„Patienten früher aufklären“: Paderborner Ärzte kritisieren neue Vorsorge-Pläne

Paderborn. Nicht nur deutschlandweit, sondern auch in Paderborn sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache. Kreisweit starben im vergangenen Jahr 463 Menschen an diesen Krankheiten. Um weiter vorzubeugen, wurde im Bundeskabinett das &bdquo;Gesundes-Herz-Gesetz“ verabschiedet. Der Gesetzentwurf, mit dem sich nun der Bundestag beschäftigen muss, setzt genau bei Herz- und Kreislauf- sowie Stoffwechselerkrankungen und deren Vorsorge an. Es sieht vor allem erweiterte Vorsorgestrukturen und mehr Möglichkeiten für schnellere, medikamentöse Therapien – etwa mit Cholesterinsenkern –vor. Bei Erwachsenen soll es unter anderem mehr regelmäßige Herz-Kreislauf-Check-ups geben, Kinder wiederum sollen auf vererbte Stoffwechselstörungen untersucht werden. Kapazitäten der Praxen begrenzt Nicht nur bundesweit und von den Krankenkassen, sondern auch von Paderborner Ärzten wird der Entwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach kritisch gesehen – sogar von Kardiologen. &bdquo;Anstatt in weitere Vorsorgen zu investieren, sollte das Geld in mehr Forschung fließen“, sagt Kristian Bröckling, der in Paderborn seine kardiologische Praxis betreibt. Dort behandelt er vor allem Patienten mit akuten Problemen, es gibt jedoch auch einige Vorsorgefälle. &bdquo;Ich bin außerdem immer nur dann für Medikamente, wenn dafür wirklich Gründe vorliegen. Vor allem bei jungen Menschen ist das nicht belegt.“ Lesen Sie hierzu auch: Häufigste Todesursachen: Daran sterben die Menschen im Kreis Paderborn Den Grund für eine hohe Zahl an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sieht auch Andreas Schärtl, Chefarzt der Kardiologie im Brüderkrankenhaus, nicht in den mangelnden Möglichkeiten zur Vorsorge. &bdquo;Die Vorsorge wird in der Bevölkerung einfach nicht richtig wahrgenommen.“ Im Kern seien es etwa 15 Prozent der Männer und rund 30 Prozent der Frauen, die die Vorsorge tatsächlich wahrnähmen. &bdquo;Man sieht also: Die Angebote dafür sind da, sie werden nur einfach nicht genutzt“, sagt Schärtl. Neben ohnehin wenig genutzten Vorsorgestrukturen sorgt eine Erweiterung dieser auch aus einem anderen Grund für Kritik bei den Medizinern: die Kapazitäten. Höherer Stellenwert für Patientenaufklärung Ulrich Polenz, Hausarzt und Paderborner Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) sowie Vorsitzender des Paderborner Praxisnetzes, sieht hier erhebliche Probleme: &bdquo;Eine Reihe von Patienten würde die zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen sicher in Anspruch nehmen wollen. Diese Kapazitäten hat aber so gut wie keine Praxis. Es ist ja jetzt schon so, dass viele kaum an Termine kommen.“ Bröckling bestätigt das für seine kardiologische Facharztpraxis. &bdquo;Die Kapazitäten sind nahezu erschöpft“, sagt der Mediziner. Auch mit Blick auf die Zukunft werde das nicht einfacher, prognostiziert Chefarzt Schärtl. Die Ärzte würden immer älter und durch Renteneintritte weniger, sagt er. Das sei für vermehrte Vorsorgen ebenfalls hinderlich, sodass auch in den medizinischen Nachwuchs investiert werden müsse. Lesen Sie hierzu auch: &bdquo;Gesundes-Herz-Gesetz“: Mit diesem Plan sorgt Lauterbach für Ärger Zusätzliche Vorsorgestrukturen zu schaffen, hält auch Schärtl für die falsche Herangehensweise. &bdquo;Man muss anders ansetzen. Die Patienten müssen aufgeklärt werden und sich über einen gesunden Lebensstil bewusst werden.“ Wie könnte das praktisch aussehen? &bdquo;Gegen Risikofaktoren wie zum Beispiel das Rauchen muss früh angearbeitet werden.“ Eine frühe Gesundheitserziehung, zum Beispiel in der Schule, sei da angebracht, sagt Schärtl. Neue Medien für gesundheitliche Aufklärung nutzen Der Meinung ist auch Polenz. Ein Schulfach für das Nahebringen gesundheitlicher Faktoren hält auch er für eine gute Idee, besonders in Zeiten sozialer Medien. &bdquo;Auf Social Media kann sich jeder äußern, auch zu Gesundheitsthemen.“ Die Nutzung neuer Medien und auch des Fernsehens für mehr gesundheitliche Aufklärung sieht Polenz anstelle neuer Vorsorgestrukturen als die sinnvollere Investition. Eine Auseinandersetzung der Menschen mit ihrer eigenen Gesundheit hält er wiederum für die notwendige Basis, an der es vielen fehle. &bdquo;Die Verantwortung sollte nicht an Medikamente abgegeben werden, sondern bei jedem selbst anfangen“, sagt er.

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