„Minna von Barnhelm“ in Paderborn: Liebe jenseits klassischer Geschlechterrollen

Paderborn. Gottfried Ephraim Lessings Stück &bdquo;Minna von Barnhelm“ feierte jetzt Premiere am Theater Paderborn und überzeugt mit einer gelungenen Besetzung des darstellenden Sextetts, das den Kosmos des Lustspiels belebt. Das Stück gilt als eines der bekanntesten Lustspiele der Aufklärung – jener Zeit also, deren Kennzeichen die Berufung auf die Vernunft und die Befreiung von starren Konventionen ist. Vernunft versus Befreiung, das sind im Stück in erster Linie Major von Tellheim versus Minna von Barnhelm, wobei beide im Grund durch innige Liebe verbunden sind. David Lukowczyk verkörpert den unehrenhaft entlassenen Tellheim in einer geschlossenen gequälten Verknöcherung. Sein Leid ist sichtbar körperlich, nicht nur aufgrund der amputierten Hand. Seine bedachten statischen Gänge verharrend, seine Stimme leise, durchzogen vom Elend des ihm widerfahrenden Unrechts, seine Haltung eindeutig – er darf nichts sein ohne Ehre und Reichtum. Weder Freund noch Geliebter. Das Argument Liebe zählt nichts, allerdings nur so lange, bis sie plötzlich vor ihm steht. Und während Lukowczyk Tellheim in einem Kokon aus Selbstmitleid und verlorener Ehre inhaftiert und jedes seiner Gefühle kontrollierte zurücknimmt, sind es die Frauen, die die ehrbehaftete und monetäre Männlichkeit durchbrechen. Mehr zum aktuellen Theaterprogramm in Paderborn: &bdquo;Die Nebenwirkungen“: Krieg ums Impfen im Theater Paderborn Kirsten Potthoff spielt eine Grande Dame zum Anfassen Kirsten Potthoff ist eine stolze, aber nahbare Minna von Barnhelm. Minnas Stärke überträgt Potthoff in jeder Bewegung und Geste. Eine Grande Dame zum Anfassen, ohne an Würde oder Stand zu verlieren. Das Zusammenspiel mit Claudia Sutter als Zofe Franziska symbolisiert in ihrer Leichtigkeit den aufgeklärten Blick nach vorn. Herrin und Dienerin sind Freundinnen, die sich wie Backfische über die Männer ihrer Träume austauschen, ohne dass Geld hierbei eine Rolle spielt. Potthoff gelingt es, das Wechselspiel aus Verliebtheit und Emanzipation eindrücklich zu erleben. Ihre List, Tellheim mit seinen eigenen männlichen Ansichten zu schlagen, überzeugt. Der Schwung des Aufbruchs, der Wunsch nach Neuem verbildlicht sich im Spiel von Franziska und Tellheims Freund Paul Werner, gespielt von Helge Gutbrod. Die pointiert gesetzten Gesten und Betonungen des Duos gepaart mit ausgelassener Körperlichkeit sind der Kern des aufklärerischen Lustspiels und charakterisieren im klugen Einsatz von Sutter und Gutbrod die Leichtigkeit der Emanzipation im Gegensatz zu den noch in verschiedenen Welten befindlichen Barnhelm und Tellheim. Komplettiert wird das Spiel durch Tellheims Diener Just (Kai Benno Vos) und dem Wirt der Herberge, wo sich das zufällige Aufeinandertreffen Barnhelms und Tellheims ereignet. Alexander Wilß spielt den Wirt im devot verschlagenen Wechselspiel von Freund und Feind. Seine aufgesetzte Attitüde der Großherzigkeit entlarvt sich schnell als Geldgier und Eigennutz, ohne an Eleganz zu verlieren. Vos schlüpft in die Rolle des Dieners ohne Demut aber auch ohne die Leichtigkeit der Franziska. Er lebt für seinen Herrn, nicht mit ihm, wie Franziska. Just verliert dabei nicht seine Eigenständigkeit, welche Vos mit unterhaltsam gesetzten agilen Sequenzen unterstreicht. Lesen Sie auch: Mahnend aktuell: &bdquo;Das Tagebuch der Anne Frank“ im Paderborner Theater Lessings Lustspiel auf der Paderborner Bühne Klaus Kusenberg inszeniert Lessings Lustspiel mit den nötigen amüsanten Momenten, die die eigentliche Frage nach der Verknüpfung des Geschlechts mit Ansehen und Reichtum durchbricht. Das Sextett der Schauspieler harmoniert und begegnet sich gleichsam auf Augenhöhe in unterschiedlichen Rollen. Hierzu trägt auch das nicht statische Bühnenbild von Lena Scheerer bei. Die an ein Hallenbad denken lassende Kulisse als Kosmos der pubertären Rollenfindung. Männlichkeit durch Ansehen und Stärke, Weiblichkeit durch Anmut und Hilflosigkeit funktionieren in Scheerers Kulisse nicht. An einem Ort der Leichtigkeit und Gelassenheit wirkt Tellheims Beharren auf Geschlechterrollen fremd und fehl am Platz. Die graugehaltenen Kostüme ohne Farbakzente (ebenfalls von Scheerer) von Tellheim in der bunten neuen Welt von Minna und Franziska versinnbildlichen eine versteinerte Rollensicht. Das 1767 uraufgeführte Stück funktioniert in moderner Ausstattung und gekonnter Besetzung, denn das Thema ist immer noch aktuell – leider. Weitere Stücke im Theater Paderborn: Neues Stück im Paderborner Theatertreff thematisiert Depression bei Kindern Wo es Karten für &bdquo;Minna von Barnhelm“ gibt Die Inszenierung dauert circa zwei Stunden inklusive einer Pause. Informationen zu weiteren Aufführungen im Mai und Juni sowie die Möglichkeit zum Ticketkauf finden Interessierte auf der Homepage des Theaters unter www.theater-paderborn.de. Immer informiert bleiben: Hier gelangen Sie direkt zum Whatsapp-Kanal der NW Paderborn.

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