Kosten von über 1 Million Euro: Extremfall für Jugendhilfe der Stadt Paderborn

Paderborn. Controllingberichte stehen nicht selten für trockenes Zahlenmaterial, im Falle der wirtschaftlichen Jugendhilfe des Jugendamtes stehen sie jedoch auch für Schicksale von Kindern. Mit rund 42,65 Millionen Euro im Jahr 2023 verzeichnet das städtische Jugendamt einen Höchstwert an Leistungen. Ein besonderer Einzelfall bildet zudem eine absolute Ausnahme. Mehr Kosten Im Vergleich zum Vorjahr sind die Kosten um 6,5 Millionen Euro gestiegen. Besonderen Einfluss haben die Betreuung der sogenannten Unbegleiteten Minderjährigen Ausländer (UMA) mit 2,16 Mio. Euro und der Anstieg der Kosten im Bereich der wirtschaftlichen Jugendhilfe (4,34 Mio. Euro). Die Steigerungsrate liegt mit knapp 18 Prozent deutlich über dem Mittelwert der Vorjahre (9,2 Prozent). Besonders hohe Steigerungsraten verzeichnen die Bereiche UMA (+120 Prozent), die übrige wirtschaftliche Jugendhilfe (+12,6 Prozent), außerdem gibt es die höchsten Kostensteigerungen seit dem Jahr 2016 in der ambulanten Hilfe (+11 Prozent) und der stationären Hilfe (+22,7 Prozent) zu verzeichnen. Durch die zu erwartenden Landeszuweisungen für die UMA sei für das laufende Jahr in der Bilanz mit einer anderen Entwicklung zu rechnen, so die Einschätzung von Michael Beine. Weniger Fälle Mit insgesamt 1.811 Fällen betreut das Jugendamt leicht weniger als im Vorjahr (-1,2 Prozent). Der Großteil liegt in der Tagesbetreuung (45,3 Prozent), gefolgt von stationärer Hilfe (24 Prozent), ambulanter Hilfe (15,3 Prozent), wobei sich eine Verschiebung zu mehr stationären Hilfen zur Erziehung (HZE) fortsetze. 14,6 Prozent der Fälle entfallen auf die ambulante Eingliederungshilfe und zu einem geringen Teil auf die stationäre Hilfe (0,8 Prozent). Inobhutnahmen Durch die Inobhutnahme der UMA ergeben sich für das Jugendamt in diesem Bereich höhere Kosten. Insgesamt steigen sie um 430.000 Euro (+50 Prozent), wobei die Aufwendungen für UMA 340.000 betragen. Insgesamt liegen sechs Inobhutnahmen weniger vor als im Vorjahr, davon drei UMA. Die durchschnittliche Dauer einer Inobhutnahme sollte 30 Tage umfassen, der tatsächliche Durchschnitt liegt allerdings bei 74 Tagen. Wie es dazu komme, wollte Wilfried Fuchs (FDP) erfahren. Die Fälle seien oftmals komplex mit verschiedenen Aspekten. Im Gegenzug seien die Einrichtungen stark nachgefragt und die Angebote eingeschränkt, erklärte Jugendamtsleiterin Anne Teubert. Die stationären Eingliederungshilfen sind zwar in der Fallzahl um 20 Prozent zurückgegangen (14 Fälle), jedoch legen die Kosten mit 417. 000 Euro (+20 Prozent) auch hier deutlich zu. Besonders ein Fall, der mit 1,2 Millionen Euro zu Buche schlägt, erweist sich dabei als extrem teuer. Insgesamt hätten sich die Inflation und die Tarifabschlüsse in 2023 in nahezu allen Bereichen der Hilfegruppen und bei den Einzelfallkosten bemerkbar gemacht, so Beines Fazit. Außerdem müsse man vermehrt Individualvereinbarungen mit Trägern abschließen, um Einzelfälle betreuen zu können. Im Bereich der stationären HZE und Inobhutnahmen fehle es Unterbringungsmöglichkeiten, was die Situation verschärfe. Ausnahmesituation Um Erläuterung zu einem im Vortrag genannten Extremfall bat Georg Ortwein (CDU). Anne Teubert verwies auf eine Ausnahmesituation, einen solchen Fall habe sie noch nicht erlebt. Zum Hintergrund dieses Falls zähle zusätzlich eine langwierige juristische Auseinandersetzung darüber, welche Unterbringungs- und Therapieform für dieses Kind angebracht sei. Ohne auf weitere Details einzugehen, beschrieb Teubert die Situation. Es handele sich um ein schwerst und mehrfach traumatisiertes Kind, welches seit etwa drei Jahren in der Obhut des Paderborner Jugendamtes sei. Zuvor war das inzwischen etwa 14 Jahre alte Kind in einer Jugendpsychiatrie untergebracht. In einer Zwei-zu-Eins-Betreuung werde das Kind inzwischen rund um die Uhr begleitet. Die Betreuung erfolge zudem in einer anderen Kommune. Da bei dem Teenager sowohl eine Eigen- als auch Fremdgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne, sei außerdem eine zusätzliche Begleitung durch Mitarbeitende eines Sicherheitsdienstes notwendig. So komme es zu den entsprechend hohen Kosten. Kindeswohlgefährdungen Im Jahr 2023 wurden dem Jugendamt insgesamt 623 Kindeswohlgefährdungen gemeldet (+2 Prozent). Von diesen Meldungen bestätigten sich 247 Fälle (-9 Prozent), bei denen konkrete Maßnahmen erfolgten. Insgesamt liege das Niveau der Meldungen seit 2019 auf einem ähnlich hohen Niveau. Dies liege unter anderem an einem gesteigerten Bewusstsein des Themas in der Bevölkerung, erklärte Anne Teubert auf Nachfrage von Björn Bause-Engel (Grüne). Die Hauptquelle der Meldungen erfolge jedoch über die Polizei, Kitas oder Schulen. In den Fällen, wo sich der Verdacht nicht bestätige, könne in anderer Form Unterstützung notwendig sein, entsprechende Angebote stellten die Mitarbeitenden des Jugendamtes dann vor.

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