Paderborns Landrat Christoph Rüther im Interview: „Ich bin verliebt in unsere Region“

Herr Rüther, Sie wurden 2020, also mitten in der Pandemie, zum neuen Landrat des Kreises Paderborn gewählt. Das war sicherlich nicht ideal für den Einstieg in das neue Amt. Dann kamen noch der Ukraine-Krieg und die Energiekrise. Wie sehr hat das den eigentlichen Arbeitsablauf in der Verwaltung erschwert? Christoph Rüther: Ich liebe und schätze den persönlichen Kontakt mit Menschen. Deshalb war es auch mein großer Wunsch, mich in den ersten Tagen bei den Führungskräften persönlich vorzustellen. Allerdings waren Gespräche mit dem Personal nicht einfach. Es waren schon erschwerte Bedingungen, um überhaupt in den normalen Alltagsablauf einzutauchen. Meine ersten Amtshandlungen drehten sich um den Aufbau eines Impfzentrums. Außerdem war im Gesundheitsamt dafür zu sorgen, dass wir gut erreichbar waren. Wir beschäftigten dort zwischenzeitlich rund 100 Leute, die sich nur um eingehende Telefonate kümmerten. Parallel musste ich aufpassen, dass uns trotz der Ausnahmesituation keine &bdquo;Bälle“ herunterfallen. Neu im Amt will man auch viel bewirken. Was konnten Sie bisher umsetzen oder zumindest ins Laufen bringen? Am Anfang war der Flughafen eine besondere Herausforderung. Es hat Landkreise gegeben, die uns verlassen haben. Ich habe mich um eine neue Geschäftsführung und um die Rahmenbedingungen für nachhaltigen Erfolg gekümmert. Auch den Neubau des Gebäudes E am Kreishaus haben wir fertiggestellt. Der neue Bauhof war ebenfalls ein Großprojekt. Zudem haben wir das Thema Digitalisierung nach vorne getrieben. Einmal hier im Haus, in dem aktuell etwa 80 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch im Homeoffice arbeiten können. Und wir haben auch die Schuldigitalisierung spürbar vorangetrieben. Unter dem Motto &bdquo;Schlanker, klarer und zeitgemäßer“ habe ich die Umgestaltung unserer Verwaltung eingeleitet. Thema Homeoffice. Gibt es da eine feste Regelung im Kreishaus? Unsere Regelungen sind offen und relativ einfach gehalten. Die Dienstvereinbarung hat nur vier Seiten. Das Klima unseres Hauses ist geprägt von Vertrauen und Eigenständigkeit. Natürlich muss der Bürger immer jemanden erreichen können. Meine Wahrnehmung ist: Es funktioniert super. Was haben Sie noch neu eingeführt? Wir treffen uns halbjährlich mit Jugendlichen im Kreishaus, beim jüngsten Treffen waren 40 Teilnehmende dabei. Das läuft unter der Überschrift &bdquo;Jugendbeteiligungskonferenz“. Wir diskutieren viele Themen gemeinsam – wie zum Beispiel das Klima oder die Schulbus-Situation. Mir geht es darum, junge Menschen einzubinden und von ihnen direkt zu erfahren, wie sie die Themen sehen. Ich lasse mir auch hier sehr gerne Feedbacks geben. Zudem haben wir bei der Polizei eine Fahrradstaffel eingeführt, was landesweiten Vorbild-Charakter hat. Zusammengefasst waren es für mich drei spannende und schöne Jahre. Sie waren vorher fünf Jahre Bürgermeister der Stadt Bad Wünnenberg. Wie unterscheidet sich die Arbeit als Landrat von der als Bürgermeister? Ich war ein sehr glücklicher Bürgermeister und habe diese Aufgabe sehr gerne wahrgenommen. Als eine Nachfolge auf der Position des Landrats erforderlich war, bin ich von zahlreichen Parteifreunden darauf angesprochen worden. In meiner neuen Position muss ich den gesamten Kreis Paderborn im Blick haben. Auch die Anliegen sind viel breiter gefächert. Wenn ich vor Ort bin, möchte ich mit möglichst vielen Menschen in den direkten