Corona-Sommerwelle im Kreis Paderborn - ohne Konzept in den Herbst?

Kreis Paderborn. Die Infektionszahlen sind im Kreis Paderborn seit der vergangenen Woche deutlich in die Höhe geschnellt. Die Inzidenz betrug am Dienstag 541,9, am Monatsanfang lagen noch Werte um 200 vor. Nach knapp vier Wochen sind zudem auch wieder Todesfälle zu verzeichnen. Am Dienstag vermeldete das Kreisgesundheitsamt den 220. Corona-Todesfall. Eine 84-jährige Paderbornerin ist im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion verstorben. Am Vortag war der Tod einer minderjährigen Person gemeldet worden. Es ist das bisher mit Abstand jüngste Corona-Opfer im Kreis, bislang waren die Todesopfer allesamt älter als 40 Jahre. Schon im März hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach anhand von Expertenmeinungen prognostiziert, dass mit einer Sommerwelle des Coronavirus zu rechnen sei. Etwa seit Monatsanfang verdichten sich mit einem deutlichen Anstieg der Infektionszahlen und mit dem Auftreten der Omikron-Variante BA.5 die Hinweise, dass sich die Befürchtungen bewahrheiten könnten. Prognosen über die Entwicklung des Infektionsgeschehens lassen sich allerdings nur noch schwer treffen. Bedrohlich sei die Entwicklung zunächst nicht, hieß es zuletzt vom Corona-Experten Christian Drosten, der gleichzeitig von einer lang anhaltenden Infektionswelle ab Herbst ausgeht. Trotz der aktuellen Todesfälle verzeichnen die hiesigen Krankenhäuser bislang nur relativ wenige Corona-Patienten, insbesondere auf den Intensivstationen habe sich die Patientenzahl auf einem niedrigen Niveau eingependelt, bestätigt der Kreis auf NW-Nachfrage. "Die Impfungen schützen offenbar vor schweren Verläufen und die Omikronvariante ist weniger gefährlich, wenngleich hochansteckend", so die Beurteilung bislang. Was allerdings fehlt, sind verlässlich Daten etwa über BA.5. Belastbare Aussagen seien derzeit nicht möglich, da die Labore derzeit keine Subtypen meldeten oder dies nur mit großem zeitlichen Versatz geschehe. "Gefühlt ist Covid vorbei" "Vor vier Wochen wurde die Variante in Portugal festgestellt und hat sich dort trotz einer sehr hohen Impfquote sehr schnell verbreitet. Auch in Deutschland verläuft die Ausbreitung exponentiell und es wird die vorherrschende Variante sein", fasst Ulrich Polenz, Bezirksstellenleiter der KVWL und Vorsitzender des Paderborner Praxisnetzes, die bisherigen Erkenntnisse zusammen. Allerdings gebe es zu BA.5 auch noch viele offene Fragen, beispielsweise den Einfluss auf Long-Covid-Erkrankungen oder eine mögliche Grundimmunisierung nach der Infektion sowie die Wirksamkeit der Impfungen gegen die Variante. "Gefühlt ist Covid vorbei", so fasst Polenz seine derzeitige Wahrnehmung zusammen. "Vor einem Jahr gab es bei Inzidenzen von 50 die Maskenpflicht und weitere Vorsichtsmaßnahmen, jetzt sind es um die 400 bei deutlich weniger Vorsicht." Hinzu komme, dass mit dem Wegfall der Testverpflichtungen eine nicht abzuschätzende Dunkelziffer von Infektionsfällen bestehe. "Das Virus entwickelt sich ständig weiter und mit Verzögerung schafft es auch, sich gegen die Impfung durchzusetzen. Eine der größten Befürchtungen ist eine Variante, die gefährlich ist wie Delta und ansteckend wie Omikron." "Im Festzelt steigt die Aerosolkonzentration" Genaue Rückschlüsse zu den Infektionswegen sind ohne Kontaktverfolgung nicht möglich. Es sei davon auszugehen, dass durch die gelockerten Bestimmungen und damit dem Anstieg der Kontakte die Infizierten selbst auch nicht nachvollziehen könnten, wo sie sich angesteckt hätten. "Ein Zusammenhang zu den aktuellen Großveranstaltungen ist wahrscheinlich", heißt es vom Kreis Paderborn. "Im Festzelt steigt die Aerosolkonzentration und Abstand halten ist auch nicht angesagt", blickt Polenz auf die aller Orten wieder stattfindenden Schützenfeste und andere Großveranstaltungen oder private Feiern. Ein Zusammenhang, den man auch vonseiten des Kreises für wahrscheinlich hält. Im Alltag seien zudem immer weniger Menschen mit Masken unterwegs, beobachtet Polenz. Dabei sei das Verhalten der Bevölkerung absolut verständlich. Doch es bereite ihm Sorgen, dass die Verantwortlichen keine Lösungen fänden, das sei nicht gut. Dabei blickt auch er bereits auf den Herbst voraus. Eine persönliche Sorge von Polenz ist, dass es derzeit keinerlei Strategie zum Schutz zur Hand sei. Neue Maßnahmen müssten erst wieder politisch beschlossen werden. Wegfall der kostenfreien Bürgertests "Mit Blick auf die Diskussion zur Impfpflicht zeigt sich da weiterhin eine große Trägheit der Politik. Die Vorbereitung ist im Verhältnis zur Lage äußerst unprofessionell", fasst Ulrich Polenz seine Sicht auf die derzeitige Diskussion zusammen. Aktuell zeichne sich noch keine Notlage in den Krankenhäusern ab, doch es werde so getan, als ob dies sich auch nie wieder einstellen werde. Ende des Monats sollen die kostenfreien Bürgertests auslaufen und damit ein weiteres Mittel zur Lageerkennung entfallen, eine politische Entscheidung. Angesichts der aktuellen Zahlen würde es Paderborns Landrat Christoph Rüther begrüßen, wenn die Bürgertestungen eine Fortsetzung fänden. Auf ein klares und rechtzeitiges Signal in dieser Richtung drängt auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe. Es sei wichtig, Klarheit zu haben, um etwa das Personal passend einzuplanen, führt Manfred Kesselmeier, Vorsitzender der Bezirksgruppe Paderborn, in einer Mitteilung auf. &bdquo;Wir raten der Politik dazu, den Bürgern weiterhin zur Kontrolle wohnortnah kostenlose Tests zu ermöglichen." Diese mit Beginn der Sommerferien in NRW einzustellen, sei nicht sinnvoll, auch mit Blick auf die Dynamik, die sich aus der Reisesaison ergebe. "Wir sollten dieses Instrument daher nicht leichtfertig aus der Hand geben“, so Kesselmeier.

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