Missbrauchsfälle: Tafel im Paderborner Dom macht auf schwere Verfehlungen aufmerksam

Paderborn. Das Erzbistum Paderborn wird künftig auf die Verfehlungen ihrer ehemaligen Erzbischöfe Lorenz Kardinal Jaeger und Johannes Joachim Kardinal Degenhardt aufmerksam machen. Wenn am Sonntag, 16. Juli, die Krypta im Dom nach längerer Renovierung wieder öffnet, wird an den Gräbern der beiden Geistlichen eine Hinweistafel zu sehen sein. Das haben jetzt der Vorstand der unabhängigen Betroffenenvertretung, die eine solche Tafel anregte, und das Metropolitankapitel vereinbart. In die Amtszeiten von Jaeger (1941-1973) und Degenhardt (1974-2002) fallen zahlreiche Missbrauchsfälle. Zwei Wissenschaftlerinnen der Universität Paderborn hatten im Rahmen einer Studie 160 geweihte Geistliche im Erzbistum identifiziert, denen von 1941 bis 2002 sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde. Die beiden Erzbischöfe sollen dabei den Beschuldigten Fürsorge entgegengebracht haben, nicht aber den Opfern, hieß es Ende 2021 in einem Zwischenbericht zu der Studie. Diese Vorwürfe spiegeln sich nun im Text für die Hinweistafel wider. Wörtlich heißt es dort: "Die hier beigesetzten Erzbischöfe haben während ihrer Amtszeit aus heutiger Sicht schwere Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch begangen. Allzu oft haben sie Schutz und Ansehen der Institution und der Täter über das Leid der Betroffenen gestellt." Den Text hatte das Metropolitankapitel formuliert, die Betroffenenvertretung hat dem zugestimmt. Weitere Infos auf einer Internetseite sollen folgen Reinhold Harnisch ist froh, dass eine solcher Hinweis erscheinen wird. "Wir haben auf eine solche Kennzeichnung, ähnlich wie es sie schon in Münster gibt, gedrungen", sagt der Sprecher der Betroffenenvertretung im Erzbistum Paderborn. "Uns war wichtig, dass dies im Zuge der Krypta-Eröffnung geschieht." In einem nächsten Schritt soll der Text um einen QR-Code erweitert werden. Dieser soll dann zu einer noch nicht fertigen Internetseite führen, die künftig auf Basis der aktuell durchgeführten Missbrauchsstudie weitere Infos bietet. Besagte Internetseite werde "neben den Versäumnissen der beiden früheren Paderborner Erzbischöfe auch Informationen zu deren Lebensleistung abbilden", teilt das Erzbistum auf Nachfrage mit. Das Erzbistum betrachte die nun getroffene Vereinbarung "als Zeichen eines guten Dialogs". Es handle sich um "eine angemessene Form der Auseinandersetzung mit dem Fehlverhalten". Auch der Betroffenenvertreter Harnisch spricht von einer "konstruktiven Diskussion". "Wir haben hier in Paderborn einen kooperativen Weg gefunden", sagt er. Mit Monsignore Michael Bredeck, der die Erzdiözese aktuell übergangsweise leitet, sei neuer Wind aufgezogen. Dennoch, so Harnisch, gebe es auch Kleriker-Stimmen, die die Aufarbeitung der Missbrauchsfällen nicht wollten. Überlegungen für Denkmal für Betroffene sexuellen Missbrauchs Womöglich wird es nicht bei einer Tafel bleiben. Die Betroffenenvertretung und das Erzbistum sind im Gespräch über ein Denkmal für Betroffene sexuellen Missbrauchs. "Es geht nicht um das Ob, sondern um das Wie", zeigt sich Reinhold Harnisch zuversichtlich, dass ein solches Denkmal kommen wird. Angedacht sei ein Künstlerwettbewerb. "Als Standort ist ein Seitenschiff des Doms, etwa in einer Kapelle, denkbar", meint er. Für dieses Projekt soll nach der Sommerpause eine Arbeitsgruppe gebildet werden. Die Entscheidung, ob es ein solches Denkmal tatsächlich geben wird, wird der künftige Erzbischof treffen. Parallel zur Installation der Hinweistafel untersuchen die beiden Wissenschaftlerinnen der Uni, Nicole Priesching und Christine Hartig, im Auftrag des Erzbistums, wie der Umgang mit kirchlichem sexuellen Missbrauch zur Zeit der beiden Erzbischöfe war. Die unabhängige Studie wurde im Frühjahr auf die Amtszeit des emeritierten Erzbischofs Hans-Josef Becker ausgeweitet.

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