Austausch kommen. Sie kannten einige Bürgermeister noch als Kollegen. Als Chef der Kreisverwaltung müssen Sie nun aber die Interessen des Kreises vertreten. Gab es Momente, in denen Ihnen der Rollenwechsel zum Landrat schwergefallen ist? Wir pflegen weiterhin eine sehr gute Zusammenarbeit und einen sehr wertschätzenden Kontakt. Einmal im Jahr besuche ich jeden Bürgermeister persönlich. Dann besprechen wir die Themen der Kommune und der angeschlossenen Orte. Ich wünsche mir, dass ich bei Problemen direkt angesprochen werde. Aktuell ist der Haushaltsplan mit der gestiegenen Kreisumlage natürlich ein großes Thema, wir haben aber schon sehr früh die Kommunen darüber informiert. Unser Auftrag ist es, dafür zu sorgen, dass es den Kommunen und den Menschen vor Ort gut geht. Zu viel Bürokratie wird der Kreisverwaltung oft vorgeworfen. Sie haben im Kreishaus einige personelle Umstrukturierungen vorgenommen, unter anderem verzichten Sie künftig auf einen Kreisdirektor. Wird in dieser Hinsicht noch mehr im Kreishaus passieren? Die Umstrukturierungen sind abgeschlossen. Wir haben jetzt eine sehr gute Basis gefunden. Wichtig ist, dass man die Menschen dabei mitnimmt. Wir durchleuchten alle Ämter mit Blick auf eine klare Zielsetzung: Was können wir besser machen? Wir sind hier gemeinsam auf einem sehr guten Weg. Dazu gehört auch die Digitalisierung innerhalb der Kreisverwaltung. Sie sind als Landrat auch Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens, aber Sie sind auch bei anderen Fortbewegungsmitteln mit im Boot und haben auch das Problem ÖPNV zur Chefsache gemacht. Kein leichtes Thema. Gibt es da schon Fortschritte zu vermelden? Wir haben schon einiges verändert. Beispielsweise haben wir in den Bussen Zählgeräte eingebaut, damit wir exakte Nutzerzahlen erhalten. Darüber hinaus haben wir einen On-Demand-Verkehr – also einen ÖPNV auf Anforderung – in mehreren Kommunen etabliert. Es kommt darauf an, den ÖPNV bedarfsorientiert auszurichten und gleichzeitig bezahlbar zu halten. Dabei brauchen wir Unterstützung von vielen Seiten, die erreichten Meilensteine führen in die richtige Richtung. Nicht nur der Haushaltsplan der Bundesregierung, auch die der Kommunen sehen nicht rosig aus. Obwohl Sie beim Kreishaushalt den Kommunen schon entgegengekommen sind, sind die gestiegenen Kreisumlagen die größten Belastungen – auch in den kommenden Jahren. Wie kann der Kreis da gegensteuern? Wir werden die Verwaltung im Kreishaus verschlanken. Aber es gibt auch klare Grenzen, vor allem im Jugendamtsbereich dürfen wir nicht sparen. Auch die Steigerung der Personalkosten können wir nicht beeinflussen. Auch die sozialen Themen lassen sich nur bedingt beeinflussen. Ich möchte Freiräume für Kreativität und Gestaltung schaffen. Aktuell wird heiß um einen möglichen Nationalpark Egge gestritten. Ihre Partei, die CDU, hat sich mehrheitlich klar dagegen ausgesprochen. Ihr Ziel als Landrat war aber unter anderem auch Ausbau des Klimaschutzes und Stärkung des Tourismus. Eigentlich wäre ein Nationalpark dafür doch ideal, oder? Es gibt verschiedene Konzepte, um diese Themen anzugehen. Das muss nicht zwingend ein Nationalpark sein. Es gäbe auch andere Möglichkeiten. Unabhängig vom Bürgerbegehren gilt es auszuloten, was für unsere Region mittel- und langfristig die beste Lösung ist. Natürlich ist hier der Wille der Bürgerinnen und Bürger entscheidend. War die Politik eigentlich immer schon Ihr Ziel? Schließlich waren Sie ja vorher lange bei der Telekom