Preis-Findung eines Paderborner Sternekochs: So rechnet er vor

Paderborn. Er ist Paderborns Aushängeschild in Sachen feinste Küche. Seit 1998 ist Elmar Simon, Inhaber und Koch des Restaurants Balthasar an der Warburger Straße jedes Jahr vom &bdquo;Guide Michelin“ mit einem Stern ausgezeichnet worden. Hinzu kommen 17 Punkte im Gault Millau, in der Gerolsteiner Restaurant-Bestenliste 2018 belegte das Restaurant Balthasar national den Platz 62 und in Nordrhein-Westfalen den Platz 5. Entsprechend gehoben sind auch die Preise. Doch wie Elmar Simon für die &bdquo;Neue Westfälische“ am Beispiel einer Vorspeise, eines Hauptgerichts und eines Desserts exklusiv vorrechnet, steckt darin auch unendlich viel Arbeit. Unabhängig davon, ob ein Gast ein ganzes Menü bestellt oder nur ein Hauptgericht, wird ein ganzes Potpourri an Kleinigkeiten serviert. Als kleine Vorspeise - der sogenannte Löffel - gibt es Paderborner Dosenfisch: Matjes in Tomatensoße (jeweils 80 Cent). Dazu ein Mini-Paderborner (75 Cent) mit Französischer Salzbutter (Kilopreis 22 Euro, 44 Cent pro Portion) und Schalottenbutter (etwas günstiger, sodass es insgesamt 70 Cent nur für Butter sind) sowie kleine Brötchen (je 22 Cent). Als Amuse-Gueule werden Kürbisvariationen (80 Cent bis 1 Euro) serviert. Später folgt als Petit Four eine kleine selbst gemachte Praline und Zitronenmousse (1,40). Insgesamt 4,90 Euro - nur an Waren. Wildlachs mit Sellerie, Orange und Smetana dient als Rechenbeispiel für eine Vorspeise. Doch wie kommt der Preis von 28 Euro zustande? Da ist zunächst der Lachs. Simon kauft komplette Fische, etwa 230 Euro kostet ein 7-Kilo-Exemplar. Davon kann er ein Drittel - etwa 2,5 Kilo - als Filet nutzen. Aus den Bauchlappen macht er Lachstatar und die Gräten kocht er aus. Somit kostet ein Kilo Filet 92 Euro. Bei 50 Gramm pro Gericht sind es 4,60 Euro. Hinzu kommen 50 Cent für Sellerie, Apfel, Smetana sowie Wakamesalat. Insgesamt liegt der Warenwert bei 9 Euro. Zur Differenz bis zum Kartenpreis kommen wir später. Der Paderborner Sternekoch rechnet genau vor Als Hauptgericht hat sich Simon &bdquo;Geschmorte Kalbsbäckchen mit Schwarzwurzeln und Süßkartoffelpüree“ ausgesucht. &bdquo;Die Backen werden durchs Schmoren schön saftig und das Fleisch bekommt eine gute Struktur“, sagt er. &bdquo;Das ist deutlich besser als Rouladen“. Früher seien die Backen eher ein Nebenprodukt gewesen. Mittlerweile sind sie in Mode gekommen. Das zeigt sich auch beim Einkaufspreis, der mit 28 Euro pro Kilo fast so hoch ist wie beim Kalbsfilet. Bei 250 Gramm Fleisch pro Gericht sind es 7 Euro. Weitere 6 Euro kalkuliert er für den gesamten Rest: Soße und Gemüse. Das Bäckchen schmort zwei bis zweieinhalb Stunden, dann ist es schön zart. Für die Soße nimmt er einen Burgunder. &bdquo;Ein runder Wein mit wenig Säure“, da sich diese durchs Reduzieren intensiviert. Von einem Zehn-Liter-Ansatz mit Zwiebeln, Möhren, Sellerie und etwas Tomatenmark bleiben am Ende etwa 800 Milliliter übrig - also nur acht Prozent. Umami und Collagen aus dem Fleisch sorge für den Geschmack, da muss auch gar nicht oder nur minimal gesalzen werden. Zusammen liegt der Warenansatz bei 13 Euro - 30 Prozent. Dies entspricht in etwa dem Durchschnitt aller Gerichte, sagt Simon. Der Rest verteilt sich auf Kosten wie Strom, Wasser und vor allem die Arbeit. Ist das Restaurant mit 38 Gästen voll, sind im Bereich Bedienung sieben Kräfte (drei Kräfte, vier Aushilfen) im Einsatz. Schließlich werde bester Service erwartet. In der Küche sind neben Simon drei Köche und drei Auszubildende für das exquisite Essen zuständig. Dies hat seinen Preis. Betrieb des Balthasar basiert auf Mischkalkulation Der Kunde zahlt 44 Euro - doch eigentlich müssten es 51,56 Euro sein, meint Simon. Wegen der Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Doch das lässt er, schränkt aber ein: &bdquo;Wenn wir nur so rechnen würden, dann wären wir nicht mehr hier.