Nachruf auf Andrea Brockmann

Ein Leben für die Kunst: Paderborns Museumschefin ist gestorben

Andrea Brockmann hat als Leiterin die fünf städtischen Museen und Galerien in Paderborn neu ausgerichtet und stärker zusammengeführt. Sie wurde nur 53 Jahre alt.

Andrea Brockmann war Leiterin der städtischen Museen und Galerien. Jetzt ist sie im Alter von 53 Jahren gestorben. | © Holger Kosbab

Holger Kosbab
03.03.2024 | 03.03.2024, 18:39

Paderborn. Andrea Brockmann hatte in Paderborn viel vor und in den gut fünf Jahren ihres Schaffens als Leiterin der Paderborner Museen und Galerien auch einiges erreicht. Sie wollte die städtischen Ausstellungshäuser breiter aufstellen, Kunst über Themen an die Menschen bringen. Der Anfang war gemacht – zuletzt mit der großen Schau „Panta Rhei – Wasser bewegt“. Zugleich endet damit ihr Schaffen. Am 28. Februar ist Brockmann im Alter von 53 Jahren gestorben.

Im Oktober 2018 war die Kunsthistorikerin im Alter von 48 Jahren als Nachfolgerin der langjährigen Museumschefin Andrea Wandschneider vorgestellt worden, die Ende März 2019 in den Ruhestand ging. Ab da lag die Leitung der städtischen Museen und Galerien komplett in ihrer Hand: Stadtmuseum, Residenzmuseum, Städtische Galerie in der Reithalle Schloß Neuhaus, Kunstmuseum und Naturkundemuseum im Marstall sowie Sammlung Nachtmann.

In der Paderborner Kulturszene und darüber hinaus war Brockmann da längst bekannt. Schließlich assistierte sie Kuratorin Ingrid Raschke-Stuwe beim ersten „Tatort“-Projekt zum Thema „Himmlische Macht und Irdische Mächte“ im Jahr 2007. Damit hatte es Paderborn seinerzeit auf die Deutschlandkarte für Kunst im öffentlichen Raum geschafft. Auch an der Universität Paderborn war sie bereits tätig, von 2008 bis 2010 hatte sie dort im Bereich Kunst Lehraufträge.

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Selbst studiert hatte Brockmann Neuere Geschichte, Kunstgeschichte und Kommunikationswissenschaften an der Uni Münster. Im Jahr 2005 folgte ihre Promotion. Vor ihrem Wechsel an die Spitze der Paderborner Museen war sie unter anderem für den Kreiskunstverein Beckum-Warendorf und das Kulturbüro der Stadt Schmallenberg tätig.

Den Menschen die Kunst näherbringen

Ihre Schwerpunkte waren die Bildende Kunst und Public Art – also Kunst im öffentlichen Raum. Zum Start in der Reithalle als Paderborns wichtigstem Platz für Kunst zeigte Brockmann „Building the Garden“. Diese Ausstellung sollte ein guter Fingerzeig sein für die Kunst, die sie den Menschen näherbringen wollte. Kunst fast zum Anfassen. Kunst, zu der auch Besucher einen Zugang finden konnten, die in den Jahren zuvor von großen Namen eher abgeschreckt als angelockt wurden. Kunst, die leichter, variabler und auch überraschender daher kam.

Sie öffnete vor allem die Reithalle: Aus einem Ort des individuellen Kunstgenusses wurde ein Ort der Kommunikation und Diskussion, ja der Lebendigkeit. Brockmann vertrat die Meinung, dass eine Galerie am öffentlichen Diskurs teilnehmen müsse, weshalb die gesamte Breite der Kunst aufgegriffen werde.

Im Gespräch zu ihrem Einstieg in Paderborn sagte sie, dass sie von Schmallenberg und damit aus der Westfalenliga in die 2. Liga wechsele. In fünf Jahren wolle sie wie der SCP in die 1. Liga der Museen. Sie wollte Paderborns Ausstellungshäuser zu einer in NRW bekannten Museumsmarke machen. Nun ist der SCP aktuell zweitklassig – was auch für die Paderborner Museumslandschaft zutrifft. Die fünf Jahre haben nicht gereicht. Egal – denn Brockmann hat es in jedem Fall geschafft, das Profil zu ändern und dem Ausstellungsbereich einen neuen Anstrich und Zugang zu verpassen.

Neue Gruppen erreicht

Sicher sind einige Kunstfans weggeblieben, als mit dem Weggang der Vorgängerin Wandschneider auch der Fokus auf klassische Kunstgeschichte – mit der Schau „Die Brueghel-Familie“ im Frühjahr 2015 als Höhepunkt – verschwand. Brockmann lag dagegen viel an der Präsentation von expressionistischer und besonders Gegenwartskunst – gerne auch mit Textil- oder Keramikanteil. Womit sie wiederum neue Gruppen erreicht hat.

Von Beginn an wollte Brockmann, dass die Museen stärker eine Einheit bilden. Was ihr gelang. Mit „Get dressed! Das Kleid in Geschichte, Kunst und Natur“ wurde 2020, mitten im ersten Corona-Sommer, erstmals ein Thema in allen fünf städtischen Museen präsentiert. Erst kürzlich endete der zweite Fünfteiler „Panta Rhei – Wasser bewegt“. Die Finissage war ihr letzter öffentlicher Auftritt als Museums- und Galerieleiterin.

Trotz jahrelanger schwerer Erkrankung war sie stets positiv gestimmt und nahm sich bei der Arbeit nicht zurück. Denn ihr Leben hatte sich im Jahr 2009 durch eine Querschnittsmyelitis, eine schwerwiegende Entzündung des Rückenmarks, massiv verändert. Konnte sie anfangs noch einige Schritte laufen, ging dies immer schlechter und schließlich gar nicht mehr. Alles Erdenkliche der Alternativ- und Schulmedizin probierte sie aus, bis sie es pragmatisch sah und Hilfsmittel nutzte.

Erst kürzlich starb ihr Mann

Andrea Brockmann lebte mit dem Künstler Ulrich Möckel in Beckum, wo sie am 10. Juli 1970 auch geboren worden war. Viele Jahre war ihr Mann auch ihr Begleiter. Nachdem er selbst erst vor Kurzem, am 6. Februar, im Alter von 74 Jahren einem schweren Leiden erlag, fehlte wohl auch ihr die Kraft. Bis zuletzt war sie an seiner Seite, genau wie er zuvor an ihrer.

Gemeinsam mit ihrem Mann wird sie im engsten Familienkreis im Ruheforst Coesfeld beigesetzt.

Trauer im Kulturamt

Kulturamtsleiter Maximilan Zindel zeigte sich gegenüber der „NW“ tief betroffen: „Mit Andrea Brockmann verliert die Stadt Paderborn eine fachlich äußerst versierte Museumsleiterin, die sich darin verstand, das Kunstmuseum sowie die städtische Galerie in der Reithalle mit einer außergewöhnlichen Programmatik der modernen, performativen und expressionistischen Kunst zu gestalten.“ Die Kolleginnen und Kollegen des Kulturamtes würden aber vor allem über den persönlichen Verlust trauern, so Zindel. Als Kollegin und Führungsperson habe Andrea Brockmann zutiefst durch ihren unermüdlichen Gestaltungswillen und ihre unvergleichliche Meinungsstärke beeindruckt. Zindel: „Wir, das Team des Kulturamtes, werden ihr Andenken bewahren. Unser Mitgefühl jedoch gilt vor allem ihrer Familie und engsten Angehörigen.“