Sexismus-Vorwürfe beim Padersprinter: "Ich hab gedacht, ich muss es aushalten"

Paderborn. Die Vorwürfe wiegen schwer. Eine Busfahrerin des Padersprinter verklagt ihren Arbeitgeber. Sie ist überzeugt, der Kommunalbetrieb habe seine Fürsorgepflicht vernachlässigt. Es geht um sexuelle Belästigungen und rassistische Beleidigungen. Die 50-Jährige konnte bereits zahlreiche Paderbornerinnen hinter sich versammeln. Ein Netzwerk aus Kommunalpolitikerinnen sowie Frauen aus Gewerkschaft und Frauenorganisationen hat sich extra für dieses brisante Thema gebildet. "Dass Sexismus und Rassismus in einem kommunalen Tochterunternehmen jahrelang geduldet worden sein sollen, ist skandalös", schreiben Elke Süsselbeck (Linksfraktion) und Cordula Reuter (Vorsitzende und Geschäftsführerin der gleichnamigen Stiftung) in einer Mitteilung. Hülya U., die ihren Nachnamen nicht öffentlich machen möchte, spricht von sexueller Belästigung und rassistischen Beleidigungen durch einen ihr vorgesetzten Mitarbeiter des Padersprinter. Alexander H. (Name von der Redaktion geändert) habe ihr gegenüber zahlreiche vulgäre Äußerungen und Gesten gemacht. Ganz konkrete Beispiele Sie nennt ganz konkrete Beispiele: So soll der Mitarbeiter mit seinen Händen sexuelle Handlungen angedeutet haben. Auch soll er Hülya U. zum Geschlechtsverkehr mit Kollegen aufgefordert haben. Sie schildert den Vorfall so: "Ich bin Deutsche, aber habe türkische Wurzeln. Als ein türkischer Auszubildender in die Firma kam, hat Alexander H. gesagt, wir beide sollten miteinander schlafen, weil wir beide Türken seien." Es sei noch weiter gegangen: "Ich wurde auch gefragt, ob ich nicht mal einen unbeschnittenen Penis sehen möchte." Zudem habe Alexander H. seine Hand oft in seinen Schritt gelegt, wenn eine Frau den Raum betrat. Wenn er sein Hemd in die Hose steckte, soll er die Hose vor anderen Mitarbeiterinnen bis zu seinem Slip herunter gezogen haben. Als Alexander H. mit einer Banane in der Hand an Hülya U. vorbeiging, habe er daran gesaugt und sie angeguckt. "Mit diesem konkreten Vorfall bin ich dann zu unserer Gleichstellungsbeauftragten gegangen", berichtet Hülya U. Es habe ein Gespräch mit Vorgesetzten, Alexander H. und dem Betriebsratsvorsitzenden gegeben. Geändert habe sich aber nichts, konstatiert Hülya U. Zuvor habe sie bereits das Gespräch mit Alexander H. unter vier Augen gesucht: "Ich habe ihm gesagt, dass mich diese Bemerkungen belasten und stören. Er hat nur breit gegrinst", so Hülya U. Padersprinter, Betriebsrat und die Stadt Paderborn reagieren auf die schweren Anschuldigungen mit Schweigen. Der Padersprinter sagt auf Nachfrage: "Hierbei handelt es sich um ein schwebendes Verfahren, in dem das Urteil noch aussteht. Zu laufenden arbeitsgerichtlichen Verfahren geben wir grundsätzlich keine Stellungnahme ab." Der Betriebsratsvorsitzende des Padersprinter, Jürgen Pasel, will auf Nachfrage der "NW" keine Stellungnahme abgeben. Wie Stadt und Bürgermeister reagieren Auch Bürgermeister Michael Dreier äußert sich nicht zu den Vorwürfen. Dreier ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Paderborner Kommunalbetriebe. Zu dieser GmbH gehört auch der Padersprinter, der keinen eigenen Aufsichtsrat hat. Als Hülya U. einer Mitarbeiterin des Bürgermeisters ihre Geschichte ausführlich schildert, antwortet ihr Dreier im Dezember in einer E-Mail, die dieser Redaktion vorliegt. Darin bittet er um Verständnis, dass er vor dem Hintergrund dieser noch laufenden Verfahren nicht für ein Gespräch zur Verfügung stehen könne. Auf eine erneute Anfrage der "Neuen Westfälischen" teilt Stadt-Sprecherin Kristina Stog mit: "Ja, die Vorwürfe der Mitarbeiterin sind der Stadt Paderborn bekannt. Da wir uns zu laufenden Verfahren grundsätzlich nicht äußern, können wir Ihnen zu Ihrer Anfrage derzeit keine weitere Auskunft geben." Dabei ist Hülya U. offenbar nicht die einzige Betroffene. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Padersprinter berichtet im Gespräch mit der "NW" ebenfalls von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Julia W. (Name von der Redaktion geändert) hat ihre Ausbildung beim Padersprinter gemacht. "Da wurde mir schon beim Bewerbungsgespräch gesagt, dass ich in einem Männerbetrieb ein dickes Fell brauche", erinnert sie sich. Porno "in voller Lautstärke" geguckt Sie spricht von täglicher sexueller Belästigung und weiteren vulgären Handlungen und Äußerungen durch Alexander H. Einmal habe sie neben ihm gesessen, als er "in voller Lautstärke" einen Porno über den Computer abgespielt habe. Er habe ihr gesagt, dass bei ihrem Körper alles an der richtigen Stelle sei. Und sie habe von ihm Einladungen erhalten, sich auf seinen Schoß zu setzen. "Ich habe mich gefühlt, als wäre ich nur ein Stück Fleisch", beschreibt Julia W. die psychischen Folgen. Sie habe sich entwürdigt gefühlt. "Zwei Mal ging ich zum stellvertretenden Betriebsleiter und erzählte ihm davon. Konsequenzen gab es keine", sagt Julia W. "Ich habe dann einfach gedacht, ich müsse das eben aushalten." Sexuelle Belästigung habe sie nicht nur durch Alexander H. erfahren, sondern auch durch weitere Mitarbeiter des Padersprinter. Hilfe bei Paderborner Frauenberatungsstelle Die heute 27-Jährige habe ihre Ausbildung beim Padersprinter abgeschlossen, sei eine Zeit im Unternehmen geblieben, doch habe sich aufgrund der jahrelangen sexuellen Belästigungen dann entschieden, zu kündigen. Im Dezember 2019 verließ sie den Padersprinter. Danach suchte sie sich, wie auch Hülya U., Hilfe bei einer Paderborner Frauenberatungsstelle. Hülya U. ist weiterhin beim Padersprinter angestellt, derzeit ist sie krankgeschrieben. Während der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht habe sie eine Abmahnung erhalten, weil sie mit ihren Anschuldigungen "den Betriebsfrieden störe". Da Padersprinter und Hülya U. sich im November vor dem Arbeitsgericht nicht einigen konnten, findet der Kammertermin am Montag, 24. April, statt. Dort sollen auch Zeuginnen und Zeugen aussagen - darunter Julia W. "Es ist gut, dass nun alles an die Öffentlichkeit kommt", findet sie.

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