicht von allen Einzelhändlern akzeptiert. Bemerken Sie nun eine andere Wahrnehmung, wo der Bereich ganz bei der Stadt liegt? Es ist eine komplett andere Situation. Ich nehme es so wahr, dass es bisher sehr viele Leute positiv sehen - auch dass es als Team angelegt ist mit starken Kontakten über die Wirtschaftsförderung, aber auch über die Verwaltung. Wir können da geschlossener auftreten. Wichtig ist aber auch, dass wir Grenzen des Machbaren erkennen und der anderen Seite nicht den Himmel auf Erden versprechen und sagen: Das können wir machen und das nicht. Hintergrund: Großbaustelle in Paderborn sorgt bei Unternehmern und Anwohnern für Frust Auch wenn Citymanagement ein weites Feld ist: Können Sie drei Punkte benennen, die Sie als Erstes angehen? Wir gucken, was als neues Team vielleicht auch kurzfristig möglich ist - wie das Thema lebendiges Erdgeschoss mit einer Innenstadt als Gemeinschaftsaufgabe. Dann das Thema Veranstaltungen. Und wir arbeiten aktuell an einer Website, die auch demnächst online geht. Wie ist das Verhältnis zur Werbegemeinschaft? Sehr konstruktiv. Die Werbegemeinschaft macht ja auch super Sachen - zum Beispiel das Frühlingsfest. Wir freuen uns, wenn wir an vielen Stellen zusammenarbeiten können. Auch die Aktion &bdquo;Dinoborn“ lief sehr gut und es sind ja noch weitere Sachen geplant. Der Paderborner Modeunternehmer Franz Klingenthal sagte kürzlich, dass Zara und Starbucks der Innenstadt guttäten. Wie sieht denn Ihre Traum-Westernstraße aus? Ein Mix macht auf jeden Fall Sinn, ein Mix zwischen verschiedenen Ketten, aber auch inhabergeführten Geschäften und Konzeptstores. Wichtig ist auch die Multifunktionalität von Räumen. Dass man nicht alles getrennt voneinander sieht, sondern es in einem Geschäft vielleicht auch ein Café gibt oder Kulturprogramme. Zu einem breiteren Angebot gehören auch konsumfreie Zonen. Also Orte, an denen sich Menschen einfach nur treffen können und kein Geld ausgeben müssen. Dass man insgesamt eine zukunftsfähige Innenstadt kreiert - auch was das Thema &bdquo;klimaresiliente Städte“ angeht. Das heißt: mehr Grün, wo es möglich ist. Alles für eine möglichst belebte Innenstadt und große Diversität, dass sich möglichst viele Menschen und Altersgruppen angesprochen fühlen. Wo wären konsumfreie Räume denkbar? Alle B-Lagen bieten Spielraum zu weiterem Experimentieren. Dann das Paderquellgebiet natürlich und die auch im Innenstadt-Memorandum erwähnte Idee mit dem Wall. Dass man da schöne Grünflächen hat und sich überlegt, was man da macht. Die werden zwar genutzt, aber die Leute könnten dort ja auch picknicken. Darüber hinaus gibt es schöne Ecken etwa im Ükernviertel, wo man kleine Plätze schaffen könnte. Und was ist mit überdachten Möglichkeiten? Grundsätzlich fänden wir es auch schön, wenn man Gebäude, in denen zurzeit noch nichts drin ist, auch für eine Zwischennutzung umwandelt. Da waren wir auch schon im Kontakt mit dem Verein Zwischenstand - für Workshops oder gemeinsamem Kochen: je nach Möglichkeiten des leer stehenden Ladens. Mit der Open Library im Adam-und-Eva-Haus gibt es ja schon so ein Angebot, vielleicht ist das aber noch zu wenigen präsent und es ist etwas weg von der Westernstraße. Auch im Stadthaus-Neubau sind solche Flächen vorgesehen. Wir sind mit vielen Leuten in Gesprächen und werden sehen, was möglich ist. Top-Lokale im Überblick: Das sind die besten Restaurants im Kreis Paderborn Welche Städte inspirieren Sie besonders? Kleine Städtchen in den