im Management in leitender Position tätig. Politik war nicht mein Ziel. Ich war im Ort immer aktiv, war Schützenoberst und habe auch kommunalpolitische Themen verfolgt. Schließlich bin ich von verschiedenen Seiten angesprochen worden, ob ich mir ein Engagement vorstellen könnte. Ich wollte immer etwas für meine Heimat tun. Das hat mich dazu bewogen, in die Politik zu gehen. Schnell habe ich gemerkt, dass es mir Freude macht. Dann habe ich meinen Hut in die Bewerbung zum Bürgermeister geworfen. &bdquo;Das macht den Job als Landrat durchaus leichter“ Hat Ihr früherer Job auch Vorteile für die Politik mitgebracht? Ganz eindeutig. Meine Erfahrungen in der Wirtschaft helfen mir sehr. Ich habe dadurch oft einen anderen Blick auf verschiedene Themen. Ich weiß auch, wie die Wirtschaft tickt. Das ist gerade in der aktuellen Phase sehr hilfreich. Bauland ist überall im Kreis gefragt, unsere Region scheint attraktiv genug zu sein. Wie würden Sie jemanden, der in den Kreis Paderborn ziehen will, diese Region schmackhaft machen? Der Kreis Paderborn ist landschaftlich hoch attraktiv. Wir haben das Oberzentrum Paderborn und viele starke Städte rundherum, die sehr viel bieten. Zudem leben die Menschen hier super zentral angebunden an die Autobahnen und auch der nahe Flughafen ist für viele attraktiv. Ganz wichtig ist hier auch die Vereinsarbeit, die kann auch bei der Integration viel helfen. Hier werden Menschen mitgenommen. Auch kulturell ist das Angebot in den Orten vielfältig und groß. Es gibt viele Musikvereine, Tambourkorps, Sportvereine und weitere – überall blüht etwas im Kreis Paderborn. Wir haben zum Beispiel das Kreismuseum Wewelsburg, das Kloster Dalheim und das Theater. Auch das Thema Gesundheit spielt hier eine große Rolle. Ich bin ganz begeistert, vielleicht auch ein Stück verliebt in unsere Region. Das macht den Job als Landrat durchaus leichter. Ein wichtiges Zukunftsthema ist die Mobilitätswende. Dafür müssen aber auch mehr Menschen aufs Rad steigen. Ist die Infrastruktur an Radwegen ausreichend und was plant der Kreis? Für unser Konzept, ein Radnetz zu entwickeln, haben wir 2022 den Deutschen Fahrradpreis gewonnen. Wir müssen es jetzt auch in Absprache mit den Kommunen umsetzen und gemeinsam Radwege bauen. Mir ist besonders wichtig, dass wir auch Fernstrecken hinbekommen. Aus Kostengründen können wir aber noch nicht alles umsetzen. Aber eins steht fest: Radwege müssen gebaut werden und wir müssen das Thema immer wieder attraktiv machen. Sie sind ja nicht nur Landrat, sondern auch in diversen Aufsichtsräten. Was machen Sie in Ihrer knapp bemessenen Freizeit? Wenn ich am Wochenende einmal Zeit habe, dann verbringe ich sie mit der Familie, mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern. Was ich mir aber erhalten habe, ist das Laufen. Ich laufe morgens ganz früh mit einem guten Freund etwa fünf Kilometer, am Samstag dann auch mal mehr. Mein großes Hobby ist das Schlagzeug-Spielen. Das kann ich aber leider nur noch für mich, nicht mehr in einer Kapelle. Da fehlt die Zeit für die Proben. Hin und wieder versuche ich auch, mich bei meiner Clique in Fürstenberg blicken zu lassen. Silvester sind sie in diesem Jahr alle bei uns, da wird zusammen gefeiert. Das genieße ich sehr und darauf freue ich mich. Freundschaften und Familie müssen gepflegt werden. Ich bin sehr dankbar, dass ich in meinem Umfeld auf viel Verständnis stoße. Wie können Sie nach einem langen Arbeitstag abschalten? Ich kann sofort schlafen, das ist