WOL-Geschäftsführer zieht Hochwasser-Bilanz: „In Schloß Neuhaus war es knapp“

Herr Karthaus, in den letzten Jahren hat der Wasserverband Obere Lippe (WOL) viele Maßnahmen an den Flüssen und Bächen durchgeführt, wo haben die Renaturierungen auch beim Hochwasser gut gegriffen? Volker Karthaus: Für eine Verlangsamung des Hochwasserabflusses und einen entsprechenden Rückhalt in der Fläche, der Fachbegriff ist Retention, benötigt man größere Auenflächen. Dementsprechend haben viele großflächigen Renaturierungsmaßnahmen eine entsprechende Wirkung gehabt. Wo genau? Das ist die Renaturierung der Lippe am Tallehof bei Marienloh auf gut 25 Hektar, die Renaturierung des Quellgebiets am Gellinghauser Bach bei Borchen auf 3,5 Hektar und natürlich die verschiedenen Renaturierungen an der Altenau zwischen Etteln und Henglarn, unterhalb des Hochwasserrückhaltebeckens bei Husen und auch im Becken auf etwa 16 Hektar – das liegt im Stauraum des Beckens und das hat natürlich eine deutlich höhere Wirkung. Auch die Renaturierungsmaßnahmen der Altenau unterhalb Blankenrode, am Holtheimer Bach oberhalb der Annenkappelle und an der Sauer im Stauraum des Hochwasserrückhaltebeckens bei Sudheim auf gut 30 Hektar sowie an der Alme bei Ringelstein auf 40 Hektar haben gut funktioniert. Sie haben intern schon eine Bilanz gezogen. An welchen Stellen müsste man die schon getätigten Maßnahmen noch verbessern oder gegebenenfalls ändern? Grundsätzlich haben sich alle lokalen Hochwasserschutzmaßnahmen bewährt – zum Beispiel in Büren, Brenken oder in Neuenbeken. Im Bereich Schloß Neuhaus haben die Maßnahmen auch gegriffen, aber es war knapp. Dort müssen wir noch mal prüfen, ob und wie eine Verbesserung des vorhandenen Hochwasserschutzes möglich ist. Wie wichtig waren die Hochwasserrückhaltebecken über Weihnachten und Neujahr? Die Hochwasserrückhaltebecken waren das wesentliche Element, um die Abflüsse in den Gewässern zu reduzieren und die bebauten Bereiche zu schützen. Wir haben in sieben Rückhaltebecken insgesamt vier Millionen Kubikmeter Wasser zurückgehalten. Ohne diese Maßnahme wären sehr wahrscheinlich mindestens hohe Sachschäden durch das Hochwasser verursacht worden. An welchen Stellen sollte dringend etwas getan werden. Wo laufen bereits Planungen, wo empfiehlt der WOL weitere Maßnahmen zum besseren Hochwasserschutz? Planungsvorhaben in sehr unterschiedlicher Projekttiefe bestehen an verschiedenen Stellen. Höchste Dringlichkeit ist in Dahl. Aber auch in Bad Lippspringe, Delbrück, Schloß Neuhaus an der Alme und Pader sowie in Borchen müssen wir etwas machen und sind auch schon in den Planungen. Das nächste Hochwasser dürfte aufgrund des Klimawandels nicht erst in 50 Jahren wiederkommen. Sehr wahrscheinlich nicht. Das letzte größere Hochwasser hatten wir im Kreis Paderborn 2007. Die Klimamodelle sagen voraus, dass es künftig mehr Regenereignisse, auch starke langgezogene, im Winter geben wird und auch längere Trockenphasen im Sommer. Es gibt auch Kritik von Land- und Forstwirten, dass zu viel Totholz (vor allem dicke Bäume, Äste) in den Gewässern liege und das zu mehr Überschwemmungen führe. Hätte hier und da eine vorzeitige Entnahme von großen Stämmen nicht geholfen? Der WOL ist für die Unterhaltung von 510 Kilometer Bächen und Flüssen zuständig. Bei der Unterhaltung muss die gesetzlich geforderte Abwägung zwischen dem sogenannten ordnungsgemäßen Wasserabfluss und der Erhaltung und Erreichung eines guten ökologischen Zustands erfolgen. Innerorts hat der Wasserabfluss eindeutig den Vorrang. Außerorts in den Auen müssen wir bei jeder Unterhaltungsmaßnahme – auch dem Belassen des Totholzes im Bach – abwägen. Neben der Verbesserung der naturnahen Gewässerstrukturen hat das Totholz an kleineren Bächen auch eine abflussbremsende Wirkung, die den Ortslagen gegebenenfalls zu Gute kommt. Bei den angesprochenen Bäumen oberhalb von Borchen haben wir uns für das Belassen entschieden und hatten vorgesehen eine Entlastungsmulde auf der Fläche des Landesforstes anzulegen. Die Maßnahme wurde mit dem Forst und der Unteren Wasserbehörde abgestimmt, konnte aber im Herbst auf Grund der Niederschläge baulich nicht umgesetzt werden. Das werden wir bei geeigneter Befahrbarkeit der Fläche nachholen. Grundsätzlich versuchen wir durch den Kauf von Auenflächen den Konflikt zwischen intensiver landwirtschaftlicher Auennutzung – Acker statt zum Beispiel extensivem Grünland – und Gewässer- und Hochwasserschutz zu entschärfen. Können Landwirte, deren Saat durch das Hochwasser zerstört wurde, auf eine Entschädigung hoffen? Vorweg: Alle vom Hochwasser betroffenen Flächen liegen in bekannten Überschwemmungsgebieten. Das müsste den Eigentümern oder Pächtern bekannt sein. In Sachen einer möglichen Entschädigung bin ich aber nicht der richtige Ansprechpartner.

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