Nationalpark Egge: Entscheiden bald die Bürger im Kreis Paderborn?

Kreis Paderborn. Ende Januar konnten die Befürworter des Nationalparks Egge dem Kreistag ihr erfolgreiches Bürgerbegehren mit den nötigen Unterschriften überreichen. Im März wird das Begehren dem Kreistag vorgestellt. Wenn sich dieser – wie erwartet – dagegen stellt, kommt es zum Bürgerentscheid. Die Macht liegt dann beim Bürger – fast wie in der Schweiz. Beim Entscheid über eine Nationalpark-Bewerbung der Egge steht die Hoffnung auf mehr Naturschutz und Tourismus unter anderem der Sorge um wirtschaftliche Schäden durch Verluste in Land- und Forstwirtschaft gegenüber. Das Thema ist vielschichtig. Gegner der direkten Demokratie zweifeln bei solch komplexen Sachverhalten oft an der Eignung des Bürgerentscheids als demokratisches Mittel. Die Forstwirtin Johanna Dreps-Kahl aus Blankenrode gehört zu den Gegnern des Nationalparks. Sie berichtet, dass auch sie erst skeptisch war, ob die Entscheidung über einen Nationalpark in den Händen der Bürgerinnen und Bürger liegen sollte. Mittlerweile hat sich ihre Meinung jedoch geändert: &bdquo;Jetzt wollen wir den Bürgerentscheid auch.“ Er biete die Möglichkeit, den Abstimmenden ein möglich breites Bild über den Sachverhalt zu vermitteln. Im Bürgerbegehren sei ihre Seite außerdem noch gar nicht zu Wort gekommen. &bdquo;Man konnte ja schließlich nur für den Nationalpark unterschreiben“, sagt Dreps-Kahl. Gegner starten auch Infokampagne Die Gegner des Nationalparks würden sich deshalb jetzt bereitmachen, um ebenfalls eine Infokampagne zu starten. &bdquo;12.000 Menschen haben im Kreis Paderborn unterschrieben. Das heißt, wir sprechen hier von vier Prozent der Gesamtbevölkerung“, erklärt die Forstbesitzerin. &bdquo;Die restlichen 96 Prozent sind zwar nicht automatisch dagegen, allerdings auch nicht automatisch für den Nationalpark.“ Am Ende käme es auch darauf an, wie viele Bürger tatsächlich zur Abstimmung gehen. Der Kreis Paderborn sei groß und nicht alle direkt von einem potenziellen Nationalpark Egge betroffen, fügt Dreps-Kahl hinzu. Das könnte tatsächlich ein Grund für das Scheitern eines Bürgerentscheids sein. Mindestens 15 Prozent der Stimmberechtigten im Kreis Paderborn müssen zur Abstimmung gehen und dadurch eine Mehrheit erzeugen. Die Befürworter müssten also rund 40.000 Ja-Stimmen und damit die Mehrheit erhalten. Gäbe es zwar eine Mehrheit, doch die Zahl der Ja-Stimmen läge unter den nötigen rund 40.000, fiele der Bürgerentscheid durch. Wie repräsentativ ist also eine Abstimmung, bei der sich so wenige wahlberechtigte Bürger beteiligen? Zum Vergleich: Als bei den NRW-Landtagswahlen 2022 die Wahlbeteiligung bei 55,5 Prozent lag, waren der Aufschrei und die Sorge um Demokratieverdrossenheit groß. In NRW lag die Beteiligung bei Bürgerentscheiden zuletzt bei durchschnittlich 29,01 Prozent. Bürgerentscheide scheiterten an Mindestbeteiligung Die Daten des Vereins &bdquo;Mehr Demokratie“ zeigen, dass 2023 elf Bürgerentscheide in NRW durchgeführt wurden. Fünf davon scheiterten an der Mindestbeteiligung. Der Verein fordert die Gleichsetzung von Wahlen und Bürgerentscheiden – und eine Abschaffung des Quorums. &bdquo;Manche Themen betreffen nun mal nicht alle Menschen“, rechtfertigt Achim Wölfel, Landesgeschäftsführer von &bdquo;Mehr Demokratie“ NRW. Es gebe demnach auch keine pauschal gute oder schlechte Wahlbeteiligung. Diese müsse immer individuell beurteilt werden. Auch eine mögliche Gefahr für Minderheiten durch Bürgerentscheide sieht er nicht gegeben: &bdquo;Themen, die das Grundgesetz betreffen, sind in Deutschland grundsätzlich von Bürgerentscheiden ausgeschlossen. Außerdem haben wir in Deutschland das Bundesverfassungsgericht, das diskriminierende Gesetze kippen kann.“ Der Vergleich mit der Schweiz hinke deshalb. Eine solch juristische Instanz gibt es dort nämlich nicht. Im Nachbarland sind Volksabstimmungen ein wichtiges Element des politischen Systems der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Urnenwahl nicht automatisch demokratischer Es bleibt abzuwarten, wie hoch die Beteiligung bei einem Bürgerentscheid zur Egge sein wird. Jeder Stimmberechtigte erhält die Briefwahlunterlagen per Post und kann per Briefwahl abstimmen. Etwa 300.000 Euro wird das den Kreis nach eigener Schätzung kosten. Eine Summe, die in Zeiten des Sparkurses nicht jeder Bürger befürwortet. Wäre eine Urnenwahl nicht günstiger? &bdquo;Nein“, teilt der Kreis Paderborn auf Anfrage der &bdquo;NW“ mit. Die Kosten für den Entscheid würden von den Kosten der letzten Kommunalwahl abgeleitet, erklärt der Kreis Paderborn. Dabei sei jedoch ein Abschlag verrechnet worden, da lediglich eine Briefwahl erfolge und keine Wahllokale finanziert werden müssten. Laut Angaben von &bdquo;Mehr Demokratie“ ist eine reine Urnenwahl außerdem nicht automatisch demokratischer. &bdquo;Ideal wäre eine Kombination aus beidem: also Urnen- und Briefwahl“, sagt Achim Wölfel. Dabei sei es jedoch wichtig, dass die Unterlagen zur Briefwahl automatisch versandt werden, damit die Bürgerinnen und Bürger diese nicht noch zusätzlich beantragen müssen. In Paderborn ist das der Fall, in NRW insgesamt selten. Laut Wölfel ist die Lage nur in zehn anderen Kreisen so fortschrittlich.

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