Neuer Chef der Wirtschaftsförderung: „Wir müssen die Arbeitskräfte für Paderborn begeistern“

Herr Trienes, Sie sind jetzt seit etwas mehr zwei Monaten Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Paderborn. Fühlen Sie sich inzwischen angekommen? MARCO TRIENES: Ich bin dabei anzukommen. Gerade bin ich dabei, das Team kennenzulernen, was mir sehr wichtig ist. Wir machen das in einem kreativen Format: Jedes Teammitglied durfte sich einen Ort aussuchen – die beste Ansiedlung, den potenzialreichsten Leerstand, das schönste Café. Wir sind dann zu zweit unterwegs, darüber lernen wir uns und ich die Stadt besser kennen. Ansonsten geht es natürlich auch darum, in Politik, Verwaltung und mit der primären Zielgruppe – nämlich der Unternehmerschaft – möglichst viele Kontakte aufzubauen. Sie waren vorher in Wuppertal tätig. Was hat Sie an Paderborn und dieser Stelle gereizt? Ich habe Wirtschaftsgeografie und Geografie studiert, da guckt man ja mit einer besonderen fachlichen Brille auf Standorte. Schon aus der Ferne war mir klar: Paderborn ist ein starker, vielfältiger Wirtschaftsstandort, der klare Schwerpunktfelder hat: Das Thema digitale Geschäftsmodelle und IT spielt schon eine herausragende Rolle hier und auch die Logik der Branchenentwicklung – aus Start-ups heraus – ist ein wesentliches Merkmal der Stadt und der Region. Haben sich diese Erwartungen erfüllt? Die Eindrücke, die ich vorweg gesammelt habe, wurden alle bestätigt. Was man auch aus der Ferne wahrnimmt ist zum Beispiel die Bedeutung Region. Die regionale Vernetzung mit den Dachstrukturen der OWL GmbH, mit dem Markennamen &bdquo;OWL“ – das war direkt am Anfang für mich spürbar, ja. Das ist eine besondere Stärke, die man schon aus anderen Regionen beäugt hat – ich freu mich Teil davon zu sein und gemeinsame Projekte voranzubringen. Kooperation macht auch immer Mühe, ganz klar, aber ich glaube, es ist der Mühe wert. Das funktioniert hier auf einem sehr hohen Niveau, auch mit dem Commitment, immer wieder regionale Themen neu auf den Weg zu bringen. Das klingt alles sehr positiv für einen ersten Eindruck. Jetzt sind Sie ja schon ein paar Wochen hier. Wo sehen Sie denn die größten Baustellen in Paderborn? Wenn man fragt, wo der Schuh besonders drückt, dann sind das die Fachkräfte. Mittlerweile kann man schon von einem Arbeitskräftemangel sprechen. Das geht durch alle Qualifikationsstufen, durch alle Branchen. Viele Paderborner Unternehmen suchen nach Menschen, die Lust haben, sich mit Themen zu beschäftigen, sich weiterzuentwickeln und einen produktiven Beitrag im Wirtschaftsleben zu leisten. Mit dem Problem ist Paderborn ja nicht alleine. Aber wie kann man diese Menschen finden und nach Paderborn locken? Wir müssen die Menschen schon in der Schule abholen, sie für MINT-Themen begeistern. Auch Migranten stärker bei der Integration ins Arbeitsleben zu begleiten, wird künftig eine größere Rolle spielen. Und wir müssen Menschen begeistern für den Standort. Dass sie sich für Paderborn entscheiden, zumindest für eine längere Zeit, über das Studium hinaus. Wie kann das gelingen? Da spielen zunehmend auch weiche Faktoren eine Rolle: Welche Qualitäten hat die Stadt als Lebensraum? Was bietet sie im Bereich Kultur, Einzelhandel, Freizeit, Erreichbarkeit? Auch bezahlbarer Wohnraum und Lebenshaltungskosten gehören dazu. Da können wir uns gut platzieren. Paderborn bietet ein bezahlbares und wertiges Leben in einem urbanen Kontext. Natürlich ist die Wirtschaftsförderung nicht alleine dafür zuständig, aber das zu kommunizieren, auch mit einem stärker auf den Menschen ausgerichteten Standortmarketing, könnte eine Aufgabe für die nächste Zeit sein. Wir müssen immer wieder die Paderborn-Flagge hochhalten und sagen: Das ist ein toller Standort. Der Mangel an Arbeitskräften ist also das drängendste Thema. Ein weiteres Problem in Paderborn sind ja auch die fehlenden Gewerbeflächen. Die Flächenverfügbarkeit ist ein großes Thema. Da geht es ja nicht nur um die Ansiedlung von Unternehmen, sondern auch um Bestandsunternehmen, die expandieren oder moderne Produktionstechnologien aufbauen wollen. Das wird planungsrechtlich immer schwieriger. Natürlich muss man das auch vor dem ökologischen Hintergrund sehen und sich fragen, wie man das flächenschonend und nachhaltig gestalten