sehr wichtig. Aber ich schaue auch Fernsehen, am liebsten einen Krimi. Wenn er dann noch aus Münster kommt, perfekt. Sie sagten mal, dass Sie nur schlechte Laune hätten, wenn Sie hungrig sind. Was kann Ihnen denn noch die meistens gute Laune vermiesen? Da gibt es nur ganz wenige Dinge. Eins aber ist ganz klar: Unehrlichkeit. Ich kann es nicht leiden, wenn hinter dem Rücken geredet und nicht fair und ehrlich miteinander gesprochen wird. Und wenn Versprechen nicht eingehalten werden. Zudem lege ich sehr großen Wert auf Pünktlichkeit. Ansonsten achten alle darauf, dass sie mich nicht lange hungrig ertragen müssen. Wie und wo verbringen Sie gerne Ihren Urlaub? Ich genieße es, zu Hause in unserem Garten zu sein. Aber wir fliegen auch gerne in die Ferne. Ich liebe Afrika, war schon in Tansania und möchte gerne mal nach Uganda. Ich bin aber nicht fixiert auf irgendeine Gegend, dafür ist es einfach zu spannend, etwas anderes kennenzulernen. Ich bin kein Mensch, der immer an denselben Ort fährt. Ich möchte das Leben atmen und mittendrin sein. Sie sind Musikliebhaber, spielen selbst Schlagzeug. Im Kreis Paderborn gibt es mittlerweile auch größere Open Airs mit Rock und Pop wie in Salzkotten oder Büren. Ist das auch Musik, die Sie mögen? Ich gehe da wirklich gerne hin, wenn die Zeit es zulässt. Da kann ich wunderbar abschalten. Es herrscht dort eine gewisse Leichtigkeit und Gemütlichkeit, wenn man dort mit netten Menschen beisammen ist. Da darf auch gern mal ein Bier getrunken werden. Was ich aber genauso gerne besuche, sind die Konzerte der heimischen Musikkapellen und Chöre. Ich habe selbst 25 Jahre lang in der Blaskapelle Fürstenberg Schlagzeug gespielt. Jetzt sind dort meine beiden Töchter aktiv. 2025, wenn die nächsten Kommunalwahlen sind, werden Sie 60 Jahre alt. Noch jung genug, um eine weitere Amtszeit dranzuhängen. Werden Sie erneut für das Amt des Landrats kandidieren? Das halte ich mir noch offen. Aber grundsätzlich besteht schon die Tendenz, die Arbeit als Landrat fortzusetzen. &bdquo;Weihnachten koche entweder ich ?oder wir machen Raclette“ Wie sieht das typische Weihnachtsfest bei Familie Rüther aus, gibt es da Traditionen? Eine Tradition hat sich leider geändert, da meine Mutter verstorben ist. Sie fehlt mir und uns sehr. Sie war stets eine gute Ratgeberin und Zuhörerin, einfach mein Herzensmensch. Ich vermisse ihre Meinungen, Ratschläge und guten Ideen. In der Vergangenheit haben wir bei ihr den 1. Weihnachtstag verbracht. Jetzt besuchen wir uns im Geschwisterkreis. Traditionell kommen aber an Heiligabend immer mein Schwager, meine Schwägerin und meine Schwiegereltern zu uns. Entweder koche ich oder wir machen Raclette. Ich liebe die Gemütlichkeit, das Beisammensein und das gemeinsame Erinnern, Erzählen und Lachen. Der 2. Weihnachtstag gehört aber meiner Familie. Das Jahr 2023 war aufgrund der verschiedenen Krisen nicht das leichteste. Was wünschen Sie sich für das Jahr 2024 – persönlich und für den Kreis Paderborn? Persönlich wünsche ich meiner Familie und mir, gesund zu bleiben. Das ist das Allerwichtigste. Natürlich wünsche ich das auch allen Menschen im Kreis Paderborn. Ich wünsche mir darüber hinaus, dass wieder Frieden einkehrt – auch in den Herzen der Menschen, im Kleinen und im Großen. Für den Kreis Paderborn wünsche ich mir, dass die Entwicklung weiter voranschreitet. Und im Kreishaus möchten wir weiterhin einen guten Service für die Menschen bieten.

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