Polizei-Einsatz: Warum eskalierte die Lage in der Paderborner Notunterkunft?

Paderborn. Eine Auseinandersetzung mit gut 100 Beteiligten und ein daraus resultierender umfangreicher Polizeieinsatz. Das wirft kein gutes Licht auf die Notunterkunft für Geflüchtete in der ehemaligen Dempsey-Kaserne. Ursprünglich war angedacht, dass dort kurzfristig bis zu 1.000 Menschen aus der Ukraine untergebracht werden könnten. Inzwischen sind in der Einrichtung in Schloß Neuhaus Schutzsuchende aus fast 40 Ländern. Mit Blick auf die Auseinandersetzung vom Dienstag, berichtet Verani Kartum, Lokalpolitiker und Mitglied des Integrationsrats der Stadt Paderborn, von einer sehr schlechten Grundstimmung vor Ort und bemängelt besonders die Betreuungssituation. "Die Flüchtlinge möchten gerne Arbeiten und Sprachkurse besuchen und bekommen dafür keine Erlaubnis", führt Kartum die Situation auf. Fehlende Privatsphäre, keine sonstigen Aktivitäten, lange Wartezeiten für Arzttermine und Wohnzeiten von über zehn Monaten seien ihm im Gespräch mit Bewohnern geschildert worden. Die Menschen seien "psychisch am Ende". Anfangs seien die Bedingungen gut gewesen, als die Einrichtung noch nicht so voll belegt gewesen sei, inzwischen sei die Stimmung aber gekippt. Rückblick: Die Notunterkunft des Landes war durch die Bezirksregierung Detmold im Frühjahr vergangenen Jahres mit Blick auf die Flüchtlinge aus der Ukraine eingerichtet worden. Dafür wurden von der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA), der das ehemalige Kasernengelände gehört, drei Gebäude angemietet und hergerichtet. Mit Platz für kurzzeitig bis zu 1.000 Personen war dabei kalkuliert worden. Neben Bewohnerzimmern wurden eine Kantine, eine Kleiderkammer, medizinische Behandlungs- sowie Büroräume und mehrere Zimmer für die Kinderbetreuung eingerichtet. Flüchtlingssituation verändert sich im Herbst letzten Jahres Zu Anfang waren ausschließlich Ukraine-Geflüchtete untergebracht. Die Prognosen zu Fluchtbewegungen aus der Ukraine erfüllten sich allerdings nicht. So wurde das Platzangebot weder auf dem Dempsey-Gelände noch in der aus Zelten errichteten Notunterkunft Stöckerbusch in Büren voll ausgeschöpft. Im Sommer wurden die Kapazitäten reduziert, die Bürener Einrichtung in den Reserve-Status gesetzt. Im Herbst 2022 veränderte sich die Lage allerdings deutlich und Menschen aus unterschiedlichen Ländern werden seitdem in den Einrichtungen beherbergt. So waren im November in Stöckerbusch 244 der 400 Plätze belegt, in der ehemaligen Dempsey-Kaserne 530 von 800 Plätzen. Wegen auslaufender Verträge gab es ab Mai in Paderborn einen Wechsel in der Betreuung vor Ort, von der Johanniter-Unfall-Hilfe zum Deutschen Roten Kreuz (DRK). Auch der Sicherheitsdienst, der für einen geordneten Ablauf in der Einrichtung sorgen soll, wurde gewechselt. Zu dieser Zeit waren laut den Angaben aus Detmold 577 Plätze mit Schutzsuchenden aus 29 Ländern belegt. Die Zusammensetzung der Bewohner der Landeseinrichtungen könne schwanken und hänge unter anderem von der Fluchtbewegung nach Deutschland ab, teilt die Bezirksregierung auf "NW"-Anfrage mit. Aktuell seien in Büren 382 Menschen untergebracht. In der Neuhäuser Einrichtung seien es 635 Personen aus insgesamt 39 Herkunftsländern, davon 134 Frauen und 501 Männer. Im Rahmen der Betreuung werde durch das DRK eine sogenannte dialogorientierte Sozialarbeit ermöglicht. Darüber hinaus gebe es wochentags eine Kinderbetreuung. Von der Caritas werde seit diesem Monat ein Frauen-Café angeboten. Für Outdoor-Aktivitäten könnten Badminton-Schläger und Bälle ausgeliehen werden. Außerdem stünden ein Tischkicker und eine Tischtennisplatte zur Verfügung, weitere Aktivitäten seien in Planung, heißt es aus Detmold. Mehrere Faktoren spielen eine Rolle bei der Aufenthaltsdauer Nach Ansicht der Flüchtlinge sei die Unterkunft mittlerweile überfüllt und die vielen Nationalitäten miteinander vermischt, bilanziert Verani Kartum. Ukrainische Geflüchtete würden oft nach nur wenigen Wochen auf andere Städte verteilt, diesen Wunsch hätten auch die anderen Untergebrachten. Im Gegensatz zu Menschen, die Asylanträge stellen, gilt für Ukrainer, dass diese in Deutschland und anderen EU-Staaten einen dreijährigen Schutz-Status erhalten. Für ihre Unterbringung sind die Kommunen zuständig, da für sie das Aufenthaltsgesetz gilt. Die Aufenthaltsdauer in Unterkünften sei sehr unterschiedlich, bestätigt die Bezirksregierung, es hänge von mehreren Faktoren ab. Dazu zählen die Asylperspektive, die Familienkonstellationen und die Bearbeitungsgeschwindigkeit der Asylanträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Für verschiedene Flüchtlingsgruppen ergäben sich deshalb unterschiedliche Verweildauern in den Einrichtungen in OWL. Maximal sechs Monate blieben etwa Familien mit Kindern in den Sammelunterkünften, bevor sie einer Kommune zugewiesen werden könnten. Damit werde den besonderen Bedarfen der Kinder Rechnung getragen. Es gebe allerdings auch alleinreisende Asylantragsteller, die zwölf Monate oder länger in den Einrichtungen untergebracht seien. Die Höchstverweildauer in Landeseinrichtungen beträgt laut Auskunft der Bezirksregierung 24 Monate. Die Paderborner SPD sieht in den Ereignissen vom Dienstag und nach Gesprächen im Umfeld Anlass zur Sorge. "Die Verantwortung dafür allein dem Land zu überlassen, wäre ein Fehler, denn Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir wollen, dass die Menschen in Paderborn sich sicher fühlen und Integration perspektivisch gelingt. Dazu bedarf es einer vernünftigen Betreuung der aufgenommenen Personen“, kommentiert der Fraktionsvorsitzende Franz-Josef Henze in einer Stellungnahme. Im Rahmen einer Anfrage für den Bezirksausschuss Schloß Neuhaus/Elsen will die SPD von der Verwaltung Hintergründe zur Betreuung der Geflüchteten erfahren, die Problemlagen ansprechen und Lösungsstrategien erfahren.

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