Elektronische Patientenakte im Kreis Höxter: Ärzte äußern Bedenken vor Einführung

Kreis Höxter. Ab kommendem Jahr erhält jeder, der gesetzlich krankenversichert ist und nicht aktiv widerspricht, die elektronische Patientenakte. Mediziner und Apotheker im Kreis Höxter blicken nicht ohne Sorge auf die Einführung, betonen aber auch die große Chance, die in der Neuregelung steckt. Was sollten Patientinnen und Patienten jetzt wissen? &bdquo;Wir haben die große Sorge, dass es mit der Patientenakte teilweise nicht so funktionieren könnte wie geplant“, sagt die Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, Birgit Avenhaus. Sie und ihr Mann, der Facharzt für Innere Medizin, Wolfgang Avenhaus, hegen die Befürchtung, dass in den Praxen viel Zeit und Aufwand investiert werden muss, um die elektronische Patientenakte ((ePA) mit Daten zu füttern. Eingespielte Abläufe würden verlangsamt und absehbar würden Probleme entstehen. Avenhaus fürchtet zudem, dass der Datenschutz nicht ausreichend gewährleistet ist: &bdquo;Ich würde der elektronischen Patientenakte widersprechen“, stellt die Medizinerin klar. Sie spielt damit darauf an, dass die neue e-Akte automatisch eingeführt wird - wenn Patientinnen und Patienten nicht vorab ausdrücklich erklären, dass sie der ePA widersprechen. Wer verwaltet die Elektronische Patientenakte? Für alle anderen kommt die ePA automatisch spätestens am 15. Februar. Auf ihr sollen Medikamentenlisten, Briefe von Ärzten, Diagnosen, aber auch etwa Impfungen gespeichert und abrufbar sein. Der Beverunger Allgemeinmediziner Jens Grothues, der auch im Vorstand des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe aktiv ist, betont, dass die Akte eine Akte für den Patienten ist - und auch von ihnen verwaltet werden kann: &bdquo;Es ist eine Patientenakte - und keine Praxisakte.“ Lesen Sie auch: Was die elektronische Patientenakte für die Versicherten bedeutet Die Patienten sind es auch, die bei den meisten Daten entscheiden können, ob sie in der Akte landen - oder nicht. Bestimmte Daten, etwa die Medikamentationsliste, kann der Patient aber nicht entfernen. Im Zweifelsfall könne das zu datenschutzrechtlichen Problemen führen, fürchtet auch Grothues. Andere Dinge kann der Patient aber sehr wohl beeinflussen: Wenn er seine Gesundheitskarte ins Lesegerät in der Praxis steckt, hat die Praxis in der Regel 90 Tage lang Zugang zur Akte. Diese Zeit könne der Patient aber manuell kürzen oder auch verlängern. Grothues sieht Sicherheitsrisiken insbesondere auf der Seite der Praxen selbst: Wenn deren System keinen ausreichenden Schutz für Cyberangriffen aufweist, könnten sich Unbefugte Zugang zu den Daten verschaffen. Wird die ePA im Kreis Höxter auf Anhieb gut funktionieren? Auch glaubt Grothues nicht, dass das neue System sofort reibungslos funktionieren wird, sobald die Krankenkasse die ePA ausliefern. Vielmehr glaubt er an einen eher holprigen Start: &bdquo;Am Anfang ist das ein riesiger Moloch, der auf Ärzte und Patienten zukommt.“ Er verweist aber auch auf die großen Potenziale, die das System bieten soll, wenn es denn erst mal richtig funktioniert. &bdquo;Es wäre traumhaft, wenn die ePA die Patienten automatisch an notwendige Impfungen erinnert.“ Dafür müssten alle Impfungen allerdings auch lückenlos dokumentiert werden. Lesen Sie auch: &bdquo;Nie so eine Frustration erlebt“: Arzt aus dem Kreis Höxter über Bürokratie und Ärztemangel Bislang vorgesehen ist allerdings offenbar nur, dass in der Akte alle neuen Impfungen oder Diagnosen erfasst - nicht aber vergangene Daten eingelesen werden. Zumal auch völlig unklar ist, wer diese Daten einpflegen sollte. Aktuell sieht er die ePA noch als ein nicht funktionierendes System, das zusätzliche Arbeit für das medizinische Personal bedeutet - was die ohnehin angespannte Personalsituation weiter verschärft. Birgit Avenhaus verweist zudem darauf, dass es sensible Daten gibt, die womöglich nicht in die Patientenakte gehören - wie etwa Hinweise auf psychische Erkrankungen von Patienten. Allgemein sieht sie aber auch Vorteile in einer digitalen Patientenakte. Etwa dann, wenn Krankengeschichten von Medizinern ausgelesen werden können, weil Patienten selbst nicht mehr Auskunft darüber geben können. Wer ist für den Datenschutz verantwortlich? Weil auch Rezepte oder Medikamentenpläne in dem Plan auftauchen, haben künftig auch die Apotheken Zugriff auf die ePA. Auch Thomas Rochell, Inhaber der Vital-Apotheke im Gesundheitszentrum in Beverungen, glaubt nicht daran, dass die neue Akte von heute auf morgen sofort optimal funktionieren wird. &bdquo;Das wird Zeit brauchen“, meint er. In der ePA sieht er Vorteile: &bdquo;Für den Patienten mit Grunderkrankung ist es von Vorteil, wenn der Arzt weiß, um was es eigentlich geht. Da stecken Chancen drin.“ Dank des E-Rezepts haben die Apotheken bereits Erfahrungen mit dieser Form der digitalen Datenverarbeitung gemacht. &bdquo;ePA geht viel weiter“, sagt er - und sieht in erster Linie die Gesetzlichen Krankenkassen in der Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Daten sicher sind. Thomas Moormann, Leiter des Teams Gesundheit und Pflege im Verbraucherzentrale Bundesverband, sagt auf Nachfrage der &bdquo;Neuen Westfälischen“, dass eine gut gemachte elektronische Patientenakte (ePA) ganz grundsätzlich das Potenzial habe, die gesundheitliche Versorgung zu verbessern, wenn sie die relevanten Befunde, Diagnosen und Medikationen zusammenträgt. Lesen Sie auch: Ende der ärztlichen Schweigepflicht? Bielefelder &bdquo;Big Brother Award“ für Karl Lauterbach Diese Antwort ist aber mit einem ganz großen Konjunktiv versehen: &bdquo;Wenn Patient:innen unkompliziert Einblick in ihre eigenen Unterlagen erhalten, trägt das zur Transparenz bei. Und die Ärzte und Ärztinnen und anderen Leistungserbringer können mit den dann vorliegenden Informationen den Untersuchungs- und Behandlungsbedarf besser bewerten.“ Damit verbindet sich für den Fachmann die Hoffnung, dass die medizinische und gesundheitliche Versorgung besser zwischen den einzelnen Akteuren abgestimmt wird. Die Verbraucherzentrale habe immer betont, dass eine Widerspruchslösung bei der ePA mit verständlichen, umfassenden und neutralen Informationen über Nutzen und Risiken einhergehen muss. Und dann gibt es deutliche Kritik: &bdquo;Das sehen wir anhand der uns vorliegenden Informationsschreiben der Krankenkassen leider als nicht gegeben an. Eine informierte Entscheidung der Versicherten für oder gegen die ePA ist so nicht möglich.“

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