Paderborner Studiobühne setzt ein kapitales Ausrufezeichen

Paderborn. Mit &bdquo;Deutsche feiern“ von Lars Werner begibt sich die Studiobühne der Universität Paderborn zum Beginn des Wintersemesters 2024/25 in die neue Spielzeit und setzt mit dem ersten Stück der Saison ein kapitales Ausrufezeichen. Die Journalistin Lara, gespielt von Maryia Parechyna, erhält das Privileg, als Erste das Gelände des Start-ups CTRON zu betreten und Interviews mit den Insassen zu führen. Das Start-up hat nach eigenen Aussagen ein Düngemittel entwickelt, das den Hunger auf der Welt Geschichte werden lässt. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit ist man nun bereit, mit dem bahnbrechenden Ergebnis an die Öffentlichkeit zu gehen. Was die von Parechyna mit tougher Präsenz und der überzeugenden Attitüde einer Investigativjournalistin gespielten Lara auf dem mit Stacheldraht abgegrenzten Gelände vorfindet, ist kein produktives Großunternehmen, sondern sechs Menschen, die sich freiwillig seit zwei Jahren komplett von der Außenwelt abschirmen und ein Leben im Kollektiv führen. Finanziert wird dieses Leben von Ana, CEO, Pressesprecherin und Millionärin. Leona Blank interpretiert Ana wunderbar extrovertiert und dynamisch vorauseilend. Scheint ihre Position auf den ersten Blick auch hinter Stefan, CEO und Operations, zu liegen, so wird im Verlauf des Stückes deutlich, dass sie der Dreh- und Angelpunkt des Kollektivs ist. Das Kollektiv besteht neben Ana und Stefan, den Ahmet Özdogru mit einem glaubwürdigen Yuppie-Aktivismus darstellt, aus Bernhard, Clarissa, Zoe und Jerome. Schlussendlich erliegen im Stück der Studiobühne alle der Gier nach Profit Den Wunderdünger hergestellt haben Zoe, die von Natalia Chernyaeva enthusiastisch, als eine im Kosmos der Wissenschaft agierende Forscherin dargestellt wird und Jerome, der eigentlich nur im Kollektiv ist, weil Zoe es ist. Armando Dilan impulsives Spiel verdeutlicht Jeromes unterdrückte Emotionen - sei es im Bezug auf die Forschung oder sein eigenes Liebesleben. Clarissa hat bei Greenpeace gearbeitet und kümmert sich jetzt um die Finanzen. Johanna Widner offenbart in ihrem Spiel die Zerrissenheit Clarissas, die dem Kollektiv aus hehren Zielen beitrat und schlussendlich wie alle anderen auch, der Gier nach Profit erliegt. Die Sicherheit des Kollektivs gewährleistet Bernhard. Maximilian Ritzel kriecht förmlich in die Rolle des naiven und stellenweise infantilen Bernhard und erntet verdiente Lacher des Publikums. Der vom Kollektiv selbst gewählte eingeschränkte Kosmos wird durch das vom Ensemble entworfene Bühnenbild eindrücklich gespiegelt. Die schuhkartonartigen Raumelemente, die das Büro von Bernhard sowie die Sicherheitsschleuse symbolisieren, stehen im Kontrast zur Lagerfeuer-Idylle an welchem die Plenumssitzungen des Kollektivs abgehalten werden. Theaterstück mit gut eingesetzten Videosequenzen Verstärkt wird diese eingeschränkte Innensicht noch durch die im Stück sehr gut eingesetzten Videosequenzen, die die Einzelinterviews von Lara mit den Beteiligten zeigt. Die Videoinhalte wurden im Seminar &bdquo;Deutsche feiern oder: wie ein (mediengestütztes) Theaterstück entsteht“ im Sommersemester 2024 von Studierenden der Medienwissenschaften und der Germanistik konzipiert und produziert. Die technische Umsetzung im Stück erfolgte durch das Team des Zentrums für Informations- und Medientechnische Dienste der Universität. Der im Stück geforderte Verzicht des Kollektivs auf den Blick nach Außen in Form von Handys, wird durch die eingesetzten Videoszenen und den damit verbundenen Blick des Publikums heraus aus dem Bühnengeschehen konterkariert. Am Ende bleibt ein fader Beigeschmack Regisseur Sascha Löschner, der von Sahra Klocke (Regieassistenz) und Nina Kuhle (Kostüme) unterstützt wurde, ist es gelungen, die allgegenwärtige Abwägung zwischen sozialer Allgemeinheit und persönlichem Wohlbefinden im Kammerspiel der Bühne zu verdeutlichen. Individuelle Ziele können nur zeitweise durch die Idylle des Kollektivs überdeckt werden, sind aber niemals verschwunden. Am Ende bleibt der fade Nachgeschmack, dass wenn die Summe stimmt, Ideale und Menschleben dem Kapital geopfert werden – offenbar von jedem. Weitere Aufführungen: 17., 19. und 31. Oktober sowie 2., 14. und 16. November jeweils um 19.30 Uhr.

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