Niederlanden, von denen ich ein großer Fan bin. Dann Städte, die Wasser integriert haben, wie Freiburg. Auch Hamburg mit der Kreativ-Gesellschaft und vielen Ideen für temporäre Nutzungen, für Zwischenräume. Wir stehen aber auch in Kontakt mit den anderen Citymanagements aus der Region. Ich glaube, man kann sich in jeder Stadt etwas abschauen. Für viele Menschen ist eine Stadt attraktiv, wenn sie alles zu Fuß machen können, für andere, wenn sie mit dem Auto sehr dicht herankommen. Viele Einzelhändler sagen: Es gibt zu wenig Parkplätze. Zugleich seien die im Mobilitätshub am Hauptbahnhof entstehenden Stellplätze für die Kundschaft zu weit entfernt. Deshalb geht es schon jetzt bei der Planung für den Bereich an der Florianstraße auch um öffentliche Parkplätze. Wie sehen Sie das? Uns ist grundsätzlich wichtig, dass wir alle Verkehrsteilnehmenden ansprechen. Wir kennen alle die Gegebenheiten im Kreis Paderborn. Ich selbst bin im Umland groß geworden und da ist ein Auto nicht immer verzichtbar. Es wäre schön, wenn man alles mit dem ÖPNV hinbekommen würde. Beim Citymanagement nehmen wir aber eine vermittelnde Rolle ein bei diesem sehr polarisierenden Thema. Entwicklung der Innenstadt: Shopping in Paderborn: Parken in der City ist entscheidend Wie kann man es schaffen, dass die Innenstadt auch sonntags gefüllt ist? In anderen Ländern sind die Geschäfte geöffnet. Bei uns sieht man Leute, die Eis essen, einen Schaufensterbummel machen oder durchs Paderquellgebiet gehen. Aber richtig belebt ist es nicht. Wir wollen generell Anreize schaffen, um gern in die Innenstadt zu kommen. Ohne Handel ist der Sonntag da nochmals herausfordernder. Mit konsumfreien Flächen, Veranstaltungen oder verkaufsoffenen Sonntagen lässt sich da etwas machen. Hinzu kommt, dass das Stimmungsbild im Sommer anders ist als im Winter. Entscheidend ist auch hier der gesunde Mix. Es wäre meine Wunschvorstellung, wenn man es hinbekommt, dass die Leute nicht nur mit einem klaren Ziel - etwa einzukaufen - in die Stadt kommen. Sondern dass sie bummeln, einfach mal was Neues entdecken oder sich auch sportlich betätigen. Sie sind in Paderborn sehr harmonisch angekommen. Für Ihren Vorgänger Heiko Appelbaum lief es am Ende nicht mehr rund und er ist von der Politik extrem kritisiert worden. Worauf sind Sie eingestellt? Ich glaube nicht, dass es immer rund laufen wird. Es gibt viele Konfliktthemen, weil es zur und in der Innenstadt immer viele Meinungen und viele Akteure gibt. Aber es ist mit einem Team eine völlig neue Konstellation, die man nicht vergleichen kann. Wir sind auf jeden Fall alle recht optimistisch. Eine Innenstadt ist ein Schmelztiegel, wo viele Menschen zusammenkommen und wo viel passiert. Dass da nicht immer alles optimal läuft, ist klar. Ganz groß gedacht und in knappen Worten: Wie sehen Sie Paderborn in zehn Jahren, wenn die Stadt auch klimaneutral sein soll? Was haben Sie sich so vorgenommen? Es wäre schön, wenn man eine lebendige Innenstadt auch am Sonntag hat - und das 24 Stunden lang und nicht nur tagsüber, sondern auch durch ein attraktives Nachtleben. Dass sich Leute wohlfühlen und gerne hierhin kommen und es einen bunten Blumenstrauß gibt aus einem starken Einzelhandel, einer starken Gastronomie, konsumfreien Flächen, Sport- und Kulturangeboten und Wohnen - und zwar generationsübergreifend. Und dass es vielleicht noch etwas grüner ist. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn.

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