kann. Wir müssen auch stärker schauen, was es an existierendem Flächenpotenzial im Bestand gibt. Also geht es gar nicht unbedingt darum, neue Flächen auszuweisen, sondern die vorhandenen anders zu nutzen? Ja, Nachverdichtung wäre zum Beispiel eine Option. Vielleicht haben Unternehmen noch Potenzialflächen vor der Tür, die man nutzen kann. Es gibt die Verdichtung in der Vertikalen, Parkpaletten statt Parkplätzen sparen Fläche. Durch neue Nutzungskonzepte könnte der Raumbedarf kompakter gestaltet werden. Es gibt da viele Stellschrauben. Aber es geht auch darum, die eine oder andere leerstehende oder nicht ausgelastete gewerbliche Immobilie zu identifizieren. Haben Sie da schon konkrete Standorte im Blick? Ja, wir haben so einige Sachen im Blick, aber die sind noch nicht spruchreif. Dann gehen wir zurück zu den Herausforderungen für Unternehmen. Zinssteigerung, Inflation und Energiekosten belasten aktuell natürlich viele, aber das sind hoffentlich eher kurzfristige Themen. Was jetzt nicht nur Paderborn betrifft, aber gerade ein großes Problem ist, ist die durchaus spürbare Unsicherheit. Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Haushalt ist die Lage jetzt noch unsicherer geworden. Unternehmen halten dadurch Investitionen zurück. Es geht der Unternehmerschaft um nachvollziehbare, transparente und für einen zumindest mittelfristigen Zeitraum funktionierende Rahmenbedingungen. Es minimiert das Risiko, wenn ich weiß, wie es weitergeht. Erst darauf basierend kann ich als Unternehmer meine betriebswirtschaftliche Entscheidung treffen. Ein weiteres großes Thema ist natürlich die Bürokratie, die Zeit und Geld kostet. Inwiefern? Ein Beispiel: Was muss man heute alles an bürokratischen Vorgaben beachten, um eine PV-Anlage aufs Dach und einen Batteriespeicher vor die Tür zu bekommen und daraus vielleicht noch Strom ins Netz einzuspeisen? Das sind lange Wege und das macht es aus unternehmerischer Sicht sehr anspruchsvoll – und damit teuer. Das ist aber natürlich auch etwas, das wir lokal nicht ändern können. Wir können nur versuchen, mit den Rahmenbedingungen vor Ort bestmöglich umzugehen. Wie sehen Sie da Ihre Rolle? Kommunale Wirtschaftsförderung ist gute Begleitung, guter Service, gutes Handwerk – zuverlässig und präzise Unternehmen zu begleiten. Das kann mal bedeuten, einen Kontakt zu vermitteln, statistische Informationen zu liefern, zu Fördermitteln zu beraten oder auch bei der Ansiedlung zu unterstützen. Und dann gibt es ja noch eine andere Facette der Wirtschaftsförderung, wo man Impulsgeber ist und eigene Projekte voranbringt. Ich glaube, dass das Standortmarketing ein ganz wesentlicher Aspekt ist. Es geht darum, immer wieder – nicht nur in der Stadt und der Region, sondern auch darüber hinaus – zu kommunizieren: Wofür steht Paderborn und welche Projekte sind hier in der Pipeline? Da müssen wir mit geradem Rücken und lauter Stimme kommunizieren, was hier alles Gutes passiert und welche Stärken wir haben. Mitte Dezember wird über den Haushalt der Stadt Paderborn entschieden, die Haushaltslage ist angespannt. Mit Blick auf die Einnahmenseite könnte manch einer da auch eine Anhebung der Gewerbesteuer ins Spiel bringen. Natürlich würde es Unternehmen nicht freuen, wenn man jetzt die Gewerbesteuer hochdreht. Aus Sicht der Unternehmen ist die Kostenbelastung ohnehin schon hoch. Man könnte auch argumentieren, dass man sowohl in guten, wie in schlechten Zeiten Wirtschaftsförderung braucht. Durch die Begleitung neuer Ansiedlungen, Investitionen oder Gründungen können wir so einen Beitrag zur positiven Entwicklung des Standortes leisten. Neben der Gewerbesteuer spielt auch die Zunahme der Beschäftigten eine Rolle. Abschließende Frage: Das Jahr neigt sich dem Ende – was haben Sie sich für 2024 vorgenommen? Natürlich will ich das Team weiter kennenlernen und im internen Dialog Themen schärfen. Wir haben ein neues Handlungsfeld: nachhaltiges Gewerbegebietsmanagement – da werden wir nächstes Jahr auch eine eigene Idee entwickeln, was wir da konkret vor Ort machen können. Und dann würde ich mich freuen, wenn das Thema Zukunftsquartier in den nächsten Monaten Fahrt aufnimmt. Das ist eine große Chance und Verantwortung für die weitere Standort- und Wirtschaftsentwicklung.

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