Neue Inszenierung im Theater Paderborn: Ein Tor für gelebte Queerness

Paderborn. Homosexualität und Fußball? Kein Problem - zumindest auf der Bühne des Theaters Paderborn, wo das Stück &bdquo;Zwei Herren von Real Madrid“ jetzt Premiere hatte. Eine gefeierte Premiere - das will schon an dieser Stelle betont sein. Regisseurin und Theaterchefin Katharina Kreuzhage coacht in 70 Minuten ein Spiel, das überhaupt nicht darauf ausgelegt ist, bestehende Defizite zu kritisieren. Die Welt im Stück des Autors Leo Meier ist eine, in der Homosexualität im Fußball völlig normal ist. In dieser utopischen Welt liegen Liebe, Leben und Tod genauso dicht beieinander wie in der Realität. Ernsthafter Tiefgang trifft auf Absurditäten. Dazu gehört, dass der Mittelfeldspieler auf einem Drachen fliegt. Theater kann - hier in einer Kooperation mit dem SC Paderborn 07 - einfach alles. Am Anfang ist Stille, die nur durch Vogelgezwitscher durchbrochen wird. Dann begegnen sich der Mittelfeldspieler (Thomas Kaschel) und der Stürmer (Kai Benno Vos) erstmals. Zufällig kicken sie beim selben Verein und dem wohl bekanntesten Fußballclub überhaupt: Real. Schnell ist eine Nähe zwischen beiden spürbar. Doch das Stück lässt sich Zeit, ehe aus Sympathie zueinander mehr wird. Lesen Sie auch: Fußball und Homosexualität sind Thema auf der Paderborner Theaterbühne Die Paderborner Regisseurin baut die Beziehung der beiden Männer langsam auf Über mehrere Stationen baut Kreuzhage die Beziehung langsam auf. Sie zeigt die beiden Männer zunächst in einer Eistonne. Dann wird Weihnachten gefeiert bei den Eltern des Stürmers, währenddessen die Mutter - die sofort spürt, dass die beiden ein Paar sind - das vom Gast mitgebrachte Bananenbrot isst und stirbt. Die Mutter (Claudia Sutter), ein großer Real-Fan, dachte, dass sie nur gegen Fehlpässe allergisch wäre, nicht gegen Bananen. Solche Kalauer gibt es immerzu. Als der Stürmer bei der Trauerfeier irgendwann langsam erstmals seine Hand aufs Bein des Mittelfeldspielers legt, geschieht dies ganz behutsam und beiläufig. Tragikomisch ist es dann, als er seinem Liebsten sagt, dass er seine Augen mag - besonders wenn sie ihn anschauen. Leider hat er seine Hände auf den Ohren des anderen, sodass dieser das Kompliment nicht hört. Kurz darauf dann: der erste und sogleich innige Kuss. Lesen Sie auch: &bdquo;Biedermann und die Brandstifter“ feiert Premiere am Paderborner Theater Ausgerechnet die Paterin fotografiert dies und macht es über eine Boulevardzeitung öffentlich. Bei der Pressekonferenz, die als Dauerwerbeblock präsentiert wird, interessiert das Thema jedoch kaum. Auch nicht den Teamkollegen Sergio Ramos (Gregor Weisgerber), der in königlich-reinem Real-Weiß breitbeinig auf einer Emaille-Waschschüssel erhöht dasitzt. Dieser Ramos verkündet übrigens spezielle Weisheiten, die ihre ganz eigene Tiefe haben. Die Hauptdarsteller im Theater Paderborn spielen würdevoll und niemals peinlich Das Spiel der Protagonisten Kaschel und Vos ist feinfühlig, würdevoll und niemals peinlich. Oft sind es nur kleinste Regungen oder Blicke, die ihre Gefühle zueinander widerspiegeln. Kaschel ist dabei - eine Spur autistisch und den Blick fast immer starr geradeaus gerichtet - der schüchterne Teil, der auf mehr hofft. Etwas forscher geht Vos als Stürmer ans Werk und fordert sein Gegenüber immer wieder. Sutter darf mächtig aufdrehen: Sowohl als Mutter in lila Trainingsjacke, mit Weihnachtskrawatte und Real-Mütze wie auch als Paterin vor einer schrägen Trauergemeinde mit Slapstick und einer enormen Gag-Dichte, legt sie Superauftritte hin. Hierzu ist David Lukowczyk als Vater der ruhige und wichtige Gegenpol. Weisgerber gibt die reale Fußball-Größe Sergio Ramos als professionellen Macho, der Privates und Berufliches voneinander trennt. Lesen Sie auch: Pippi Langstrumpf begeistert Kinderherzen im Theater Paderborn Durch musikalische Kurzeinsprengsel zwischen den Szenen oder Ansprachen ans Publikum wirkt das Stück teilweise wie eine Sitcom. Aus der am Ende großes Kino wird. Zum Schluss gibt es, beide Fußballer in Trenchcoats und mit Hut, einen Abschied, der die Flughafenszene aus &bdquo;Casablanca“ zitiert. Der Club PSG lockt den Stürmer für 150 Millionen nach Paris. Dazu erklingt das durch den Film weltberühmt gewordene &bdquo;As Time Goes By“. Liebe oder Geld? &bdquo;Für mich sind Sie unbezahlbar“, sind die letzten Worte des Mittelfeldspielers. Das Publikum entscheidet, was es mit dem letzten Satz der Inszenierung macht Was es mit diesem letzten Satz macht, ist dem Publikum überlassen. Das wird als direkte Ansprache zum Schluss noch einmal betont. Dann heißt es &bdquo;The End“: Der Abspann ist zu sehen - und ein Drachen saust hinter dem Flugzeug durch die Luft. So federleicht kann Theater ein schweres Thema - für viele das letzte Tabu - verpacken. Wie schön wäre es, wenn Homosexualität im Männerfußball so selbstverständlich wäre wie Glockengeläut in Paderborn. Wenn es überhaupt kein Tamtam mehr braucht und keine Zeitungsschlagzeile mehr wert ist. Schade, dass dies bislang noch immer nur in einer Theater-Utopie möglich ist. Das Publikum fand es spitze - und feierte ganz besonders Kaschel und Vos. Weitere Vorführungen sind am 13. und 23. November, 8., 21., 29. und 31. Dezember, 5. und 22. Januar, 13., 23. und 27. Februar, 28. März, 6. und 10. April, 4., 10. und 25. Mai, 29. Juni und 12. Juli. Karten gibt es an der Theaterkasse am Neuen Platz, unter Tel. 05251 2881100 und per E-Mail. Immer informiert bleiben: Abonnieren Sie jetzt den &bdquo;NW“-Whatsapp-Kanal für den Kreis Paderborn

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