Streit um 150 Euro endet blutig: Medizinerin schätzt vor Gericht das Geschehen ein

Paderborn. Es ist eine empfindliche Freiheitsstrafe, die Harry T. (Namen geändert) droht, sollte er von der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Paderborn im Sinne der Anklage schuldig gesprochen werden. Denn Staatsanwalt David Schütte ist davon überzeugt, dass der 26-Jährige den Tod seines Kumpels Andy N. billigend in Kauf nahm, als er diesem einen Messerstich versetzte. &bdquo;Versuchter Totschlag“ lautet damit der Vorwurf der Anklage. Kein ganz einfacher Fall. Denn Harry T. und Andy N. haben eine ganz unterschiedliche Sicht auf die Dinge. Unstreitig ist wohl, dass es um eine Geldschuld in Höhe von 150 Euro ging, als der 35 Jahre alte Landschaftsgärtner am 18. August den neun Jahre jüngeren Freund in dessen Zuhause aufsuchte. Ebenso dürfte es der Wahrheit entsprechen, dass Andy N. seinem Schuldner mit einer Astsäge zu Leibe rückte, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Doch das weitere Geschehen betreffend gehen die Schilderungen, wie berichtet, weit auseinander. Mehr zu dem Prozess: Blutiger Zoff um 150 Euro: Ungewöhnlicher Fall vor dem Paderborner Gericht Während Harry T. beteuert, noch unter dem Eindruck der vorgehaltenen Säge in seiner Wohnung spontan ein Obstmesser gegriffen und zugestochen zu haben, verortet Andy N. die Attacke ganz woanders. Nachdem er selbst von Harry T. abgelassen habe, weil dessen Mutter im Flur aufgetaucht sei, habe er mit dieser noch ein Gespräch geführt, bevor er dann - noch unverletzt - zu seinem Auto gegangen sei. Dorthin sei ihm der 26-Jährige gefolgt, um zuzustechen - mit den Worten: &bdquo;Das hast du davon“. Rechtsmedizinerin gibt Einschätzung der Geschehnisse Tatsächlich hatten die Ermittlungsbeamten in der Wohnung von Harry T. keinerlei Blutspuren feststellen können, wohl aber im Außenbereich in der Nähe des Wagens sowie an dessen Türklinke. Möglicherweise ist das ein Indiz dafür, dass die Schilderung des Andy N. der Wahrheit entspricht, ist doch die Rechtsmedizinerin Stephanie Schlepper, die an diesem zweiten Verhandlungstag ihre Einschätzung der Geschehnisse abgibt, der Überzeugung, dass nach der Verletzung zeitnah eine Blutung eingesetzt haben muss. Zuvor hat Schlepper verdeutlicht, dass es eine gefährliche Verletzung war, die Andy N. an diesem Augustsonntagnachmittag zugefügt wurde. Zwar konnte der 35-Jährige noch eine Weile hin und hergehen, als er auf den von ihm selbst herbeigerufenen Rettungswagen wartete. Aber &bdquo;ein Stich in die Bauchregion geht grundsätzlich mit einer Lebensgefahr einher“, sagt die Expertin. Schließlich bestehe immer die Möglichkeit, dass Organe wie Leber und Niere oder auch der Darm verletzt würden. Dann drohten starke Blutungen, aber auch etwa eine gefährliche Sepsis. Stich in die rechte Seite des Oberkörpers In diesem Fall sei der Stichkanal aber letztlich günstig verlaufen. Durch den Stich in die rechte Flanke sei zwar das Bauchfell des 35-Jährigen verletzt worden ebenso die Zwischerippenarterie und die Leberkapsel, aber &bdquo;eine Lebensgefahr hat sich nicht verwirklicht“. Wie groß die Kraft war, mit der Harry T. zustach, das kann Stephanie Schlepper nicht sagen. Schließlich konnte weder die Tatwaffe sichergestellt werden, noch lagen der Expertin die Kleidungsstücke des Verletzten vor. Einen Hinweis gibt sie aber doch: Der Faktor Kleidung, aber vor allem die Haut seien für solche Betrachtungen relevant. Sie böten bei Messerstichen den stärksten Widerstand. Welche Schlüsse die Richter daraus ziehen werden, zeigt sich möglicherweise schon am nächsten Verhandlungstag (Mittwoch, 19. Februar). Schließlich hat der Vorsitzende Richter Eric Schülke bereits angekündigt, dass die Kammer dann gern schon die Schlussvorträge von Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklage entgegennehmen würde.

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