„Biedermann und die Brandstifter“ feiert Premiere am Paderborner Theater

Paderborn. Eine umjubelte Premiere feierte das Paderborner Theater mit der tragik-komischen Parabel von Max Frisch &bdquo;Biedermann und die Brandstifter“ im nicht ganz ausverkauften Haus. Der Haarwasserfabrikant Biedermann ist ein Großmaul, voller Angst, ihm, seinem Vermögen und seiner herzkranken Frau Babette könne etwas Böses passieren, denn im Städtchen brechen immer wieder Brände aus – Brandstifter sind am Werk. Und schon bald hat Biedermann die Zwei dafür verantwortlichen Verbrecher buchstäblich selbst am Hals, indem sie sich bei ihm einschmeicheln und eintricksen, den Dachboden okkupieren, um dort in aller Ruhe ihren nächsten Brandanschlag vorzubereiten. Diesmal wird Biedermann selbst betroffen sein, daraus machen die Zwei kein Geheimnis und Biedermann liefert ihnen in seiner Verzweiflung selbst die Streichhölzer, mit denen das Ganze am Schluss in die Luft gejagt wird. So weit die Handlung. Ein Lehrstück am Paderborner Theater Ein &bdquo;Biedermann“ ist laut Definition wahlweise ein Spießbürger, aber auch ein rechtschaffener, ehrenwerter Mensch. Die letzten beiden Adjektive treffen auf Biedermann – von Alexander Wilß großartig, wenn auch ein wenig holzschnittartig dargestellt – sicher nicht zu. Dieser Biedermann ist herzlos zu anderen, dabei feige und unterwürfig seiner Frau und den beiden Brandstiftern gegenüber. Und diese beiden – der prollige Schmitz (Gregor Weisgerber) und der gewiefte, raffinierte Exhäftling Eisenring (David Lukowcyk), nutzen seine charakterlichen Schwächen gnadenlos aus. Lesen Sie auch: Premiere für modernen Klassiker auf der Bühne des Theaters Paderborn Biedermann hat in seiner schwachen Persönlichkeit dem geballt Bösen, dass da auf ihn zu kommt, nichts entgegenzusetzen. Ein Lehrstück – aber was ist die Lehre? Ist es der Glaube, die aus Enttäuschung hoffnungslos angesehene eigene Situation kann nur durch die Macht eines &bdquo;Führers“ verbessert werden? Ist es die Hoffnung, dass es schon nicht so schlimm kommen würde? Woher kommt dieses Wissen, das da Unheil kommen wird, aber man ist unfähig, die Katastrophe zu verhindern? Und schon sind wir in Thüringen, in Sachsen. Die Inszenierung von Katharina Kreuzhage zieht bewusst Parallelen, streckt den Zeigefinger aus: Da sind die Benzinkanister, die das Böse in sich bergen, in strahlendem Blau. Da taucht aus dem Nichts ein Parteiführer auf, der den beiden Verbrechern Anweisungen gibt, sie zusammenstaucht, da ist der junge Polizist, der die Kanister sieht, aber nicht reagiert. Und da ist – ganz wichtig in diesem Stück – der Sprechchor, nicht handelnd, genauso wenig wie ja das Publikum. Er beobachtet, registriert, nimmt wahr. Aber wird er nicht gerade dadurch mitschuldig? Was ist das für eine &bdquo;wehrhafte Demokratie“, bestehend aus Beobachtern, Warnern, aber größtenteils Nichthandelnden? Paderborner Theater gelang eine großartige Interpretation Obwohl die &bdquo;Bösen“ ja völlig offen sagen, was sie erreichen wollen, was sie tun wollen. Es wird sogar zitiert aus Äußerungen von Politikern der Partei mit dem blauen Logo. Ja und? Am Schluss macht es trotzdem Rums. Max Frisch ließ sein Stück erstmalig 1954 in Zürich aufführen. Damals war es ein Erklärungsversuch für das Erstarken der Nazis in den Dreißiger-Jahren. Heute – und das macht diese Parabel so elend aktuell, ist es ein Lehrstück für das Erstarken einer Nachfolgepartei. Dieses Stück müsste Pflichtstück an unseren Schulen sein. Dem Paderborner Theater gelang eine großartige Interpretation. Da ist die Regie mit ihren klugen Einfällen, da ist das geniale Bühnenbild von Ariane Scherpf – fokussiert auf den Bereich der kleinen Drehbühne, da ist neben den drei bereits erwähnten und wirklich großartigen Männern der Besetzung Kirsten Potthoff als Babette Biedermann – hilflos irrlichternd zwischen dem ambivalenten Verhalten des Gatten und den subtilen Einflüsterungen von Schmitz und Eisenring, dabei vielleicht ein wenig zu damenhaft. Und da ist die einzige Person mit eigenem Denken und Handeln, aber gefangen im Abhängigkeitsverhältnis als Dienstmädchen – großartig Julia Katharina Braun als Anna. Hingehen! Die nächste Vorstellung findet am Donnerstag, 12. September, um 19.30 Uhr statt.

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