“ Im Vordergrund stehe jedoch nicht das Geld. &bdquo;Es ist der Ehrgeiz, etwas Besonderes zu bieten.“ Es rechne sich nur, weil 80 Prozent der Gäste Menüs (mit Fleisch und Fisch 185 Euro/vegetarisch 125 Euro) bestellen, die er anders kalkulieren könne. Diesen Vorteil gibt er auch an Gäste weiter, die nur einzelne Teile und kein komplettes Menü bestellen. Der ausgezeichnete Kartenpreis wird nur bei einem einzelnen Hauptgericht genommen. Lesen Sie auch: Paderborns Sternekoch Elmar Simon: &bdquo;Höcke bekommt bei mir nichts zu essen“ Simons Kalkulationen basierten auf seiner langen Erfahrung, wie er sagt. Minutiöses Controlling gibt es nicht. &bdquo;Wir haben ja keine standardisierte Karte.“ Sie wechselt alle zwei bis drei Tage. Seit zehn Jahren hat das Balthasar auch vegetarische Menüs auf der Karte. Sie machten etwa ein Drittel aller Menübestellungen aus. Dabei kosten die verwendeten Waren zwar weniger. &bdquo;Dafür ist der Arbeitsaufwand aber höher“, sagt der Stern-Koch. &bdquo;Man benötigt mehr Einsatz für einen Aha-Effekt.“ Riesiger Aufwand für ein Dessert im Spitzenrestaurant Deutlich geringer ist der Wareneinsatz auch bei den Desserts. Bei 26 Euro für einen Apfelstrudel mit Valrhona-Schokolade, Rosinen und Zimt, denkt man erst einmal: Ganz schön happig, das muss ja schon besonders ein. Doch sieht man Patissière Saskia Becker einmal zu, wie sie das Gericht auf den frisch polierten Teller bringt, hat man keine Fragen mehr. Ist es doch die Edel-Variante eines Strudels. Mit ganz vielen Komponenten, die aufwendig vorbereitet werden müssen. In die Mitte kommt ein ausgestochenes rundes Stück Mandelfinancier mit Zimt und Rosinen. Darauf eine Hohlform aus reduzierten, abgeschmeckten, gekühltem und dadurch festem Apfelmousse, in die später ein Kompott aus Apfel, gerösteten, zerkleinerten Mandeln sowie unter anderem in Stroh-Rum eingelegten Rosinen gefüllt wird. Eine weitere Komponente ist ebenfalls gekühlte Philadelphia-Creme mit Vanille, Zucker und 43er (spanischer Likör). Lesen Sie auch: Das sind die besten Restaurants im Kreis Paderborn Auf den Teller kommen dann eingelegte Apfelkugeln in zwei Größen und genussvoll verfeinert. Dazu dient eine Flüssigkeit aus karamellisiertem Zucker, abgelöscht mit Weißwein und aufgefüllt mit Apfelsaft. Enthalten sind zudem Zimt, Sternanis, Safran und Vanille. Alles zusammen wird gekocht und wieder reduziert. Die kleinen Kugeln werden mit der Flüssigkeit übergossen, die großen kochen ein paar Minuten, ohne dass sie ihren Biss verlieren. Auch ein Thermomix kommt im Balthasar zum Einsatz Pünktchenweise wird ein Apfelgel aus Apfelsaft, Agar-Agar, Zimt und Zucker, das für die richtige Konsistenz auch noch eine Runde in den Thermomix muss, aufgetragen. Etwas Schokoladenerde und Atsina-Kresse mit Anisgeschmack werden drapiert. Und es geht noch weiter. Auf das Kompott kommen noch eine Nocke Vanilleeis (mit Rum abgeschmeckt) und als Hingucker on top Schokoladenpapier. Jedes Detail muss aufwendig vorbereitet werden. Und es muss stimmig sein. &bdquo;Es ist immer die Frage: macht etwas das Gericht besser“, sagt Dessert-Spezialistin Becker. An den drei von Sternekoch Elmar Simon ausgewählten Beispielen zeigt sich der riesige Aufwand. Und für sein fantastisches Essen verlangt er keine Fantasiepreise.

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