Elektronische Patientenakte im Kreis Paderborn: Ärzte äußern Bedenken vor Einführung

Paderborn. Die elektronische Patientenakte (ePA) wird Anfang 2025 bundesweit ausgerollt. Jeder, der gesetzlich krankenversichert ist und nicht aktiv widerspricht, wird die sogenannte ePA erhalten. Die Akte wird über eine App aufgerufen, die die jeweilige Krankenkasse zur Verfügung stellt. Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäuser befüllen die Akte mit medizinischen Daten der Patienten. Das Ziel: Ärzte sollen einen schnelleren Zugang zur Krankengeschichte haben. In einem Notfall kann das entscheidend sein. Von dem Vorhaben verspricht sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach einen großen Wurf in Sachen Digitalisierung im Gesundheitswesen. Mediziner und Apotheker im Kreis Paderborn blicken nicht ohne Sorge auf die Einführung, nennen aber auch die große Chance, die in der Neuregelung steckt. Das sagen die Ärzte Deutliche Kritik dazu, wie die ePA eingeführt wird, hat Ulrich Polenz, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und Vorsitzender des Paderborner Praxisnetzes. Er bezeichnet den Zeitpunkt Anfang des Jahres als &bdquo;fatal“. In den Wintermonaten haben Praxen wegen der Erkältungskrankheiten ein Drittel mehr Arbeit. Eine Einführung der ePA wäre seiner Ansicht nach in den Sommermonaten besser gewesen. Lesen Sie auch: Was die elektronische Patientenakte für die Versicherten bedeutet &bdquo;Wie die ePA in die Praxen und Gesundheitsversorgung kommt, das ist sehr von oben nach unten gedacht“, kritisiert Polenz. Viele Ärzte hätten den Eindruck, dass das Projekt &bdquo;auf den letzten Metern durchgepeitscht“ werde. Der Start beschere der ePA auch in der breiten Ärzteschaft einen schlechten Start. Schließlich sei der Mehraufwand für die Mediziner nicht zu unterschätzen: Daten von Patienten müssen eingepflegt werden. In seiner Gemeinschaftspraxis behandeln sieben Ärzte circa 5.000 Patienten im Quartal. &bdquo;Wenn man da etwas von heute auf morgen nachtragen müsste: Das wäre unmöglich“, konstatiert Polenz. Gesundheitsplattform OWL aktuell ausgereifter Ein weiterer Knackpunkt der ePA: Ein ganz ähnliches Projekt läuft im Kreis Paderborn bereits. Die Gesundheitsplattform OWL, in der laut Ulrich Polenz vier Jahre Arbeit und fünf Millionen Euro Fördergeld stecken. Sie gehört zu den Vorzeigeprojekten der Digitalen Modellregion NRW. Sie ermöglicht Kliniken und Praxen im Kreis Paderborn den Austausch von Gesundheitsdaten ihrer Patienten. Stimmen Patienten dem Austausch zu, erhalten sie ähnlich wie beim Online-Banking ein Benutzerkonto, über das sie ihre Gesundheitsdaten verwalten und einsehen können. &bdquo;Als wir mit der Gesundheitsplattform angefangen haben, war die ePA in der jetzt geplanten Form nicht absehbar“, sagt Polenz. Sollte die elektronische Patientenakte in den nächsten drei Jahren mit allen Funktionen kommen, macht das laut Polenz die Paderborner Plattform überflüssig. &bdquo;Doch ob das mit der ePA dann auch wirklich klappt, ist noch völlig unklar“, ordnet er ein. Lesen Sie auch: Kliniken und Praxen im Kreis Paderborn schaffen einzigartiges System Ein Unterschied zwischen der Gesundheitsplattform OWL und der ePA: Patienten müssen der ePA widersprechen, um sie nicht zu erhalten. Bei der Gesundheitsplattform mussten Patienten sich dafür aktiv entscheiden. &bdquo;Das hat sehr zur Legitimation beigetragen“, berichtet Polenz. Entscheidung im Paderborner Kreistag steht an Zudem benennt er einen konkreten Vorteil der Gesundheitsplattform OWL: Sie ist zum jetzigen Zeitpunkt ausgereifter. So steht beispielsweise im November im Kreistag die Entscheidung aus, ob Daten aus der Gesundheitsplattform direkt in Rettungswagen übertragen werden dürfen. Das kann in Notfällen entscheidende Minuten sparen. &bdquo;Das ist bei der elektronischen Patientenakte sicherlich noch nicht so schnell möglich.“ Resümierend sagt Polenz: Es werde mit der ePA nicht von Anfang an gut laufen. Dafür seien zu viele Fragen offen und die bereits bestehende Arbeitsbelastung in der ambulanten Gesundheitsversorgung zu groß. Dennoch betont er: Eine funktionierende elektronische Akte sei &bdquo;mit Sicherheit ein großer Fortschritt“. Zudem werde sich die Versorgung durch die Einführung der ePA im Kreis Paderborn nicht verschlechtern: &bdquo;Denn die steht immer im Vordergrund.“ Das sagen die Apotheker im Kreis Paderborn Die Kritik der Ärzte an der elektronischen Patientenakte kann die stellvertretende Kreisvertrauensapothekerin Claudia Brocke durchaus nachvollziehen. &bdquo;Ärzte müssen auch viel mehr einpflegen zum Start als wir.“ Wenn es aus der Apothekerschaft Kritik zur ePA gebe, beziehe die sich eher auf das Thema Datenschutz. &bdquo;Viele haben Angst vorm gläsernen Patienten“, so Brocke. Sie stehe der Entwicklung jedoch sehr positiv gegenüber. Für den Patienten sei es sehr sinnvoll, alle relevanten Informationen an einem Ort zu haben. Medikamente können in der Akte registriert werden, auch wenn sie nicht nur in einer Apotheke gekauft werden. &bdquo;So haben wir einen Gesamtüberblick und können gut über Wechselwirkungen aufklären“, sagt Brocke. Als Beispiel für eine Wechselwirkung nennt Brocke Aspirin und Blutverdünner. Auch bestimmte Antibiotika können die Wirkung von Cholesterinsenkern beeinflussen. Zu einem späteren Zeitpunkt seien für die Akte auch Medikationspläne vorgesehen. Darin steht nicht nur, was der Patient nimmt, sondern auch, wofür er es nimmt. &bdquo;Das hat nicht nur für uns, sondern vor allem für die Patienten große Vorteile.“

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